Bundestagswahl in Tölz-Wolfratshausen:Unbeirrbarer Linker

Bundestagswahl in Tölz-Wolfratshausen: „Wem gehört die Stadt“: Mit dieser antikapitalistischen Monopoly-Variante war Erich Utz schon vor der Loisachhalle in Wolfratshausen, auf dem Karl-Lederer-Platz in Geretsried und in Bad Tölz.

„Wem gehört die Stadt“: Mit dieser antikapitalistischen Monopoly-Variante war Erich Utz schon vor der Loisachhalle in Wolfratshausen, auf dem Karl-Lederer-Platz in Geretsried und in Bad Tölz.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Erich Utz ist als Direktkandidat chancenlos, aber er hat auch gesellschaftspolitisch viele Betätigungsfelder. Seine Kernthemen sind soziale Gerechtigkeit und Friedenspolitik.

Von Felicitas Amler

Noch sitzt er hier im Büro des Bundestagskandidaten der Linken für den Wahlkreis Bad Tölz-Wolfratshausen/Miesbach am Kirchplatz 14 in Geretsried. Nach der Wahl am 26. September wird dies nicht mehr sein Platz sein. Denn ganz egal, auf wie viel Prozent es die Linke bringt: Erich Utz wird nicht im nächsten Deutschen Bundestag sitzen. Der Direktkandidat hat keinen Platz auf der bayerischen Liste. Und nur über die hat es seinerzeit Andreas Wagner nach Berlin geschafft - jener Abgeordnete der Linken aus Geretsried, dessen Wahlkreisbüroleiter Utz ist.

Keine Aussicht auf ein Mandat - das ist für den 62-jährigen Juristen und Immobilienfachwirt nichts Neues. Denn beim vorigen Mal, zur Bundestagswahl 2017, kandidierte Utz im Wahlkreis Altötting-Mühldorf direkt - auch nicht gerade ein rotes Terrain. Chancenlos, aber engagiert und gut gelaunt, diese Haltung erklärt Utz einfach so: "Ich mache das für die Partei." Denn deren Grundhaltungen sind die seinen. Man kann das in Kurzform auf seiner Visitenkarte nachlesen: "Gerechte Verteilung von Ressourcen und Finanzen, nachhaltige Umweltpolitik, solidarische und internationale Friedensarbeit."

Man kann ihn aber auch selbst dazu hören. Denn Utz ist einer der wenigen Direktkandidaten dieses Wahlkreises, die sich hier oft und gern sehen lassen. An Info-Tischen, in Diskussionsrunden, bei eigenen Veranstaltungen im öffentlichen Raum. So kam er mit seinem individuell gestalteten und daher eher antikapitalistischen, großflächigen "Monopoly" auf den Karl-Lederer-Platz in Geretsried und auf den Platz vor der Loisachhalle in Wolfratshausen. "Wem gehört die Stadt?" lautet die Frage dieses Spiels. Da ist etwa die Klinik eingezeichnet, für deren Verbleib in kommunaler Trägerschaft sich Utz einsetzt.

Das seien seine Kernthemen, sagt Utz: Arbeits- und Sozialrecht, Mitbestimmung, Kündigungsschutz. Schon früh habe er sich gewerkschaftlich engagiert; die erste Studentengruppe der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) mitgegründet; später als Jurist einige Jobs in Gewerkschaften ausgeübt und arbeitsrechtliche Projekte begleitet. Momentan gehe die Schere zwischen Arm und Reich schon sehr weit auseinander, sagt Utz und macht sich für eine Umverteilung von oben nach unten stark. Mietendeckelung hält er auch im Wahlkreis für ein wichtiges Thema. Genauso nötig sei es hier aber, die Mobilität voranzubringen. "Der öffentliche Nahverkehr muss sehr viel besser ausgebaut werden." Er sei für die S 7-Verlängerung bis Geretsried, halte den Ausbau des Busverkehrs für unabdingbar, vor allem Querverbindungen, wie sie mit einem "Alpenbus" möglich würden. Er spricht von diesem Erfordernis aus persönlicher Erfahrung. Denn für ihn als Münchner sei es leicht, vom Harras aus überall hinzukommen. Sobald er aber vom Wahlkreisbüro in Geretsried nach Miesbach fahren möchte, finde er keine Verbindung. Die Politik dürfe keinesfalls nur auf Elektro-Mobilität im Individualverkehr setzen, so Utz. "In erster Linie muss der öffentliche Verkehr so attraktiv sein, dass die Leute nicht unbedingt ein Auto brauchen", sagt er und schränkt noch ein: "Oder wenigstens nur eines."

Das klingt nach Kompromissbereitschaft. Und die zeigt Utz auch in einem anderen, für ihn essenziellen Punkt: der Friedenspolitik. Die pazifistische Grundhaltung der Linken sei inzwischen ein Alleinstellungsmerkmal, betont er. "Aber auch wenn wir an der Bundesregierung beteiligt wären, würde die Nato nicht am 27. September abgeschafft." Ein Kompromiss wäre es seiner Ansicht nach, wenn neue Auslandseinsätze der Bundeswehr ausgeschlossen würden. "Die Bundeswehr sollte sich darauf konzentrieren, was im Grundgesetz steht: die Verteidigung."

An Info-Ständen werde er zuverlässig auf ein Thema angesprochen, sagt Utz: auf die parteiinternen Konflikte, aufgehängt am neuesten Buch "Die Selbstgerechten" von Sahra Wagenknecht. Der Kandidat sagt, er halte sehr viel von Wagenknecht, und betont: "Konflikte gibt's in jeder Partei." Er teilt die Grundthese, dass sich die Linke stärker "auf die wirklichen Probleme der Menschen" konzentrieren müsse, räumt aber ein, Wagenknecht "haut schon ziemlich drauf". Die meisten, die ihn am Info-Stand ansprächen, stünden dennoch auf ihrer Seite.

Für das, was er als die wirklichen Probleme der Menschen ansieht, setzt Utz sich politisch im Münchner Bezirksausschuss Sendling-Westpark ein und als bekennender Christ im Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (KDA) der Evangelisch-Lutherischen Kirche in München. Dort leitet er einen offenen Zeitarbeitstreff, in dem sich Menschen aus der Leiharbeitswelt informieren und austauschen können. Grundsätzlich unterstützt Utz - so ist auf der Internet-Plattform "Abgeordnetenwatch" nachzulesen - auch das bedingungslose Grundeinkommen.

Privat geht er einem Hobby nach, das eigentlich sein erster erlernter Beruf ist. Denn Utz ist ausgebildeter Tanzlehrer. Heute sind es aber nicht mehr Walzer, Slowfox oder Cha-Cha-Cha, die ihn auf die Tanzfläche locken. Er unterrichtet inzwischen bayerische Volkstänze - weil da einfach jeder mitmachen könne und "das Klima weniger steif ist".

Auch ohne Mandat in Berlin bleiben dem Linken also genügend persönliche und gesellschaftspolitische Einsatzfelder. Sein derzeitiger Chef Andreas Wagner, der auf eine neuerliche Kandidatur mit Rücksicht auf seine Gesundheit verzichtet hat, orientiert sich ebenfalls wieder mehr auf sein direktes Umfeld. Seine Konsequenz aus vier Jahren Bundestag klingt wie ein Vorab-Trost für Erich Utz: "Mandat ist nicht alles."

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