Wenn am Sonntag, 23. Februar, Wählerinnen und Wähler aufgerufen sind, ihre Kreuze zu machen, hat jeder zwei Stimmen: Mit der Erststimme wird der oder die Wahlkreisabgeordnete per Direktwahl jeweils aus 299 Wahlkreisen, in die Deutschland eingeteilt ist, bestimmt. So soll jede Region im Bundestag vertreten sein. Mit der Zweitstimme wird die Landesliste einer Partei gewählt. Sie entscheidet darüber, wie viele der insgesamt 630 Sitze im Deutschen Bundestag einer Partei zustehen - nach der Wahlrechtsreform 2023 wurde die Anzahl der Abgeordneten auf diese Zahl festgelegt. Im Wahlkreis Bad Tölz-Wolfratshausen/Miesbach, der die Nummer 222 trägt, bewerben sich auch vier Kandidaten kleinerer Parteien. Eine Übersicht über ihre Ziele:
BAYERNPARTEI: Marinus Thurnhuber, Landwirt, Waakirchen

Eigentlich hat die Bayernpartei mit Berlin so gar nichts am Hut. Wer demnach zur Bundestagswahl antritt, kandidiert für ein Parlament, das aus seiner/ihrer Sicht für den Freistaat nicht zuständig sein sollte. Die Unabhängigkeit Bayerns von der Bundesrepublik steht noch immer im Programm der Partei, daran möchte Marinus Thurnhuber nicht rütteln. Der Landwirt aus Warngau hat sich allerdings politische Ziele gesetzt, die nun mal in Berlin entschieden werden.
Wofür er eintrete, hat Thurnhuber bei einer Veranstaltung im Tölzer Jugendzentrum versucht zu erklären. An erster Stelle steht für ihn die Abschaffung der Erbschaftssteuer. Denn diese Abgabe ist aus seiner Sicht höchst „ungerecht“, da es sich um eine „doppelte Besteuerung“ handle. Auch die Asylpolitik müsse sich ändern, so der 65-Jährige. Das Grundgesetz gebe vor, wie mit Geflüchteten umzugehen sei. Bürokratieabbau ist ebenfalls ein Thema, das den Kommunalpolitiker aus dem Landkreis Miesbach umtreibt.
Das Wahlalter auf 16 Jahre bei Bundestags- und Kommunalwahlen zu senken - analog zur Europawahl -, lehnt er ab. Denn zur Urne zu gehen, bedeute Verantwortung zu übernehmen. Dies traut Thurnhuber erst jungen Menschen zu, die die Volljährigkeit erreicht haben.
ÖDP: Manuel Tessun, Geschäftsführer und Dozent, Egling

Ehrliche Politik - dafür stehe die ÖDP, sagt Manuel Tessun. Weshalb die Ökologisch-Demokratische Partei seine politische Heimat sei. Keine einzige Spende von Firmen habe sie je angenommen. Diese „Lobbyfreiheit“ habe den Nachteil, dass die ÖDP über wenig Geld für ihre Arbeit verfüge. Aber „ehrliche Politik“ fange nun mal bei einem selbst an.
Tessun ist Diplom-Betriebswirt. Der 47-Jährige arbeitet als Immobilienmakler, Geschäftsführer und Dozent. Das hört sich zunächst nicht nach einem Mann an, der Kapitalismus und Profitgier anprangert. Lieber spricht Tessun, der mit seiner Familie in Egling lebt, von Gemeinwohlökonomie. Sie sei das Wirtschaftssystem der Zukunft, betont er, nachhaltig, gerecht und ethisch. Es gehe darum, die Umwelt einerseits zu schützen, andererseits Arbeitsplätze zu schaffen. Der Eglinger, aufgewachsen in München, studierte in Frankfurt an einer Privatuniversität internationale und nationale Kreditgeschäfte und Portfoliomanagement. Elf Jahre war er in der Finanzbranche tätig.
Nach einer Zeit der beruflichen und privaten Umorientierung beschloss Tessun, sich politisch zu engagieren. Die ÖDP habe das beste Programm in Deutschland, sagt er. Tessun trat 2019 der Partei bei, führte 2020 die Gruppierung als Listenerster in die Kreistagswahl, ist Vorsitzender, sitzt im Kreistag Bad Tölz-Wolfratshausen, kandidierte für den Landtag und nun für den Bundestag. Nicht nur für Nachhaltigkeit in allen Bereichen möchte sich der 47-Jährige einsetzen. Er sei außerdem Pazifist und lehne daher Waffenlieferungen strikt ab. Den Frieden zu bewahren, müsse oberstes Ziel sein.
Die Linke: Erich Utz, Coach, München

