Süddeutsche Zeitung

Bürgerhaus in Münsing:Halbwertzeit eines Jahrhundertbaus

Das Verwaltungszentrum hat nach kaum 50 Jahren ausgedient. Ein Bürgerhaus kommt

Von Benjamin Engel, Münsing

Hinter dem aufgeschütteten Erdhaufen ist Münsings Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt fast frei zu sehen. Nur ein aufragender Kran schränkt das Blickfeld ein. Direkt daneben gähnt ein tiefes Loch im Boden. Diese Beschreibung passt zur Baustelle für das neue Bürgerhaus in Münsing - und zeigt doch eine Perspektive auf einem historischen Foto vor mehr als 40 Jahren. Ende der 1970er-Jahre hat die Kommune nur unweit das damals neue Verwaltungszentrum hochgezogen. Der Komplex mit dem heutigen Rathaus, der angrenzenden Schulturnhalle und dem Feuerwehrhaus entstand zwischen 1977 und 1979 an der Weipertshausener Straße.

In Münsing galt es als "Jahrhundertbauwerk", erinnert sich Hubert Kühn. In der damaligen Aufbruchszeit nach der Gebietsreform konnte sich wohl kaum jemand vorstellen, dass es mehr als 40 Jahre später für seinen Funktionszweck ausgedient hat. Auch nicht der heutige Kämmerer und Rathaus-Geschäftsleiter Kühn, dessen beruflicher Werdegang und die Entwicklungsgeschichte des Verwaltungszentrumparallel voranschreiten. Als 17-Jähriger hat er 1979 - also im Jahr der Einweihungsfeier - seine Verwaltungsausbildung in Münsing begonnen. "Als ich angefangen habe, hingen noch gar keine Vorhänge", schildert Kühn. Die Einweihungsfeier erlebte er als großen Staatsakt.

Damals, so sagt der 59-Jährige, hätte er sich kaum vorstellen können, sein Arbeitsgebäude bis zum Karriereende noch einmal zu wechseln. "Es war alles so nagelneu." Und doch wird es genauso kommen, wenn die Verwaltung 2023 in das dann fertiggestellte Bürgerhaus umzieht. Das wird der markanteste Einschnitt der vergangenen Jahrzehnte. Stehen geblieben ist die Entwicklung laut Kühn dazwischen aber nie. Es gab kleine Umbauten. Der Eingang wurde zur Barrierefreiheit an die heutige Stelle im Nordwesten verlegt. Mit veränderten gesellschaftlichen Ansprüchen und immer ausgefeilteren bürokratischen Vorgaben stieg auch die Personalstärke - von etwa einem halben Dutzend Ende der 1970er-Jahre auf heute 15 Mitarbeiter, die zwei Hausmeister und die Auszubildende mit eingerechnet. Aus Platzmangel musste die Kommune das Bauamt und dessen Mitarbeiterteam 2020 in Räume im Alten Pfarrhof auslagern. Im neuen Bürgerhaus werden dann wieder alle Verwaltungsbeschäftigte in einem Gebäude zusammenarbeiten. Das jetzige Rathaus soll dann Platz für Einrichtungen zur Kinderbetreuung bieten. Der Bedarf dafür ergibt sich schon allein durch den bald geltenden Anspruch zur Ganztagesbetreuung für Grundschulkinder.

Beständig ist aus der Langzeitperspektive meist nur die Veränderung. Wo heute das Verwaltungszentrum stand, bewirtschafteten Franz und Anna Wagner einst den Braidlhof. Als die Regierung von Oberbayern ihre Aussiedlungspläne billigte, wurde das landwirtschaftliche Anwesen abgerissen. Dem im Bau befindlichen Bürgerhaus ist mit dem Pallaufhof ebenfalls ein einst landwirtschaftlicher Betrieb gewichen. Das 2008 von der Kommune erworbene und kürzlich abgerissene Haus war ein Nachfolgebau aus der Nachkriegszeit.

Auf eine längerfristige Zukunft des neuen Bürgerhauses mit Rathaus und Veranstaltungssaal hofft Hubert Kühn. Daher sei das 20,5 Millionen Euro teure Projekt eigens großzügig geplant, sagt er. Und ist sich gleichzeitig bewusst: "Die Zeiten ändern sich eben."

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SZ vom 21.12.2021
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