Süddeutsche Zeitung

Bürgermeister berichtet:Tölzer Politik in acht Etappen

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Etwa 70 Zuhörerinnen und Zuhörer sind zur Bürgerversammlung ins Bergwachtzentrum gekommen. Bürgermeister Ingo Mehner stellte sich ihren Fragen.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

In der großen Halle mit den Hubschraubern an der Decke rauschte es gehörig. Die Lüftung lief, draußen fuhr der Wind durch die Baumwipfel, an die riesigen Fensterfronten prasselte der Regen. Die Tölzer Bürgerversammlung fand am Donnerstagabend in ungewohntem Ambiente statt: Das Bergwachtzentrum bildetete die Kulisse für die erste Zusammenkunft dieser Art, seit Ingo Mehner (CSU) zum Bürgermeister gewählt wurde. 2020 fiel sie coronabedingt aus, heuer konnte sie abgehalten werden, weil die Halle auf der Flinthöhe "wie ein Außenraum wirkt", so Birte Otterbach, Pressesprecherin der Stadt. "Wir sind glücklich, dass wir überhaupt wieder die Möglichkeit zu einer Bürgerversammlung haben", sagte Mehner vor etwa 70 Zuhörern.

In acht Etappen nahm er das Publikum mit auf eine Tour durch die Stadtpolitik: Lettenholz und Flinthöhe, Belebung der Stadt, Kinder, Jugendliche und Sportstätten, Aufenthaltsqualität, Verkehr und Infrastruktur, Energie und Nachhaltigkeit, Wohnen in der Stadt sowie Tourismus. In seinem einstündigen Parforceritt streifte er die Planungen für die Sanierung des Hallenbads, die Ende Juli konkret werden sollen, und den Bau der Nordumfahrung, der im Herbst mit den Vorarbeiten beginnt. Er verwies auf die neuen Angebote für Jugendliche wie den Dirt-Park, die Graffiti-Wand an der Isarbrücke und die Boulderhalle, vor allem aber auf der Konzept "Bespielbare Stadt". Mehner machte Station beim Alltagsradwegekonzept, das neue Achsen für den Radverkehr vorsieht. Er listete viele Maßnahmen auf, die für mehr Aufenthaltsqualität in Tölz sorgen sollen: die neuen Sitzbänke in der Marktstraße, die Sanierung des Taubenloch-Parks, der Kneippgarten, die Neugestaltung des Altstadtteils Gries. Er streifte Wohnbauprojekte wie Hintersberg II, das Mehrfamilienhaus an der Königsdorfer Straße und die Pläne für mehrgeschossige Wohnhäuser in der Arzbacher Straße. "Wohnen in der Stadt ist ein Mega-Thema, das keine Gemeinde alleine lösen kann", sagte er. Seinen Leitsatz für die Arbeit als Bürgermeister formulierte er so: "Ich bin immer dafür, konkret vor Ort anzuschauen, was man machen kann." Von abstrakten Vorschlägen hält er wenig.

Klar ist für den Bürgermeister, dass die Corona-Pandemie die Haushaltslage in den kommenden Jahren verschlechtern wird. Darauf wies auch der stellvertretende Landrat Klaus Koch (Grüne) in seinem Grußwortwort hin. Von der Digitalisierung der Schulen bis hin zur Kultur gebe es viele Wünsche, die berechtigt seien, die Kommunen aber vor große Herausforderungen stellten, sagte er. Ein großes und brennendes Problem sei der teure Wohnungsmarkt, so Koch: "Eine Lösung kann nur darin bestehen, dass wir Wohnen im Landkreis als interkommunales Problem betrachten und interkommunal lösen."

Vor der Bürgerversammlung hatten Tölzer Einwohner die Möglichkeit, ihre Anliegen schriftlich einzureichen. Dies kritisierte Monika Grünberger, der "eine echte Fragestunde" lieber gewesen wäre. Otterbach begründete die Vorgehensweise damit, dass man "für viele Beantwortungen oft Detailkenntnisse" brauche. Stefan Lecheler forderte einen Ausbau des Nahwärmenetzes auf der gesamten Flinthöhe. Eine zentrale Lösung liege zwar auf der Hand, erwiderte Walter Huber, Leiter der Tölzer Stadtwerke. Allerdings sei ein weiterer Ausbau der Nahwärme dort nicht wirtschaftlich und spare nicht genug CO₂ ein. Anders als etwa im Badeteil. "Die Flinthöhe läuft nicht in der ersten Reihe bei der Priorisierung."

Nach den Überbleibseln der "Neuen Tölzer Hotelkultur" erkundigte sich Wolfgang Holzberger. Was ein Wellnessbad in der Kurstadt betrifft, fiel Mehners Antwort eindeutig aus: "Das Spa wurde 2018 final beerdigt." Den Zustand des Faistwegs nach Ellbach beklagte Dieter Höflich vom Seniorenbeirat des Landkreises. Mit seinem E-Scooter komme er dort kaum durch den Wald. Und der Eingang zur Stadtbücherei sei für ihn ebenfalls schwierig zu befahren. Der Bürgermeister argumentierte, dass Feld- und Waldpfade nun mal nicht die gleiche Qualität wie innerstädtische Wege hätten. Die Situation vor der Bücherei werde man sich ansehen, versprach er. Inge Mellert regte Blumenkästen am Geländer der Isarbrücke an. Die würden rasch in der Isar landen, erwiderte Mehner. Die Befürchtung von Mellert, dass die geplanten Hotels an der Bockschützstraße dem Charme von Tölz schadeten, hielt der Rathauschef entgegen: "Über den Baustil ist nicht entschieden."

Im Bergwachtzentrum meldeten sich einige Zuhörer auch direkt zu Wort. Max Hillenbrand monierte etwa eine "kalte Enteignung" durch den Bebauungsplan Isarleitenweg, was Mehner zurückwies. Hitzig wurde es, als sich Jürgen Gawender, Veronika Bürger und Marion Möslein über den schlechten Zustand der Bairawieser Straße beklagten. Ihre Argumente: Für eine temporäre Baustraße zum Baugebiet Hintersberg II gebe die Stadt hunderttausende Euro aus, für die Bairawieser Straße nichts. Mehners Begründung: Die Stadt könne teuren Straßenbau nur stemmen, wenn sie dafür staatliche Fördermittel erhalte.

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SZ vom 17.07.2021
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