Soziale Gerechtigkeit hat oberste Priorität bei Erich Utz. Der Direktkandidat der Partei Die Linke möchte eine Umverteilung des Vermögens erreichen. Etwa durch eine Reform der Steuergesetze. Reiche sollen verstärkt zur Kasse gebeten werden. Dass Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Abstammung, ihrer Ansichten oder Religionszugehörigkeit diskriminiert werden, verurteilt der 65-Jährige und setzt sich für „Diversität“, wie er es nennt, ein.
Utz ist Jurist und Immobilienfachwirt. Der 65-jährige Münchner arbeitet als Coach und Mediator. Seit 2008 ist er Mitglied der Linken. Er ist unter anderem Sprecher der Christen und Christinnen in der Partei. Als Kommunalpolitiker ist er seit 2020 aktiv. Er hat im Wahlkreisbüro des früheren Bundestagsabgeordneten Andreas Wagner in Geretsried gearbeitet. Als Coach wisse er, dass Armut in Deutschland vererbt werde. Daher sein Engagement für mehr Chancengleichheit. Das umfasst etwa die Krankenversorgung: „Eine Zwei-Klassen-Medizin, wie es sie gibt, darf nicht sein“, erklärt er. „Grundbedürfnisse“ wie Wohnen, Strom, Wasser aber auch ÖPNV sollten im Idealfall kostenlos sein, zumindest für alle bezahlbar. Vor allem der öffentliche Personennahverkehr sei ein drängendes Thema im Wahlkreis 222 und der Region. Utz möchte Querverbindungen von Weilheim nach Miesbach schaffen. Bahnstrecken müssten zweigleisig ausgebaut werden.
Volt: Gerald Nowitzky, Unternehmer, München

Seine Kindheit und Jugend hat er in Wolfratshausen und München verbracht. Deshalb kenne er das Oberland gut, sagt Gerald Nowitzky. Neben Klimaschutz und Energiewende steht für ihn ein starkes Europa an erster Stelle.
Er habe aus seinem Hobby seinen Beruf gemacht und Software entwickelt. Inzwischen ist der 57-jährige Geschäftsführer der ING GmbH, ein Rechenzentrum in Giesing. „Wir haben schon beim Bau auf eine klimaneutrale Energienutzung geachtet. So kühlen wir mit Brunnenwasser und brauchen daher keine energiefressenden Kühlgeräte“, berichtet Nowitzky. Gerade Projekte zur Kühlung mit Grundwasser würden oftmals an der Bürokratie scheitern. Dies zu ändern, dafür trete er ein. Die Energiewende sei zu schaffen durch mehr Anreize und Förderungen anstelle von Verboten. In Bayern sollten mehr Solarparks entstehen, der Windkraft, wo sie sinnvoll sei, nicht derart viele Steine in den Weg gelegt werden.
Als Unternehmer möchte der Münchner die Zusammenarbeit in der EU verbessern. Natürlich müsse es Spielregeln geben, doch auch auf Europaebene müssten bürokratische Hürden abgebaut werden. Das Vetorecht im Europarat hält Nowitzky nicht für sinnvoll. Der Warenaustausch sollte vereinfacht werden. Europa müsse in derselben Liga wie die USA oder der asiatische Raum spielen. „Auf Augenhöhe.“
Den Rechtsruck in Deutschland verurteilt der 57-Jährige. „Wir müssen unsere Demokratie stärken“.