Stadtradeln von Gelting bis Seeshaupt mit Besichtigung:Platz da für Leila!

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Jersey-Rinder sind neu auf dem Pilchhof in Baierlach. (Foto: Felicitas Amler)

Eine Radtour unter dem Motto "fair, bio und regional" gibt Einblicke in den Stall des Pilchhofs und in das Sozialverhalten von Kühen.

Von Felicitas Amler, Eurasburg

Zwei Kühe lecken in einem sehr geräumigen, hohen und lichten Stall entspannt am Salzstein, Kopf an Kopf, ganz einträchtig. Dann kommt Leila. Und plötzlich scheint kein Platz mehr zu sein für zwei Rinder. Die starke und mächtige Leila labt sich allein an der Salzlecke. Keine andere Kuh tritt ihr dabei zu nahe. Denn Leila ist "die Chefin" in dieser Herde von 45 Rindviechern, wie Landwirt Christian Pilch erklärt. Er gibt am Samstagvormittag einer 17-köpfigen Radler-Gruppe einen Überblick über den Hof in Baierlach, den er zusammen mit seiner Ehefrau Maria führt.

Birgit Sachers (rechts), Vorsitzende des Radlersclubs ADFC Bad Tölz-Wolfratshausen, führt die Radtour an. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Der Pilchhof ist die erste Station auf einer Fairtrade-Tour, zu der sich Wolfratshausen, Geretsried und Seeshaupt zusammengetan haben. Auf der Fahrt werden Direktvermarkter besichtigt und gleichzeitig Kilometer für die Aktion "Stadtradeln" gesammelt. Die Route beginnt am Geltinger Dorfplatz und führt über Baierlach, Beuerberg und Faistenberg bis zum Schaugarten in Seeshaupt und dann via Degerndorf und Achmühle zurück zum Ausgangspunkt. Gut vierzig Kilometer bringen die Teilnehmenden dafür auf ihr Stadtradeln-Konto. Und dazu sammeln sie reichlich Einblicke in Betriebe, die "fair, bio und regional" wirtschaften, wie es die Einladung angekündigt hat.

Auf dem Pilchhof erfährt die Gruppe nicht nur etwas über die Heumilch, den Joghurt und den Käse, die hier produziert werden, sondern auch über Kühe als soziale Wesen. Landwirt Pilch erzählt von der Rangordnung, die sie untereinander ausbilden. Die Jungtiere der Rasse Jersey-Rind sind deswegen noch separat untergebracht, um erst langsam integriert zu werden. Dennoch haben sie wie alle im Stall reichlich Auslauf. Und von Mai bis November können die Kühe ohnedies auf die Weiden. Natürlich haben auch alle Hörner. Pilch sagt, das habe mehrere Gründe. Für die Tiere sei das Enthornen eine ziemliche Belastung, und er selbst würde es auch gar nicht fertigbringen. "Es ist keine schöne Arbeit." Und außerdem: Wozu? "In der Natur ist so gut wie nix umsonst", sagt Pilch. So haben auch die Hörner, wie einige in der Gruppe schon wissen, durchaus ihre Funktionen. Das reicht vom Fühlen bis zur Verdauung. Denn beim Wiederkäuen gelangen die Verdauungsgase bis in die Hornspitzen und dienen als Rückmeldung über die Verhältnisse im Pansen. Auch wenn die Tiere ihre Rangordnung ausraufen, sei dies mit Hörnern allemal besser, erklärt Pilch. Denn wenn die Hörner fehlten, trügen die Kühe ihre Kämpfe über die Weichteile aus - mit weitaus schlimmeren Verletzungen.

Bauer Christian Pilch (links) erklärt der Besuchergruppe seinen Hof mit geräumigem Freilaufstall. (Foto: Felicitas Amler)

Pilch hat in den Hof eingeheiratet, den sein inzwischen verstorbener Schwiegervater Georg Danner ursprünglich als konventionellen Betrieb gegründet hatte. Dessen Schlüsselerlebnis schildert der junge Landwirt der Gruppe. Danner habe seinerzeit, als er in Baierlach anfing, den Boden geprüft und mit einem Handgriff festgestellt, wie gut der war. Er sei über und über voller Regenwürmer gewesen - ein Ausweis hoher Qualität und Fruchtbarkeit des Erdreichs. Dann habe er auf die herkömmliche Weise, die er erlernt hatte, Mais angebaut und gedüngt. Die Bodenprobe im Jahr darauf sei erschütternd gewesen: "Fast keine Regenwürmer mehr." Für Georg Danner und seine Frau Monika war das Anfang der Achtzigerjahre der Anlass, den Hof auf Bio umzustellen. "Damals ist er dafür ausgelacht worden." Seit 1988 ist der Pilchhof Bioland-zertifiziert. Er hat eine eigene Hofmolkerei und vermarktet einen Teil der Milch selbst. Maria Pilch ist Konditormeisterin und zuständig für die Backstube und den Hofladen, in dem es Joghurt, Topfen, Butter und Käse, Brot, Kuchen, Torten, Marmeladen, Gelees und Säfte gibt.

Die Jersey-Rinder haben die Pilchs gerade zu ihrem Fleckvieh und Braunvieh dazugekauft, um die Inhaltsstoffe ihrer Milch zu verbessern. Denn die Milch der ursprünglich von der Kanalinsel stammenden Kühe sei eiweiß- und fettreicher, und das wiederum mache zum Beispiel den Joghurt geschmeidiger. Die Gruppe hört's mit Staunen, findet aber die Jersey-Kühe schon allein wegen ihres Aussehens ganz wunderbar. Verzückt sagt etwa Sonja Frank, Zweite Bürgermeisterin von Geretsried, die ebenso wie Wolfratshausen Bürgermeister Klaus Heilinglechner an der Tour teilnimmt: "Entzückend sehen die aus, wie Rehe."

In Eimern werden am Loisachkanal wegen der bevorstehenden Ufersanierung Eidechsen eingesammelt und an eine sichere Stelle gebracht. (Foto: Felicitas Amler)

Am Loisach-Isar-Kanal zwischen Gelting und Baierlach bekommen die Fairtrade-Radler noch einen ganz unerwarteten Einblick ins hiesige Tierleben. Alle paar Meter sind dort Menschen zu sehen, die etwas im Gras der Böschung suchen und in Eimer legen. Eidechsen, wie auf Nachfrage zu erfahren ist. Denn hier soll der Kanal saniert werden. Die Eidechsen werden gerettet und ein Stück weiter wieder freigesetzt. Auch das ist im besten Sinne fair, bio und regional.

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