Das hätte ein langer Abend werden können. Bei einem Festmahl für Honoratioren in der griechischen Antike, an dem auch der Philosoph Sokrates teilnahm, habe jeder rechtsherum eine Rede halten müssen, sagte Bürgermeister Michael Müller beim Fischessen der Geretsrieder CSU am Aschermittwoch. Hätte nach dem Rathauschef jeder der etwa 40 Zuhörer im Gasthof Isarwinkel ebenfalls eine Viertelstunde gesprochen, wären alle wohl erst am nächsten Morgen nach Hause gekommen. Da Müller dies in seiner feinsinnigen Ansprache jedoch nur als Beispiel nahm, dass Essen und politische Rede schon immer verknüpft waren, folgte ihm bloß ein Redner: Bernhard Simon, Chef der Simon Haus und Holzbau GmbH aus Lenggries, Kreisrat und Vorsitzender der Mittelstandsunion im Landkreis. Sein Thema: „Was braucht die Wirtschaft im Landkreis - Erwartungen und Wünsche an die neue Bundesregierung“.
Vor 35 Jahren hatte Simon mit einem einfachen Zimmerei-Betrieb angefangen, inzwischen beschäftigt er 45 Mitarbeitende in seiner Holzhausbaufirma. Anfangs errichtete er drei bis vier Häuser im Jahr, mittlerweile sind es 20 bis 25. Auf umweltverträgliches Material wie etwa Holzfasern zur Dämmung habe er seit eh und je Wert gelegt, sagte der 60-Jährige. Der Gedanke der Ökologie und Nachhaltigkeit sei bei ihm „immer schon da“ gewesen.

Von einer großen Wirtschaftskrise mochte Simon nicht sprechen, schwierig sind die Zeiten aber auch für ihn. Die klassische junge Familie, die ein Einfamilien- oder Doppelhaus baue, sei „weggebrochen“, berichtete er. Deshalb habe sich seine Firma breiter aufstellen müssen. Seit zwei Jahren übernehme sie immer häufiger die Aufstockung bestehender Häuser. Das Dach werde abgenommen, ein, zwei Stockwerke draufgesetzt.
„Die Dokumentation ist ein Riesenthema“, sagt der Vorsitzende der Mittelstandsunion im Landkreis
Das Problem in der Branche: Die Bürokratie hat erheblich zugenommen. „Die Dokumentation ist ein Riesenthema“, sagte der Firmenchef. Jeder seiner Angestellten habe eine App auf seinem Handy, wo er seine Arbeitsstunden eingebe, auf welcher Baustelle er sei, was er dort für Tätigkeiten ausführe. Aber all dies müsse aber auch noch schriftlich festgehalten werden, für die Arbeitsagentur, für die Krankenkassen. Bei einer Umschulung benötige man Dokumentationen für die Berufsgenossenschaft. Jeder Vertrag mit einem Kunden, der früher ein, zwei Seiten umfasste, sei jetzt „so eine Schwarte“, so Simon. Und auch Digitalisierung und Datenschutz führten zu mehr Büroarbeit.
Hinzu kommen geänderte Vorschriften. Im Brandschutz, im Schallschutz, in der Statik. Oder auch im Baurecht. Gerade wurde das Abstandsflächenrecht umfassend geändert, worauf die Gemeinde Lenggries laut Simon drei verschiedene Satzungen erlassen habe. Außerdem: „Es ist schwierig, wenn jede Gemeinde andere Vorschriften macht.“ Zum 1. Oktober steht eine Novellierung auch bei den Stellplätzen an. Der Firmenchef befürchtet, „dass das in jeder Gemeinde wieder anders gemacht wird“. Was Bürokratiemonster betrifft, fasst sich Simon allerdings auch an die eigene Nase. In dem Bestreben, hohe Qualitäts-Standards zu erreichen, habe man sie ja selbst geschaffen, meint er. „Da braucht man nicht über den Staat zu schimpfen, wenn man selber dabei ist.“
„Dass junge Leute nichts machen wollen, stimmt nicht. Es gibt viele, die fleißig sind“
Von der Bundesregierung wünscht sich Simon vor allem, dass sich junge Leute wieder etwas leisten können. Seit der Corona-Pandemie seien die Preise um rund 20 Prozent gestiegen, zugleich sei es zum Beispiel nicht möglich, dass sich ein Familienvater in seinem Holzbau-Unternehmen samstags auf Minijob-Basis etwas dazuverdient - „das geht in der eigenen Firma nicht“. Arbeit müsse sich wieder lohnen, fordert der Vorsitzende der Mittelstandsunion. „Dass junge Leute nichts machen wollen, stimmt nicht. Es gibt viele, die fleißig sind und Geld verdienen möchten, aber das ist fast nicht mehr möglich.“
Ansonsten sieht Simon die Unternehmen selbst gefordert. Die Politik müsse die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft schaffen, sagte er. „Aber ich muss nicht auf die Regierung warten, ich muss mir selber Gedanken machen, was ich ändern, was ich verbessern kann.“ Wenn man den Fernseher einschalte, höre man ja nur noch Negatives, sagte der Firmenchef. Nötig sei, dass im Land wieder eine positive Stimmung entstehe.