Drogenkonsum im Oberland„Es ist definitiv ein höherer Aufwand“

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Bis zu drei Cannabispflanzen darf jeder nun legal zu Hause haben. Woher der Rest der Drogen stammt, ist schwer zu prüfen.
Bis zu drei Cannabispflanzen darf jeder nun legal zu Hause haben. Woher der Rest der Drogen stammt, ist schwer zu prüfen. (Foto: Christian Charisius/dpa)

Seit April 2024 ist das neue Cannabisgesetz in Kraft. Durch die Teil-Legalisierung ist zwar die Zahl der Delikte im Landkreis gesunken. Zur Bilanz nach einem Jahr gehört aber auch: Für die Polizei ist die Arbeit durch die neuerlichen Kontrollen gestiegen.

Von Benjamin Engel, Bad Tölz-Wolfratshausen

Der Entlastungseffekt, der für Justiz und Polizeibehörden mit dem neuen Cannabisgesetz (CanG) verbunden sein sollte, scheint ausgeblieben zu sein. Die Zahl der Delikte ist zwar stark gesunken, nchdem die damalige Ampelregierung aus SPD, Grünen und FDP den Konsum zum 1. April 2024 teilweise legalisiert hat. Doch die Arbeitsbelastung insbesondere der Polizeikräfte hat dies wohl kaum verringert, auch nicht in der Region.

Cannabis ist ja nach wie vor im Umlauf“, sagt Lisa Maier von der Pressestelle des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd, zu dessen Zuständigkeitsbereich der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen zählt. „Jetzt tun sich andere Ordnungswidrigkeiten auf.“ So müsse die Polizei etwa die Abstandsflächen zu Spielplätzen, Kindertagesstätten und Schulen nach Kiffern kontrollieren, da Cannabis nach geltender Rechtslage nur außerhalb deren Sichtweite konsumiert werden dürfe.

Die Polizei muss prüfen, ob Kiffer den vorgeschriebenen Abstand zu Kitas und Schulen einhalten

Den Befund des Polizeipräsidiums kann Emanuel Luferseder nur bestätigen. „Ich sehe definitiv keine Arbeitserleichterung“, sagt der Leiter der Geretsrieder Polizeiinspektion. „Es ist definitiv ein höherer Aufwand.“ Cannabiskonsum sei zwar aus dem Katalog der Straftaten im Betäubungsmittelgesetz herausgefallen. Dafür gebe es nun eine Vielzahl neuer Bestimmungen, welche die Polizei kontrollieren müsse. Das Verbot, Cannabis zu konsumieren, gelte etwa auch in Sichtweite von Jugendeinrichtungen oder öffentlich zugänglichen Sportstätten.

Die Neuregelung erlaubt es Erwachsenen allerdings, bis zu 25 Gramm Haschisch oder Marihuana unterwegs dabeizuhaben und bis zu 50 Gramm zu Hause zu besitzen. Im Eigenanbau darf jede volljährige Person bis zu drei Cannabispflanzen in den eigenen vier Wänden oder auf dem Grundstück haben.

Auf dem Schwarzmarkt Cannabis zu kaufen, damit zu handeln oder an Minderjährige weiterzugeben, ist allerdings weiterhin illegal. Selbst wenn ein Erwachsener also beim Besitz unter der erlaubten Höchstmenge bleibe, stelle sich für die Polizei immer die Frage, woher derjenige das Cannabis habe, so Luferseder. Nachzuweisen, dass es illegal erworben wurde, funktioniere aber nur mit aufwendigen polizeilichen Maßnahmen.

Kiffen ist nun erlaubt. Der Handel mit Haschisch und Marihuana aber bleibt weiterhin verboten.
Kiffen ist nun erlaubt. Der Handel mit Haschisch und Marihuana aber bleibt weiterhin verboten. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Das deckt sich mit den Angaben des bayerischen Innenministeriums. „Angesichts der hohen legalen Besitzmenge von Cannabis im öffentlichen Raum, die bisher meist den Anfangsverdacht eines Handelsdelikts begründete, sind seit der Freigabe von Cannabis zum Eigenkonsum weitere polizeiliche Maßnahmen notwendig, um ein strafbewehrtes Verhalten beweiskräftig belegen zu können“, erklärt dazu ein Behördensprecher.

