Süddeutsche Zeitung

Mobilität in Bad Tölz:Bund Naturschutz fordert Stopp der Nordumfahrung

In einem Brief an den Bundesverkehrsminister bezeichnet der Kreisverband das Projekt bei Tölz als nicht mehr zeitgemäß und verlangt klimafreundlichere Alternativen.

Von Claudia Koestler

In einem offenen Brief an Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer fordern der Kreisverband des Bund Naturschutz (BN) und die Betreiber einer Tölzer Schrebergartenanlage den sofortigen Stopp der Nordumfahrung Bad Tölz. Diese sei angesichts eines eskalierenden Klimawandels nicht mehr zeitgemäß. Stattdessen solle ein Probelauf mit Kreisverkehren und einer dritten Fahrspur durchgeführt werden. Obendrein müsse eine erneute artenschutzrechtliche Überprüfung stattfinden, fordern sie. Denn in der Schrebergartenanlage, die zugunsten der Umfahrung zurückgebaut werden muss, lebten geschützte Arten wie Kreuzottern und Zauneidechsen, die bislang weder erfasst noch evakuiert worden seien.

Vor etwas mehr als einem Monat hatte Scheuer gemeinsam mit Vertretern aus Politik und Behörden in Bad Tölz den symbolischen Spatenstich für die Nordspange ausgeführt. Doch angesichts der Klimaerwärmung und spätestens seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz "wäre es dringend geboten, die Attribute Tatkraft und Entschlossenheit nur mit einem wirklich zukunftsweisenden und verantwortungsvollen Handeln zu verbinden", schreiben Friedl Krönauer als Vorsitzender der BN-Kreisgruppe und Marc Pultke für die Betreiber der Schrebergartenanlage. Wissenschaftliche Erkenntnisse zur Klimaerwärmung, zur Biodiversität und nicht zuletzt zum Flächenverbrauch verlangten nach einem sofortigen und weltumspannenden Umdenken in allen Bereichen, "in besonderem Maße gilt dies für die Mobilität". Das "ungebremste weitere Wegbetonieren von Natur und Landschaft verstößt gegen das Grundgesetz sowie die Freiheitsrechte unserer Kinder und Enkel und schränkt deren Entwicklungsmöglichkeiten in der Zukunft in unverantwortlicher Art und Weise ein."

Die Verkehrsstaus in Bad Tölz sind aus ihrer Sicht nicht dauerhaft, sondern zeitlich begrenzt auf den Berufsverkehr und den Ausflugsverkehr, insbesondere an Wochenenden und bei schönem Wetter. Diese Staus ließen sich mit intelligenten, jedoch relativ einfachen und probaten Maßnahmen beheben, argumentieren sie: nämlich mit Kreisverkehren an dem bestehenden Straßenabschnitt der B472 durch die Tölzer Flintkaserne und gleichzeitigem, raschem Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Dies trüge auch zu einem besseren Lärmschutz bei. Die eingesparten Millionen könnten dann in die Anbindung der Alpenregionen des ÖPNV an den MVV gesteckt werden. Um den Verkehrsinfarkt in den Alpenregionen zu stoppen, könnten beispielsweise Schnellbusse gezielt in die Regionen fahren, die mit der Bahn nicht erreicht werden.

"Wir befinden uns am Beginn einer dringend notwendigen Mobilitätswende, nur durch ein entschiedenes Handeln im Sinne des Klima-, Arten- und Flächenschutzes könnten Sie hier ein Zeichen setzen und dem Vorwurf einer anachronistischen Verkehrspolitik in Bund und Land entgegentreten", schließen Krönauer und Pultke ihr Schreiben.

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SZ vom 25.09.2021/aip
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