Süddeutsche Zeitung

"Blind Date mit einem Buch":Die Katze im Sack ausleihen

Aktion der Stadtbücherei Geretsried spielt mit dem Überraschungseffekt.

Von Tilman Voss, Geretsried

"Loslassen", "Freiheit" und "Vertrauen ins Leben" - das ist alles, was Mechtild Weigert-Sicheneder über das Buch weiß, das sie sich soeben in der Stadtbücherei ausgeliehen hat. Die Kundin kennt weder den Titel oder das Cover des Buches, noch konnte sie sich anhand des Klappentextes schon ein Bild der Handlung machen. Genau das soll der Reiz der Aktion sein, die bis zum Valentinstag am 14. Februar in der Geretsrieder Stadtbücherei unter dem Titel "Blind Date mit einem Buch" läuft. Analog zu einem Blind Date, bei dem man den potenziellen Partner zum ersten Mal beim Treffen sieht, bekommt man das Buch eben zum ersten Mal zu Gesicht, wenn man anfängt, es zu lesen.

Links neben der Kasse der Stadtbücherei stehen zwei Aufsteller mit in Geschenkpapier eingewickelten Büchern. Es ist Lektüre aller Art vertreten - alt oder neu, Liebesromane oder Thriller, vor allem aber Titel für Erwachsene. Die Bücher sind nur anhand weniger Stichworte auf ihrer Verpackung sowie deren Farbe zu unterscheiden - Liebesromane etwa sind in rosa Papier eingewickelt. Das Ziel ist, dass sich die Leser nicht durch das Buchcover in ihrer Entscheidung beeinflussen lassen, sondern sich durch etwas neues überraschen lassen, sagt Büchereileiterin Hannah Vogel. Es gab die Aktion bereits voriges Jahr unter Vorgänger Björn Rodenwaldt; heuer wurde sie auf Vorschlag der Mitarbeiterin Laura Diebl zum Valentinstag neu aufgelegt.

"Die Leute sollen sich über etwas Positives freuen können", sagt Vogel. Für sie ist es die erste Aktion, die sie als Leiterin begleitet. Weitere seien geplant, sagt sie, beispielsweise eine Beteiligung am Jugend- und Kindertag, der am 15. Mai stattfindet, oder eine Themenwoche in der Vorweihnachtszeit. Über allem stehe aber der Wunsch, wieder zu regelmäßigen Veranstaltungen wie den Lesungen zurückkehren zu können. Dies sei abhängig vom Infektionsgeschehen und dem Spielraum, den die Politik den Büchereien ermöglicht.

Die Aktion Blind Date, die man auch aus anderen Büchereien kennt, komme gut bei den Besucherinnen und Besuchern an, sagt Vogel. Sie seien davon angetan, fänden es überraschend und gleichzeitig witzig.

So sagt etwa Mechtild Weigert-Sicheneder, regelmäßige Besucherin der Bücherei, ihr gefalle die "lustige Aktion". Sie bewundere den Mut der Verantwortlichen, etwas Neues auszuprobieren. Sie kaufe gerne mal die "Katze im Sack" und sei gespannt auf das Auspacken. Andere Kunden zeigen sich ähnlich beeindruckt, und wenn man selber vielleicht kein Fan des Überraschungseffektes ist, dann wird das in Geschenkpapier eingewickelte Buch eben kurzerhand für den Ehemann ausgeliehen.

www.geretsried.de/stadtbuecherei

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Quelle:
SZ vom 10.02.2022
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