Öffentlicher Nahverkehr als StandortfaktorAuf dem Weg

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Podiumsdiskussion zur Mobilität im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen mit (v.l.n.r.) Moderator Stefan Drexlmeier, Annette Hilpert (Referatsleiterin Stadt- und Regionalentwicklung), Landrat Josef Niedermaier, Heiko Büttner (Deutsche Bahn), Bernd Rosenbusch (Geschäftsführer MVV) und Michael Reinfelder (IHK-Regionalausschuss Bad Tölz-Wolfratshausen).
Podiumsdiskussion zur Mobilität im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen mit (v.l.n.r.) Moderator Stefan Drexlmeier, Annette Hilpert (Referatsleiterin Stadt- und Regionalentwicklung), Landrat Josef Niedermaier, Heiko Büttner (Deutsche Bahn), Bernd Rosenbusch (Geschäftsführer MVV) und Michael Reinfelder (IHK-Regionalausschuss Bad Tölz-Wolfratshausen). (Foto: Harry Wolfsbauer)

Bei einer Podiumsdiskussion des IHK-Regionalausschusses diskutieren Vertreter aus Wirtschaft, Kommunalpolitik und Experten im Bereich Mobilität über aktuelle Entwicklungen. Große Hoffnungen, dass es mit der S 7-Verlängerung schnell vorangeht, macht der Bahn-Bevollmächtigte indes nicht.

Von Petra Schneider, Bad Tölz-Wolfratshausen

Damit der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen ein prosperierender Wirtschaftsraum bleibt, brauchen Unternehmen Arbeitskräfte. Und diese brauchen zuverlässige Mobilitätsangebote, um auch ohne eigenen Pkw zu ihrem Arbeitsplatz zu kommen. Das ist aus Gründen des Klimaschutzes geboten und könnte für Unternehmen zu einem wichtigen Standortfaktor im Werben um Arbeitskräfte werden. Am Dienstag hat der IHK-Regionalausschuss zu einer Podiumsdiskussion eingeladen, um über den aktuellen Sachstand zu diskutieren. Denn der Ausschuss, der die Interessen von 11 000 Unternehmen im Landkreis vertritt, hat im vorigen Jahr ein Positionspapier mit konkreten Maßnahmen veröffentlicht, die sicherstellen sollen, dass Unternehmensstandorte für die mehr als 38 000 Beschäftigten mit einem zukunftsfähigen Mobilitätsangebot erreichbar sind.

Moderiert wurde der Abend von Stefan Drexlmeier von der Energiewende Oberland, gekommen sind Heiko Büttner, Konzernbevollmächtigter der Deutschen Bahn für Bayern, Landrat Josef Niedermaier, Michael Reinfelder vom IHK Regionalausschuss, Bernd Rosenbusch, Geschäftsführer beim MVV, und Annette Hilpert, Referatsleiterin IHK für München und Oberbayern.

Standortfaktor für die Gewinnung von Arbeitskräften

Dass ein zuverlässiges ÖPNV-Angebot ein wichtiger Standortfaktor für die Gewinnung von Arbeitskräften und Azubis ist, darüber herrschte Einigkeit. Denn nicht jeder könne sich ein eigenes Auto leisten, das zukünftig noch teurer werden dürfte: Die Mineralölsteuereinnahmen, die derzeit im Bundeshaushalt mehr als 60 Milliarden Euro ausmachten, würden künftig zurückgehen und durch die Einführung von Autobahn- oder Straßenmauten ausgeglichen, prophezeite Rosenbusch.

Bernd Rosenbusch ist Geschäftsführer beim MVV.
Bernd Rosenbusch ist Geschäftsführer beim MVV. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Ein zuverlässiges ÖPNV-Angebot sei wichtig, vor allem auch im ländlichen Raum, um die verfassungsmäßig verankerte „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ zu erreichen. Vieles spreche für den ÖPNV: So sei Autofahren, „tote Zeit“, während man in Bus oder Bahn arbeiten könne. „Reisezeit ist Nutzzeit“, sagte Rosenbusch. Gut sieben Prozent der Menschen im Landkreis hätten kein Auto, sagte Reinfelder, in München sogar 40 Prozent. Deshalb seien Angebote wie das Deutschlandticket, das künftig 58 Euro kosten wird, wichtig und könnten als Bonus beim Werben um Arbeitskräfte eingesetzt werden.

