Boulevardkomödie:"Marküs" macht kahlen Langweilern Mut

Boulevardkomödie: Nathalie küsst, warum bleibt ihr Geheimnis. Ursula Buschhorn und Peter Kremer bei ihrem Gastspiel in der Loisachhalle.

Nathalie küsst, warum bleibt ihr Geheimnis. Ursula Buschhorn und Peter Kremer bei ihrem Gastspiel in der Loisachhalle.

(Foto: Hartmut Pöstges)

"Nathalie küsst" findet in der Wolfratshauser Loisachhalle ein dankbares Publikum

Von Wolfgang Schäl, Wolfratshausen

Boulevardkomödie: Das klingt ein bisschen operettenhaft verstaubt, nach bürgerlichem Esprit in gehobenem Rosamunde-Pilcher-Milieu, nach heiter-geschliffenen Dialogen und konstruierten Verwicklungen, die sich im Dienste der guten Laune am Ende in Wohlgefallen auflösen. Und obwohl oder gerade weil hier nicht die Avantgarde des Theaters auftritt, sondern bodenständige Akteure am Werk sind, hat dieses Genre seine kleine, feste Anhängerschaft, auch in Wolfratshausen. Bei dem als "romantisch" angekündigten Stück "Nathalie küsst" füllten die Zuschauer zum Wochenbeginn immerhin gut ein Drittel der Loisachhalle.

Der Titel des Stücks (Regie: Stefan Zimmermann) wirft unausgesprochen natürlich die Frage auf, wen Nathalie (Ursula Buschhorn) denn nun küsst, und das ist ausgerechnet ein wenig attraktiver, langweiliger und linkischer Kerl mit wenig Haaren. Ihm drückt die attraktive Witwe, die soeben drei Jahre lang ihren tödlich verunglückten Mann betrauert hat, plötzlich und für sie selbst unerwartet, einen so wilden, sinnlichen Schmatz auf den Mund, dass dem Glücklichen Hören und Sehen vergeht. Einfach so, spontan, ohne dass zuvor die übliche verbale Annäherungsprozedur stattgefunden hat.

Der ebenso verdutzte wie berauschte Adressat dieser Zuwendung heißt Markus, gesprochen "Marküs", weil so ein Boulevardstück natürlich in Paris spielt, der Stadt der Liebe. Und er hat erwartungsgemäß einen fiesen Kontrahenten namens Charles (Michel Guillaume), der Nathalies Vorgesetzter ist und seine Position für unehrenhafte, eitle Avancen ausnützt. Nathalie aber lässt ihren Chef mutig abblitzen, und so kommt es zu den erwähnten Komödien-Verwicklungen - Protagonisten sind der erboste Macho Charles, dem seine totale Überlegenheit keine Vorteile bei der Balz bringt, und die graue Maus Markus, der die Dinge weitgehend ohne eigenes Zutun, aber genussvoll mit sich geschehen lässt. Dazwischen wieselt noch eine junge Arbeitskollegin namens Chloé (Alisa Riccobene) herum, die mit ihrer Umtriebigkeit das nötige Bühnen-Chaos verstärkt und irgendwie auch ganz amüsant ist.

Am Ende steht die Frage, was Nathalie denn nun ausgerechnet zu diesem mittelmäßigen Marküs hinzieht, warum es speziell ihm gelingt, ihr nach der langen Trauerphase neue Zukunftsperspektiven zu vermitteln. Eine Antwort aus dem richtigen Leben gibt es darauf nicht, immerhin aber einen bemerkenswerten Gedanken: Sie ist einfach ihrem Herzen gefolgt, und das ruft nicht unbedingt nach dem Schönsten und Buntesten unter den Pfauen, sondern nach demjenigen, der selbst in seiner Unzulänglichkeit authentisch und deshalb liebenswert ist - eine höchst tröstliche, ja beglückende Botschaft für alle langweiligen, kahlköpfigen Männer auf dieser Welt.

Merke: Jeder Tollpatsch darf grundsätzlich darauf hoffen, Opfer einer wilden Kussattacke zu werden. Vermittelt wird im Kern die gleiche Botschaft, die Antoine de Saint-Exupérys "Kleiner Prinz" den Erdenmenschen zuruft: Nur mit dem Herzen sieht man gut...

Das alles ist auf der Bühne mit einfachen Mitteln wirkungsvoll inszeniert: Dramaturgisch eingesetzte beigefarbene Vorhänge, die schnell immer wieder auf- und zugezogen werden, markieren die Szenenwechsel. Als verbindendes musikalisches Element fungierte Michael Stark, ein routinierter Gitarrist und Sänger, der mit virtuosem Zwischenspiel die Handlung weiterträgt und wunderschöne musikalische Akzente setzt. Am Ende bedankte sich das Publikum bei den Akteuren mit kurzem, aber begeistertem Beifall.

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