"Biotop Oberland":Miteinander zu voller Blüte

Seit einem Jahr bewirtschaftet die solidarische Agrargenossenschaft Felder und Gewächshäuser in Lenggries. Wer Gemüse beziehen möchte, muss Mitglied werden

Von Irmgard Grasmüller, Lenggries

Die Genossenschaft am Steinbach zwischen Lenggries und Obergries, welche sich als "Solidarische Landwirtschaft" bezeichnet, hat erst ihr erstes Jahr an diesem Standort hinter sich und spricht dennoch schon von einer Rekordernte. "Vor allem die Gewächshauskulturen wie Tomate, Gurke und Bohnen sind sehr gut gewachsen", sagt Sebastian Girmann, Vorstand und Initiator des Biotops. Aber auch die Außenkulturen wie Mangold, Rote Bete und Karotten seien heuer prächtig gewachsen. Kohl würde erst noch geerntet werden.

Sebastian Girmann ist studierter Gartenbau-Ingenieur. Er hat mehrere Jahre Bioanbau-Erfahrung in die Genossenschaft mitgebracht. Was ihn bei den früheren Biogärtnereien allerdings immer störte, waren die strengen Regularien. Eine Zucchini, die zwei Zentimeter über das Maß hinausgeschossen war, durfte auf dem üblichen Markt nicht mehr verkauft werden und wurde weggeschmissen. "Das geht bei einer Zucchini sehr schnell", so der 33-Jährige, "die wächst bis zu einem Zentimeter am Tag". Da komme man mit dem Ernten manchmal einfach nicht mehr hinterher.

Biotop Oberland Lenggries -  Sebastian Girmann auf Traktor

Sebastian Girmann hat gemeinsam mit Julia Frick, Nick Fischer und Katerina Pohlova das "Biotop Oberland" gegründet, das nun in Lenggries Früchte trägt.

(Foto: Magnus Mayer/oh)

Gemeinsam mit Julia Frick, Katerina Pohlova und seinem Jugendfreund Nick Fischer gründete er 2015 das "Biotop Oberland". Zunächst bewirtschafteten sie noch Pachtflächen in Bad Heilbrunn und in Waakirchen, doch seit diesem Jahr haben sie das 2,5 Hektar großes Feld bei Lenggries übernommen und bestellt, zu dem auch drei Gewächshäuser zählen. Wer vom "Biotop Oberland" Gemüse beziehen möchte, muss Mitglied werden. Es wird ein fester monatlicher Betrag eingezogen, im Gegenzug erhält jedes Mitglied wöchentlich eine Gemüsekiste. "In guten Monaten und Jahren erhalten die Mitglieder eine vollere Kiste, in schlechten Zeiten eine leichtere", erklärt Girmann. So wird das Risiko auf alle gestreut. Zwei, drei schlechte Erntejahre bedeuten nicht gleich das Aus für die Gärtnerei.

Doch dieses Jahr war erstaunlich gut. Nur einige Insekten machten den Gärtnern Sorgen. Die Trockenheit, aber auch der stete Wind, der über das Land wehe, mache es Schädlingen leicht, anzufliegen und sich niederzulassen. Die Isarwinkler Biogärtner haben ein waches Auge und reagieren, wenn möglich, vorbeugend. Lotta Kintscher, eine der festangestellten Gärtnerinnen, ist beim Biotop die Ansprechpartnerin für natürliche Schädlingsbekämpfung. Sie schwört auf die Blühstreifen, die das Team als Zwischenkultur ansät. Diese Blühstreifen - allem voran Kornblumen - geben der Erde nicht nur wertvolle Nährstoffe zurück, sondern ziehen auch Vögel und zahlreiche Nützlinge wie Schlupfwespen, Florfliegen, Raubmilben, Schwebfliegen oder Marienkäfer an. Und die wiederum fressen Schädlinge wie Blattläuse und Thripse. Regelt sich die Natur nicht von selbst, helfen die Biotop-Gärtner nach. Die Spinnmilbe fühlt sich beispielsweise erfahrungsgemäß bei den Gurken im Gewächshaus recht wohl. Der begegnen die Gärtner mit einem Karton voll Raubmilben, Phytoseiulus persimilis im Fachbegriff. So haben sich die Spinnmilben erst gegen Kulturende, ab Juli, August, im Gewächshaus durchsetzen können und haben kaum mehr Schaden angerichtet, sagt Lotta Kintscher.

Biotop Oberland Lenggries - Katerina Pohlova und Sebastian Girmann

Katerina Pohlova.

(Foto: Flo Jäger/oh)

Was im "Biotop Oberland" angebaut wird, können die Mitglieder mitbestimmen. Doch grundsätzlich werden feste Prinzipien verfolgt, an denen nicht zu rütteln ist: Alles ist Bio - auch wenn der Betrieb bislang noch nicht zertifiziert ist. Bevor eine Maschine zusätzlich gekauft wird, wird sorgsam abgewogen, was die maschinelle Bearbeitung für den Boden bedeutet und ob Handarbeit nicht besser wäre. Freilich sei es manchmal schwierig, alle Arbeit allein zu bewältigen, aber dafür halte man ja zusammen. Mitglied in der Genossenschaft sein heiße, ab und zu auf freiwilliger Basis mit anzupacken. An bestimmten Spitzentagen werde zum Helfen aufgerufen. Da kämen die Leute zum Teil mit der ganzen Familie an und würden helfen, Kürbisse oder Gelbe Rüben zu ernten, erklären die Genossen. Ein andermal werden Steine miteinander aufgeklaubt oder Tomaten und Zucchini eingekocht. "Die Leute gehen mit einem ganz anderen Verständnis für Gemüse heim, wenn sie drei Stunden lang bei der Ernte mitgearbeitet haben. Auch die Kinder", erzählt Nick Fischer. Und so gilt der Dank in diesem Herbst nicht nur dem Wetter und der Mutter Erde, sondern auch den Mitgliedern, den Nachbarn und der Gemeinde. "Wir sind im Isarwinkel mit unsrem Konzept toll angenommen worden", so Fischer. "Für uns war es ohne Zweifel eine richtige Entscheidung, uns hier mit unserem Projekt, dem 'Biotop Oberland', niederzulassen."

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