In der Regel müssten die Polizisten „konkrete Austauschhandlungen“ im öffentlichen Raum beobachten. Dafür brauche es verdeckte polizeiliche Maßnahmen, etwa Observationen. Das sei aufwendig. Auch Konsumverbotszonen zu kontrollieren, fordere die Einsatzkräfte. „Die Aufwände für die Bayerische Polizei sind insgesamt gestiegen“, so das Innenministerium.

Auch im Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen hat die Teil-Legalisierung von Cannabis das Arbeitspensum der Mitarbeiter erhöht. Wie Sprecherin Marlis Peischer auf Nachfrage mitteilt, musste das Gewerbeamt bis Anfang April 2025 insgesamt elf Bußgeldverfahren bearbeiten: In sieben Verfahren sei es um den Konsum von Cannabis in Gegenwart von Minderjährigen beziehungsweise in der Fußgängerzone gegangen. Vier Verfahren habe es gegeben, weil die Pflanzen und das Cannabis nicht vor dem Zugriff Dritter, vor allem von Kindern, geschützt waren. Laut Peischer liegt der Bußgeldrahmen je nach Art des Verstoßes zwischen 500 und 1000 Euro. In der Führerscheinstelle gebe es indes nicht mehr Fälle wegen Cannabiskonsums als vor der Gesetzesänderung. „Aber die Fallbearbeitung erfordert mehr Aufwand, da jede Entscheidung anders gelagert ist und die Vorgaben im Gesetz mehr Ermittlungsarbeit erfordern“, so die Sprecherin der Kreisbehörde.

Die Cannabisdelikte in Bayern gingen im Jahr 2024 um 56 Prozent zurück

Positiv bemerkbar macht sich die Neuregelung in der Kriminalstatistik: Durch sie sind im Freistaat die Fälle von Rauschgiftkriminalität laut dem bayerischen Innenministerium um 39 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen.  Für 2024 verzeichnet die Polizei insgesamt 31 145 dieser Delikte. Im Zusammenhang mit Cannabis gab es 15 270 Fälle – sogar 56 Prozent weniger als im Jahr 2023.

Die Statistik des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd weist für das Jahr 2023 insgesamt 4454 Delikte nach dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) aus. Im Jahr 2024 waren es nur noch 2706 Fälle im Zuständigkeitsbereich, ein Rückgang um knapp 40 Prozent. Im Deliktfeld „Cannabis und Zubereitungen“ gingen die Zahlen von 2981 auf 1363 Fälle zurück, also auf weniger als die Hälfte. Allerdings schränkt Sprecherin Maier ein, dass sich die Erfassungsgrundlage für die Daten zu Cannabis geändert habe, die Statistik in dieser Hinsicht also schwer vergleichbar sei.

Emanuel Luferseder, der Leiter der Polizeiinspektion Geretsried, verweist auf den allgemeinen Anstieg von Drogenfahrten im Straßeverkehr.
Emanuel Luferseder, der Leiter der Polizeiinspektion Geretsried, verweist auf den allgemeinen Anstieg von Drogenfahrten im Straßeverkehr. (Foto: Hartmut Pöstges)

Am Wolfratshauser Amtsgericht hatte insbesondere die Jugendstrafrichterin deutlich mehr zu tun, als das Cannabisgesetz in Kraft trat. So galt es etwa, 105 Vollstreckungsverfahren zu überprüfen, weil die Neuregelung eine rückwirkende Amnestie für Vergehen nach sich zog. Inzwischen hat die Jugendstrafrichterin laut einer Sprecherin kaum noch Verfahren zu Betäubungsmitteln zu verhandeln. Im Erwachsenenstrafrecht gibt es allerdings keinen Rückgang bei den Verfahren am Amtsgericht Wolfratshausen.

Ebenso gestiegen ist die Zahl der Verkehrsunfälle unter Drogeneinfluss im Freistaat. Im Jahr 2024 waren es laut Innenministerium 4,7 Prozent mehr, 717 Unfälle insgesamt. Folgenlose Fahrten unter Drogeneinfluss wurden bayernweit sogar 27,4 Prozent mehr angezeigt als im Vorjahr. Laut einem Sprecher fehlen zwar noch valide Vergleichszahlen. Ein deutlicher Anstieg bei den folgenlosen Fahrten unter Cannabiseinfluss zeige sich jedoch schon. „Mit Sorge befürchten wir für 2025 auch einen Anstieg der Verkehrsunfälle in diesem Zusammenhang.“ Der Geretsrieder Polizei-Dienststellenleiter Luferseder gibt allerdings zu bedenken, dass etwa auch der Konsum anderer Betäubungsmittel wie Kokain kontinuierlich gestiegen sei.

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