Zäsur in Wolfratshausen:"Mein Beruf war Berufung"

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Antonie Bálint-Meikis geht als Schulleiterin der Wolfratshauser Realschule in den Ruhestand. Werte sind ihr auch künftig genauso wichtig wie Wissen

Von Julie Heiland, Wolfratshausen

Für etwa 620 Schüler in 25 Klassen und 43 Lehrer trug sie als Rektorin an der Isar-Loisach-Realschule die Verantwortung. Nun geht Antonie Bálint-Meikis im Alter von 66 Jahren in den Ruhestand. Am 25. Juli wird die gebürtige Dachauerin offiziell verabschiedet, nach insgesamt zwölf Jahren in Wolfratshausen als Lehrerin für die Fächer Kunst und Informationstechnologie, zwei Jahre davon als Schulleiterin. Ein Gespräch über Herausforderungen, Zusammenarbeit und Wünsche für die Zukunft.

SZ: Was werden Sie am meisten am Schulalltag vermissen?

Antonie Bálint-Meikis: Alles. Der Umgang mit den Schülern hat mir unendlich viel gegeben. Aber natürlich werde ich auch meine Kolleginnen und Kollegen und Sekretärinnen vermissen. An unserer Schule herrscht eine gute Atmosphäre.

Was nicht selbstverständlich ist ...

Nein, das ist es nicht. Auch wir haben Probleme. Zum Teil liegt das an den gesellschaftlichen Veränderungen. Mehr als die Hälfte unserer Schüler lebt nicht mehr in ihrer Ursprungsfamilie, sondern in einer Familie, die durch Scheidung, Trennung oder Tod auseinander gerissen wurde. Auch der Einfluss der Medien, besonders des Internets, stellt ein großes Problem dar. Wir bieten unter anderem auch für die Eltern Präventionsveranstaltungen zu diesem Thema an. Das Internet gehört nun einmal dazu.

Der Landkreis hat in den vergangenen Jahren einen starken Zuzug ausländischer Familien erlebt. Inwiefern hat sich dies an der Isar-Loisach-Realschule bemerkbar gemacht?

Diese Kinder haben sich schnell in unsere Klassen integriert. Ich empfand die kulturelle Vielfalt als Bereicherung. Man darf nicht vergessen, dass sie oft in ihrem Heimatland oder auf der Flucht schlimme Erfahrungen gemacht haben. Um diese zu verarbeiten, bedarf es besonderer Unterstützung.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Schule?

Wir brauchen kleinere Klassen und mehr Lehrer. Enorm wichtig sind Schulpsychologen und Beratungslehrer und die Schulsozialarbeit, als Bindeglied zwischen Eltern, Schule und Schülern.

Was hat sich unter Ihrer Leitung geändert?

Einiges wurde bereits unter der Leitung meiner Vorgängerin, Realschuldirektorin Hermine Merkl, in die Wege geleitet, wie zum Beispiel die Stelle der Schulsozialarbeit. 2018 haben wir der Schule mit "Isar-Loisach-Realschule Wolfratshausen" einen eigenen Namen gegeben, um für die Schüler einen persönlichen Bezug zu schaffen. Seit 2016 sind wir Öko-Profit-Schule, in diesem Schuljahr haben wir das Zertifikat einer Fair-Trade-Schule erworben und mit Beginn dieses Schuljahres konnten wir in den Jahrgangsstufen 5 und 6 die Betreuung im offenen Ganztag anbieten. Aber das alles gelingt nur, wenn man eine Lehrerschaft hat, die höchst engagiert und aufgeschlossen neuen Entwicklungen gegenüber ist und eine Elternschaft, die aktiv und vertrauensvoll mit uns gemeinsam diese Entwicklung trägt. So sind im Mai erstmals im Rahmen des Erasmus-Projekts zwei unserer Kolleginnen nach Norwegen gereist, und irgendwann sollen auch die Schüler das Austauschprogramm nutzen können.

Welche Bedeutung hat Schule heutzutage?

Die Schule soll für Kinder ein Ort sein, an dem sie sich geborgen und geschützt fühlen und wo ihnen neben Wissen auch Grundwerte wie Toleranz, Ehrlichkeit oder Achtsamkeit im Umgang miteinander vermittelt werden. Die Verantwortung für die Kinder wird immer mehr an die Schule übergeben, was nicht gut ist. Schule funktioniert nur, wenn Lehrer, Kinder und Eltern gemeinsam an einem Strang ziehen.

Lange herrschte das Klischee, die Realschule wäre im Vergleich zum Gymnasium nur zweite Liga. Hat sich diesbezüglich etwas verändert?

Das hat es. Unser Schulsystem ist sehr viel durchlässiger geworden. Man kann heute auch mit dem Mittleren Schulabschluss der Mittelschule auf die FOS gehen und schließlich studieren, sofern man dieses Ziel hat. Schüler mit einem erfolgreichen Realschulabschluss wählen zunehmend den weiterführenden Weg über die FOS oder das Gymnasium. Hier bietet der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen mit einer sehr gut aufgestellten Schullandschaft ein vielfältiges Angebot.

Was hat Sie dazu bewogen, Schulleiterin zu werden?

Ich wollte immer mit Kindern arbeiten. Kinder finde ich das Beste überhaupt. Sie sind unsere Zukunft. Eigentlich hatte ich nie gezielt das Amt der Schulleiterin angestrebt. Aber ich wollte etwas verändern. Und als Rektorin sitze ich am längeren Hebel (lacht).

Fällt Ihnen eine besonders schöne Erinnerung an Ihre Zeit an der Isar-Loisach-Realschule ein?

Es gab viele schöne Tage und viele lustige Ereignisse mit Schülern. Meine Einstellung war: Jeden Tag muss mindestens einmal gelacht werden, auch im Unterricht!

Gibt es schon Pläne für den Ruhestand?

Ich habe vor, mehr zu reisen und öfter in Ausstellungen zu gehen. Außerdem möchte ich meine Fremdsprachen wieder aktivieren und vielleicht eine neue lernen. Ich finde es wichtig, immer dazuzulernen. Aber ich denke auch an die Weitergabe meiner Schulerfahrung, und die Hospizarbeit interessiert mich zudem sehr. Im Oktober erwartet einer meiner beiden Söhne Nachwuchs. Das ist ein Lichtblick am Horizont.

Lichtblick am Horizont?

Die letzten zwei Jahre war ich sehr an die Schule gebunden. Oft hatte ich Zwölf-Stunden-Arbeitstage. Ich merke, dass meine Kraft nachlässt. Aber nach wie vor gehe ich jeden Tag sehr gerne in die Schule. Es war halt mein Leben. Mein Beruf war meine Berufung.

© SZ vom 23.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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