Bundesweites Beispiel:Kostenfreier Citybus für Geretsried

Neubiberg, Hauptstraße/ Ecke Barbarossastraße, Verkehrssituation

Gratis soll ein Stadtbus die Geretsrieder ab Januar 2019 zwischen Steiner Ring und Lilienstraße befördern.

(Foto: Angelika Bardehle)

Der Stadtrat will die Linie 310 in einer zweijährigen Probephase zum Nulltarif anbieten. Die Bedingungen werden nun geprüft.

Von Felicitas Amler

Als eine der ganz wenigen Kommunen in Deutschland will Geretsried seinen Stadtbus gratis anbieten. Wer mit der Linie 310 zwischen Steiner Ring und Lilienstraße fährt, soll von 1. Januar 2019 an nichts bezahlen; die Stadt würde dies im Jahr 30000Euro kosten. Der Nulltarif soll den Autoverkehr reduzieren und damit auch zum Klimaschutz beitragen. Ob und zu welchen Konditionen ein auf zwei Jahre befristeter Probebetrieb möglich ist, soll die Stadtverwaltung klären. Dies hat der Stadtrat am Dienstag nach lebhafter Diskussion bei vier Gegenstimmen aus CSU und FDP beschlossen.

Die Idee geht auf das monatliche "Stadtgespräch" der SPD zurück. Dort hatte Anfang Juni der frühere FDP-Stadtrat Ernst Walko offene Türen eingerannt, als er den Stadtbus zum Nulltarif forderte. SPD-Vorsitzender Wolfgang Werner hatte angekündigt, er werde noch vor der Sommerpause einen Antrag im Stadtrat einbringen. Dem war Bürgermeister Michael Müller (CSU) zuvorgekommen, indem er das Thema "Stadtbus und integriertes Verkehrskonzept" ohne nähere Beschreibung auf die Tagesordnung gesetzt hatte. Die SPD war davon überrascht und reichte buchstäblich über Nacht ihren nicht detailliert ausgeführten Antrag dazu ein. In diesem forderte sie den Nulltarif nicht nur für den Stadtbus, sondern auch für die innerstädtischen Abschnitte aller Busse aus und durch Geretsried. Außerdem wünscht sie sich dringend die Ausweitung des Fahrplans auf Sonn- und Feiertage. Hintergrundmaterial lag dem Antrag nicht bei, und unter "Begründung" hieß es: "Erfolgt mündlich in der Sitzung des Stadtrats."

Bevor aber die SPD ihren Antrag auch nur vortragen konnte, legte der Bürgermeister ein - ebenfalls kurzfristig erarbeitetes - Für und Wider zum Nulltarif vor. Müller zitierte, wie später Robert Lug (Freie Wähler) bemerkte, teils wörtlich aus einem wissenschaftlichen Internet-Blog. Er lehnte die Gratisbeförderung nicht grundsätzlich ab, verlangte aber eine differenzierte Beurteilung: "Die Idee an sich ist ja gut, aber wir müssen Rückkopplungseffekte auf das Gesamtsystem beachten." So könnten steigende Fahrgastzahlen dazu führen, dass mehr Busse fahren müssten und damit die Kosten anstiegen. Dass das Angebot die Stadt lediglich 30<ET>000</ET>Euro pro Jahr koste, sei "eine eindimensionale Betrachtungsweise". In jenen drei Städten, die nach seiner Recherche bisher einen Nulltarif ausprobiert hätten - Templin und Lübben in Brandenburg, Hasselt in Belgien - sei er offenbar gescheitert; man müsse dies klären. Müller setzte sich für eine Überprüfung des Nulltarifs im Rahmen eines verkehrspolitischen Gesamtkonzepts und eine Zwei-Jahres-Befristung ein.

SPD-Sprecher Wolfgang Werner zeigte sich verärgert: "Ihre epische Begründung trieft vor Vorbehalten und Bedenken", antwortete er und sprach davon, dass der Bürgermeister "den Showdown" mit der SPD suche. Seiner Fraktion sei nichts anderes übrig geblieben, als den Antrag einzureichen, den sie eigentlich noch ausarbeiten und mit dem Jugendrat habe abstimmen wollen. Werner bekannte sich zu den "Maximalforderungen" und sagte, die SPD übernehme hier "eine Vorreiterrolle". Der Nulltarif sei zeitgemäß, reduziere Kohlendioxid-Emissionen und schaffe Arbeitsplätze.

Einwände gegen die SPD-Forderungen kamen von den CSU-Sprechern Gerhard Meinl ("Da ist noch vieles offen und unklar"), Ewald Kailberth ("Ich möchte schon die Auswirkungen wissen"), Wolfgang Möckel ("Es gibt nur zwei, die es ausprobiert haben, und da läuft's nicht") und Sabine Gus-Mayer ("Wir können nicht ins kalte Wasser springen").

FW-Fraktionschef Robert Lug aber hielt ein leidenschaftliches Plädoyer für den Gratis-Stadtbus und warnte davor, erst einmal alle Eventualitäten prüfen zu wollen: "Wenn wir so vorgehen, werden wir nie zu Potte kommen, weil es diese Daten nicht gibt und sie auch nicht zu ermitteln sind." Ein Probebetrieb über zwei Jahre koste die Stadt lediglich 60<ET>000</ET>Euro, sagte Lug, verhelfe ihr aber zu realistischen Zahlen. "Da habe ich schon teurere und schlechtere Entscheidungen getroffen." Danach könne man neu entscheiden. Müllers Einwände sprächen gerade für den Nulltarif in Geretsried: Er sei nur sinnvoll in kleinen und mittleren Städten und nur bei bisher geringer Auslastung der Busse, hatte der Bürgermeister erklärt. Genau das treffe ja auf Geretsried zu, sagte Lug und appellierte eindringlich an seine Kollegen: "Lasst es uns ausprobieren."

Die SPD zeigte sich schließlich bereit, auf die "Maximalforderungen" zu verzichten, ihren Antrag zurückzuziehen und dem Vorschlag zuzustimmen, einen unentgeltlichen Stadtbus für zwei Jahre von 2019 an prüfen zu lassen. Dagegen stimmten Wolfgang Möckel, Christos Saridis und Volker Reeh (alle CSU) sowie Günther Fuhrmann (FDP).

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