Claudia Häusler über Doping:"Es hat sich viel getan im Radsport"

Die Wolfratshauserin Claudia Häusler ist ein Star im Radrennsport. Im Interview spricht sie über Doping, Kontrollen um sechs Uhr morgens - und darüber, mit welchen "Drogen" sie sich auf Rennen vorbereitet.

Interview: Helena Golz

Bundesweit hat die brisante Studie der Berliner Humboldt-Universität für Debattierstoff Aufmerksamkeit erregt. Die Studie macht deutlich, dass in Westdeutschland viel früher als bisher gedacht systematisch gedopt wurde und dass die Sportverantwortlichen wenig dagegen unternommen haben. Auch auf lokaler Ebene wird debattiert: Die 27-jährige Profi-Radrennfahrerin Claudia Häusler aus Wolfratshausen gewann das größte Radrennen der Frauen, den Giro d'Italia Femminile, im Jahr 2009 und erreichte in diesem Jahr den dritten Platz. Im Interview redet sie über Doping und Leistungsdruck.

Claudia Häusler über Doping: Die 27-jährige Profi-Radrennfahrerin Claudia Häusler aus Wolfratshausen gewann 2009 das größte Radrennen der Frauen, den Giro d'Italia Femminile. In diesem Jahr erreichte sie den dritten Platz.

Die 27-jährige Profi-Radrennfahrerin Claudia Häusler aus Wolfratshausen gewann 2009 das größte Radrennen der Frauen, den Giro d'Italia Femminile. In diesem Jahr erreichte sie den dritten Platz.

(Foto: WOR)

SZ: Womit "dopen" Sie sich?

Claudia Häusler (lacht): Die härteste Droge ist Koffein. Normalerweise trinke ich keinen Kaffee, aber vor einem Rennen hat er den Effekt, dass ich dann ein bisschen aufgedreht bin. Im Hinblick auf das Rennen ist das gar nicht so schlecht.

Sie haben ja sicher von der Studie der Berliner Humboldt-Universität über staatlich gefördertes Doping in der BRD gehört. Waren Sie davon überrascht?

Ja, das hat mich schon überrascht, klar. Wer hat damit gerechnet, dass viele Sportverantwortliche das Dopen unterstützt haben? Es schockiert mich vor allem, weil ich damit nie selbst in Berührung gekommen bin. Ich bin auch in der Weltspitze unterwegs und ich habe mit Doping nie was zu tun gehabt.

Sie haben den Giro d'Italia 2009 gewonnen und standen in diesem Jahr erneut auf dem Podest. Steigt nicht mit dem Erfolg der Druck zu dopen?

Nein, das ist bei mir wirklich nie ein Thema gewesen. Es hat nie jemand gesagt: "Mensch, wenn du jetzt nicht besser fährst, dann kriegst du nächstes Jahr keinen Vertrag mehr!" Das ist mir nie passiert.

Woran liegt das?

Ich glaube, dass es eine neue Generation gibt. Ich denke, dass sich sehr viel getan hat im Radsport.

Bezüglich Aufklärung?

Ja, oder auch bei den Kontrollen. Ich kann für mich als Kadersportler beschreiben, wie mein persönlicher Beitrag gegen Doping aussieht. Es gibt das Internetportal vom Radsportweltverband "Adams". Das ist sportartübergreifend und international. Bei "Adams" muss ich mich jeden Tag melden und sagen, wo ich mich aufhalte, sodass ich jeden Tag kontrolliert werden kann. Es wird oft außerhalb von Wettkämpfen kontrolliert. Ich hatte dieses Jahr schon ungefähr 20 Kontrollen. Die Kontrolleure klingeln um sechs Uhr in der Früh an der Haustür und dann muss man Urin und Blut abgeben. Dass man an diesem Ort nicht angetroffen wird, darf höchstens drei Mal passieren, sonst ist man für mindestens drei Jahre gesperrt.

Sie sprachen von einer neuen Generation. Wurden diese Kontrollmechanismen also erst in den letzten Jahren verstärkt?

Als ich angefangen habe, musste man sich noch bei einem anderen System melden. Mit "Adams", ab dem Jahr 2009, ist das Verfahren deutlich schärfer geworden.

Schränken Sie die Kontrollen sehr ein?

Es schränkt gewaltig ein, aber wenn es was nützt, dann finde ich es gut. Ich möchte ja auch gegen Gegnerinnen fahren, die nichts genommen haben.

Können Sie also im Moment mit dem Gefühl fahren, dass ihre Gegnerinnen sauber sind?

Im Prinzip ja. Ich weiß von mir selber, dass ich ganz vorne mitfahren kann, und ich weiß, dass ich selber nichts nehme. Und wenn jemand ein bisschen besser ist, dann glaube ich dem das auch. Es ist nicht so, dass da welche rumfahren wie vom anderen Stern. Ich weiß, dass alle anderen auch sehr scharfe Kontrollen bestehen müssen.

