Chorprobe in Icking:Gut eingestimmt

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Peter Marino studiert mit dem Chor die neuen Werke ein. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Das Vokal-Ensemble Icking bereitet sich auf ein Konzert mit Antonin Dvořáks Messe in D-Dur und diversen Vaterunser-Kompositionen vor.

Von Hans Hoche, Icking

Wer einmal das Privileg hat, der Probe eines Chors beizuwohnen, dem wird schnell klar, wie viel Zeit, Arbeit und Mühen es braucht, um ein Konzert erfolgreich zu verwirklichen. In diesem Fall handelt es sich um das bekannte Vokal-Ensemble Icking bei seiner Vorbereitung auf das Konzert in der Heilig-Kreuz-Kirche Icking am Sonntag. "Wir fangen an", ruft Chorleiter Peter Marino, und schnell versiegt das Smalltalk-Gemurmel der 40 Sängerinnen und Sänger. Man richtet sich auf, man erdet sich. Der Einstieg jedes ernstzunehmenden Chors in konzentrierte Probenarbeit ist das Einsingen. Denn dass ein Kaltstart nichts bringt, wissen nicht nur Sportler.

Singen ist Muskelarbeit. Bauch, Zwerchfell, Flanken, Stimmlippen, Kiefer, Zunge bis hin zu den 43 Muskeln der Gesichtsmimik werden beim Singen gefordert und müssen pausenlos arbeiten. Lockern des gesamten Körpers, singen von Vokalen im Wechsel, Ganztonleitern rauf und runter, kleine Melodiensequenzen, das und noch mehr gehört zum Aufwärmen. Singen ist Technik. Singgerechte Körperhaltung, Weitung des Brustkorbs, Flankendehnung, der gezielte Einsatz des Zwerchfells und der Bauch- und Rückenmuskulatur beim Ein- und Ausatmen, das bewusste Erweitern des Vokal- und Artikulationstrakts, Lippen- und Zungenspitzentraining, das und noch mehr gehört zur Singtechnik. Singen ist Hören. Peter Marino lässt die vier Stimmlagen Sopran, Alt, Tenor und Bass zunächst einfache, harmonische Akkorde singen. Dann kommt der Auftrag an eine der Stimmgruppen, einen Halbton höher, und an eine andere, einen Halbton tiefer zu singen. Er treibt es weiter, und es wird schwieriger. Damit wird das Hörvermögen geschärft.

Gut eingestimmt beginnt der Chor das Proben der einzelnen Werke. Sie lassen sich einteilen in zwei Blöcke: Antonin Dvořáks Messe in D-Dur in einer Fassung für Chor und Bläserquintett und Vater-unser-Vertonungen aus mehr als 400 Jahren. Zu letzteren sagt Marino: "Diese und andere Vertonungen waren ursprünglich als großes A-cappella-Konzert vor Corona geplant, welches dann leider der Pandemie zum Opfer fiel." Das älteste Paternoster stammt von dem flämischen Komponisten Adrian Willaert (um 1490-1562), dem Begründer der Venezianischen Schule und Meister der Polyphonie. Mit dem Erklingen der ersten Takte dieser anspruchsvollen Renaissance-Musik mit ihrem typischen Geflecht von vollstimmigen Imitationen stellt sich bereits das erste Aha-Erlebnis ein. Durch den Neonlicht-nüchternen Saal der Ickinger Grundschule weht ein Hauch des Flairs von Venedig. Man muss dazu halt nur die Augen schließen. "Dieses Stück kann man nur gut singen mit viel Körperspannung", ruft Marino. Das wirkt, der Chor hat es drauf. Bis auf eine kleine Stelle, an der noch geschraubt wird. Die lässt der Chorleiter so oft singen, "bis ihr selbst das Gefühl habt, dass es stimmt". Schließlich fordert er den Chor auf, die übliche Ordnung des stimmlagenbezogenen Zusammensitzens aufzulösen und sich komplett zu durchmischen, was das Singen für den Einzelnen nicht einfacher macht. Aber die Klangfülle ist beeindruckend.

Wie gut der Chor Stimmungen vermitteln kann, zeigt sich auch bei Tschaikowskis Otče naš (Unser Vater) aus der Chrysostomos-Liturgie. Hier klingt die russische Seele durch und das nicht nur, weil es auf Russisch gesungen wird. Lateinisch dagegen erklingt Strawinskys Paternoster, das er ursprünglich nach kirchenslawischen Texten komponiert hatte. Entsprechend der liturgischen Überlieferung, die in der Ostkirche die Verwendung von Musikinstrumenten untersagt, beschränkt sich die Musik auf eine einfache Intonation der Worte. Diese durchaus ergreifende Schlichtheit der Harmonien findet sich auch im Paternoster von Franz Liszt. Der jüngste unter den für das Konzert ausgewählten Vaterunser-Komponisten ist Józef Świder (1930-2014) aus Polen. Das vier- bis achtstimmige Chorwerk mit Passagen des Sprechgesangs ist rhythmisch anspruchsvoll, fordert hohe Konzentration - und offenkundig viel Übungsarbeit.

Antonin Dvořáks Messe in D-Dur ins Programm und Chor-Repertoire aufzunehmen basiert auf einer Empfehlung aus dem Chor. Diese Messe, es ist Dvořáks einzige, wird nicht sehr häufig aufgeführt. Das ist schade, denn es handelt sich um wunderschönes Sakralwerk, in welchem sich die Schlichtheit des tief religiös verwurzelten Landvolkes in der unbeschwerten Atmosphäre der lieblichen böhmischen Landschaft wiederfindet. Begleitet wird das Vokal-Ensemble Icking vom Ventus Quintett aus Salzburg, das sich aus Musikern des Mozarteumorchesters Salzburg, der Camerata Salzburg sowie der Salzburger Kammerphilharmonie zusammensetzt und heute zu den gefragtesten Holzbläserquintette Österreichs zählt.

Nicht nur wegen der gelungenen Musikauswahl und ihrer ernsthaften und intensiven Einstudierung für das anstehende Konzert gibt es Grund zum Jubeln - der Chor feiert auch sein 30. Jubiläum. Seit seiner Gründung 1993 durch Philipp Amelung, inzwischen Universitätsmusikdirektor in Tübingen, blickt der Chor auf eine lange Serie sehr erfolgreicher Konzerte zurück. Auch das nächste wird daran anknüpfen können.

Sonntag, 12. Februar, 18 Uhr, Heilig-Kreuz-Kirche Icking.

www.vokal-ensemble-icking.de

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