Viele Einwendungen gegen die S7-Verlängerung

Große Hoffnungen, dass es mit der S 7-Verlängerung schnell vorangeht, machte Bahn-Bevollmächtigter Büttner nicht. Zwar seien die Planfeststellungsunterlagen fertig, aber der Freistaat müsse erst die Genehmigung erteilen. Im Rahmen der ersten Auslegung habe es bereits etwa 1500 Einwendungen gegeben, die zuvor bearbeitet werden müssten.

Heiko Büttner ist der Konzernbevollmächtigte der Deutschen Bahn für Bayern.
Heiko Büttner ist der Konzernbevollmächtigte der Deutschen Bahn für Bayern. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Das „A und O“ für Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Kapazitäten sei die Infrastruktur, für die eine verlässliche Finanzierung nötig sei. Das sei auch eine Frage der Priorisierung, sagte Rosenbusch. So würden für die Tunnel in Garmisch-Partenkirchen Hunderte Millionen Euro ausgegeben. „Da hätte man mal etwas mehr in die Bahn stecken können“. Die Elektrifizierung der Oberlandbahn sei ein wichtiges Vorhaben, ebenso der zweigleisige Ausbau der Werdenfelsbahn. „Jedes sichere System weltweit fährt zweigleisig“, sagte Büttner.

Verdruss wegen der Sanierung der Kochelseebahn

Die „scheibchenweise Sanierung“ der Kochelseebahn habe zu viel Verdruss geführt, räumte er ein. Grund seien die rund 200 Geldtöpfe, für die „mit analogen Formularen“ Bundesmittel für die unterschiedlichen Sanierungsabschnitte beantragt werden mussten.

Was die Finanzierung von ÖPNV-Angeboten anbelangt, ringt auch der Kreistag regelmäßig um eine Einigung. Die Landkreise seien Träger des ÖPNV. 60 Prozent der Kosten für die Buslinien bezahlen die Nutzer, der Rest der Landkreis, sprich, die Steuerzahler. Was die Einnahmen betreffe, bewege man sich „im Blindflug“, sagte Niedermaier. Man wolle die Forderungen der Wirtschaft erfüllen, aber das sei politisch schwer durchzusetzen, zumal der ÖPNV eine freiwillige Aufgabe sei. Insgesamt sei der Landkreis aber nicht schlecht angebunden, in den vergangenen zehn Jahren sei viel passiert, betonte Rosenbusch. Als Beispiel nannte er den Alpenbus, der im Stundentakt zwischen Weilheim und Rosenheim pendelt, sowie die Expresslinie Bad Tölz–Starnberg, die laut Niedermaier „viel schneller angenommen worden ist als gedacht“. Auch die Flexbusse, die auf Anfrage von festgelegten Haltepunkten zum MVV-Tarif fahren und „weiße Flecken“ abdecken, etwa in Dietramszell und Bad Heilbrunn, seien wichtig.

„Digital sind wir ziemlich weit vorn.“

Mit dem Beitritt zum MVV habe sich der ÖPNV zu 100 Prozent geändert, sagte Rosenbusch. Durch die einheitlichen Tarife und die MVV-App sei der Einstieg in den ÖPNV niederschwelliger geworden und durch das neue MVV-Swipe-System noch einmal einfacher: Seit Montag können Kunden per App mit einem Wisch (swipe) Ein- und Auschecken. Nach der Fahrt wird automatisch der günstigste Tarif berechnet, auch Umstiege erkennt das System. „Digital sind wir ziemlich weit vorn“, sagte der MVV-Geschäftsführer, auch das Flex-System, das ideal für große Flächengemeinden sei, funktioniere einwandfrei. Wasserstoffbetriebene Busse halte er indes für wenig realistisch, weil zu teuer.

Ein Thema, „wovon wir träumen“, sei das autonome Fahren. Denn das Teuerste beim Bus sei der Fahrer, „und davon haben wir zu wenige.“ Ab dem Jahr 2030 könnten erste autonome Busse unterwegs sein, sagte Rosenbuch, zuallererst im ländlichen Raum.

Annette Hilpert ist Referatsleiterin der IHK für München und Oberbayern. Links: Moderator Stefan Drexlmeier.
Annette Hilpert ist Referatsleiterin der IHK für München und Oberbayern. Links: Moderator Stefan Drexlmeier. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Trotz aller Verbesserungen beim ÖPNV sei seit Corona allerdings eine „Rückverlagerung zum eigenen Pkw zu beobachten“, wie IHK-Referatsleiterin Hilpert erklärte. Die Anbindung vom Bahnhof zum Arbeitsplatz könnte mit Sharing-Angeboten oder Mitfahrplattformen von den Unternehmen selbst organisiert werden. „Mobilität sollte zum Standortvorteil für den Landkreis werden“.

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