War Doping in Ihrem Heimatverein RSC Wolfratshausen ein Gesprächsthema?

Nein, nur manchmal hat man bei Vereinsabenden darüber gestritten, ob Lance Armstrong jetzt gedopt hat oder nicht. Es gab diese üblichen Laienstreitereien, wo das ausdiskutiert wurde.

Wissen Sie generell, ob Doping auf der Ebene der lokalen Vereine bereits vorkommt?

Das würde ich stark bezweifeln. Keine Ahnung, ob es irgendwelche Idioten gibt, die sich denken, dass sie sich bei der Apotheke was Schlaues holen müssen. Aber dass jemand vom Verein einem sagen würde: "Hier, das musst du nehmen, dann fährt es sich besser", kann ich mir nicht vorstellen.

Glauben Sie denn, dass die derzeitige Diskussion über Doping negative Auswirkungen auf die lokale Jugendarbeit haben wird?

Das wäre schade, wenn das so transportiert würde. Das wäre nämlich genau die falsche Botschaft. Es ist schockierend, was in der Vergangenheit stattgefunden hat, aber es wurde viel getan und man ist jetzt auf einem ganz anderen Weg. Es wäre schade, wenn man wieder in die Vergangenheit zurückgeworfen würde.

Wie gehen Sie denn persönlich mit dem Druck im Leistungssport um?

Ich habe einen Plan B. Ich studiere Maschinenbau an der TU München, das heißt mein Leben hört nicht auf, wenn ich nicht mehr Rad fahre oder nicht mehr schnell genug bin.

Glauben Sie, dass Doping im Radrennsport der Frauen weniger verbreitet ist als bei den Männern? Aus Geldgründen beispielsweise?

Das spielt sicher eine Rolle. Ich würde aber nicht sagen, dass Geld der einzige Grund ist. Ich denke einfach, dass beim Männerradsport im Speziellen eine jahrzehntelange Tradition bestand zu dopen. Das hat sich über viele Jahrzehnte hinweg gezogen und immer wieder haben die Jungen von den Alten gelernt. Das war einfach bei den Frauen nicht in dem Maß der Fall. Der Frauenradrennsport ist viel jünger. Der Dopingsumpf konnte sich gar nicht erst entwickeln.

Wo fängt Doping an?

Wenn man eine Kopfschmerztablette mit Wirkbeschleuniger nimmt, ist es oftmals schon Doping. Es sind einfach manchmal irgendwelche Substanzen in einem Medikament drin, bei denen man gar nicht die Absicht hat, sie zu nehmen, um schneller zu sein, sondern wegen einer Erkältung beispielsweise. Man muss auf die Dopingliste gucken und herausfinden, ob man das nehmen darf, was man nehmen möchte, oder man muss einen Sportarzt fragen: "Ich habe Halsschmerzen, was soll ich machen?"

Es wird in der Berliner Studie gesagt, dass Verantwortliche, also auch Ärzte, in der deutschen Sportlandschaft den Kampf gegen Doping nie ernsthaft betrieben haben. Was sagen Sie dazu?

Das weiß ich nicht, wie das damals war. Heute ist es jedenfalls nicht mehr so. Mir wurde immer vom Radsportverband jemand genannt, wo es dazu hieß: "Wenn du was nehmen willst, darfst du den jederzeit anrufen, und der sagt dir dann, ob es okay ist oder nicht." Schon als Juniorin kannte ich diese Telefonnummer. Ich finde, das ist ein kleiner, aber hilfreicher Schritt für jeden.

Also Sie glauben nicht an ein heutiges staatliches System, wo Doping unter der Hand verbreitet wird?

Nein, niemals. Das kann sich heute bei den unabhängigen Kontrollen niemand mehr leisten. Die Kontrollen sind ja echt. Ich glaube, daran kann man nicht zweifeln. Das sind Maßnahmen zum Schutz der Sportler. Man muss dazu sagen, es sind nicht immer nur Sportler die Bösen. Es gibt schließlich auch berühmte "Managerdrogen". Viele Leute werfen sich etwas ein, um gut zu sein in ihrem Beruf. Man muss aufpassen, wo man die Grenze zieht, und ich bin es leid, dass die Sportler, und besonders die Radsportler, immer die Bösen sind.

Werden Sie oft damit konfrontiert, dass die Radsportler immer die Bösen sind?

Ja klar. Immer wenn man nach seinem Beruf gefragt wird und Rennradfahren antwortet, springen die Leute darauf an.

Was sagen Sie?

Es gibt die interessierten Leute, die sich einfach erkundigen, aber ich bin auch schon auf der Straße beschimpft worden, als ich trainieren gefahren bin. Da haben auch schon Autofahrer die Scheibe runter gekurbelt, um mich als "Doping-Schwein" zu beschimpfen.

Wie gehen Sie mit solchen Pöbeleien um?

Also dass man von Autofahrern als Radfahrer beschimpft wird, ist ja ständig so (lacht) und dann schimpft halt einer über Doping. Soll er machen.

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