Brot und Spiele:"Ich mag versteckte Ironie"

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(Foto: Harry Wolfsbauer)

Ursula Hummel leitet den Literaturkreis Dietramszell

Interview Von Elena Winterhalter

Seit fünf Jahren organisiert die gelernte Bibliothekarin und jetzige Rentnerin Ursula Hummel die Treffen des Literaturkreises Dietramszell. Vier Mal im Jahr kommt die Gruppe zusammen und liest sich Texte vor: Gedichte, Romane, Briefe, Sachbücher - alles ist möglich. Hummel war, als sie die Organisation der Gruppe übernahm, frisch von München nach Dietramszell gezogen. Die Literatur und das Gemeinschaftsgefühl halfen ihr dabei, sich schnell zu Hause zu fühlen.

SZ: Sind Sie lieber die Vorleserin oder die Zuhörerin?

Ich versuche denen, die gerne lesen, den Vortritt zu geben. Aber es macht mir selbst große Freude vorzulesen.

SZ: Was ist das Wertvolle an einem gemeinschaftlichen Literaturerlebnis?

Ich habe lange das Literaturarchiv der Münchner Stadtbibliothek Monacensia geleitet und fühle mich deshalb sehr mit der Literatur verbunden. Mich mit Gleichgesinnten über Texte auszutauschen war ein wunderbarer Einstieg in meinen neuen Heimatort. Es ist sehr bereichernd, was alles vorgelesen wird. Die Menschen sind gelöst und die Stimmung ist sehr privat. Oft sagen die Teilnehmer danach zu mir, dass es warm und aufbauend gewesen sei. Das freut mich besonders.

SZ: Wissen Sie denn, welche Texte beim nächsten Treffen vorgetragen und diskutiert werden?

Nein. Wir lassen uns immer überraschen. Goethe, Fontane, Petrarca, Steinbeck. Es hat auch schon jemand Schillers Bürgschaft auswendig vorgetragen. Einmal hörten wir einen Ausschnitt aus dem Plädoyer "Nicht schuldig" von Strafverteidiger Steffen Ufer. Ich habe mir für das kommende Treffen Ausschnitte aus den Briefen von Klaus Mann an Gottfried Benn vorgenommen, in denen sich Mann 1933 entsetzt zeigt über Benns Nazi-Sympathien. Die Texte müssen dem Vortragenden gefallen. Andere Kriterien gibt es nicht.

SZ: Was macht für Sie einen guten Text aus?

Ich mag versteckte Ironie, wie bei Mark Twain oder John Steinbeck - übrigens meine beiden Lieblingsautoren. Inhaltlich muss sich eine gute Geschichte weiterentwickeln. Ich möchte mit den Protagonisten mitgehen und miterleben.

SZ: Mit welcher literarischen Figur haben Sie besonders mitgefühlt?

Das ist lustig, weil ich vor Jahren einen Roman gelesen habe, von dem ich weder Titel noch Autor weiß. Es ging um einen schwarzen Jungen namens Buddy, der in einem Elendsviertel in New York lebt und sich nach dem Zweiten Weltkrieg in eine Russin verliebt. Dieser Buddy kommt mir im Alltag oft in den Kopf. Die Figur hat mich tief berührt. Ich sollte den Autor mal googeln.

Offener Literaturkreis Dietramszell , Freitag, 8. September, 19.30 Uhr, Klause St. Leonhard, Dietramszell. Anmeldung unter Tel. 08027/ 9 08 70 10

© SZ vom 08.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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