Süddeutsche Zeitung

Bildung im Landkreis:Im Pandemie-Dilemma - mehr online, weniger Geld

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Die Volkshochschulen Bad Tölz und Wolfratshausen manövrieren sich durch die Krise. VHS Geretsried ist kommunalisiert

Von Felicitas Amler, Bad Tölz-Wolfratshausen

Christine Hohnheiser scherzt, sie könnte eine Glaskugel brauchen, um in die Zukunft zu schauen; Marcus Stiegler erklärt: "Wir hängen a bisserl in den Seilen." Die Leiterin der Volkshochschule (VHS) Wolfratshausen und ihr Tölzer Kollege klagen nicht zuvörderst über den pandemiebedingten Rückgang der Teilnehmenden, sondern mehr über die Unsicherheiten, durch die sie ihre Einrichtungen manövrieren müssen. Die derzeit geltende 2-G-plus-Regelung für Bewegungskurse, so Hohnheiser, würde zwar Öffnungen für Geboosterte erlauben, aber den Impfstatus zu kontrollieren, sei für die Kursleitenden aufgrund der vielen verschiedenen Möglichkeiten sehr schwierig. Sie macht das mit diesen Worten anschaulich: "Geimpft-geimpft-geimpft, geimpft-geimpft-genesen, genesen-geimpft-geimpft, geimpft mit Johnson&Johnson und so weiter, wie lange wird der Genesenen-Status gelten?" Und dabei müsse man auch noch den Datenschutz wahren.

Die Geretsrieder VHS-Leiterin Beate Ruda gibt sich zuversichtlich. "Mit der fortgesetzten Bereitschaft der Teilnehmenden und Dozent*innen, alle Regeln zu beachten und geduldig mit uns zusammenzuarbeiten, werden wir auch das Frühjahrs- und Sommersemester gut meistern." Geretsried ist allerdings im Gegensatz zu den beiden anderen Volkshochschulen nicht in freier, sondern in kommunaler Trägerschaft, das heißt, die Stadt finanziert sie. Dennoch sagt Ruda, die Jahre 2020 und 2021 hätten "auch bei uns Spuren hinterlassen", sie spricht von Einnahme-Einbußen von mehr als 50 Prozent.

Bad Tölz und Wolfratshausen konnten die Corona-Krise bisher nur dank staatlichen Hilfen überstehen - wie lange das so weitergeht, ist ungewiss. In beiden Einrichtungen sind laut deren Leitern etwa zwei Drittel der Teilnehmenden ausgeblieben. Es werden zwar viele Kurse online statt in Präsenz angeboten. Aber, so Stiegler, die Akzeptanz dafür sei nicht so groß. "Die Leute wollen einfach lieber Präsenz-Veranstaltungen." Sie wollten raus, im Kurs auf andere Menschen treffen und danach vielleicht auch noch einen Ratsch halten.

Konkret hatte Bad Tölz im Jahr 2019 - vor der Pandemie - 6218 Teilnehmende; im vergangenen Jahr nur 2760. In Wolfratshausen haben sich außerdem etwa 30 von gut 90 Kursleitenden zurückgezogen; Bad Tölz hat ebenfalls ein Drittel verloren, wenn auch manche nur befristet bis nach der Pandemie. In beiden Städten gibt es Dozentinnen und Dozenten, welche die VHS-Einnahmen als sicheres Einkommen brauchen, was bei den wegen Corona schwankenden Situationen nicht zu gewährleisten ist. Manche hätten ohnehin kurz davor gestanden, altersbedingt aufzuhören, und hätten dies nun früher getan. Und dann gebe es auch einige, die sich die Zusatzbelastung der Impfstatus-Kontrollen nicht auch noch aufladen wollten.

In Wolfratshausen geht das neue Semesterprogramm an diesem Mittwoch online und wird per Anzeigenblatt verteilt. Bis dahin konnte Hohnheiser erst 850 Vor-Anmeldungen registrieren: "Nur gut die Hälfte vom normalen Umfang." Sie hoffe nun, dass bis Mitte Februar bei den insgesamt 220 Kursen (statt sonst 270) doch noch 1200 Anmeldungen zusammenkommen. Die VHS-Leiterin ist froh und dankbar, dass die Stadt ihren Jahreszuschuss von 50 000 Euro trotz eigener Finanznot wieder gewährt hat: "Da ist uns ein großer Stein vom Herzen gefallen." Was die staatlichen Notfallzuschüsse angeht, sehen sich die Volkshochschulen in einem Dilemma. Einerseits versuchen sie, sicherheitshalber möglichst viele Kurse online anzubieten. Andererseits nehmen damit die staatlichen Hilfen ab, die lediglich für Fixkosten wie Mieten gewährt werden. Hohnheiser bringt die Gesamtsituation auf diesen Punkt: "Wir sind auf jeden Euro angewiesen."

Die VHS Geretsried hat bis Montag 253 Anmeldungen verzeichnet. "Das ist weniger als sonst, allerdings wird unser Programmheft für das kommende Semester auch erst nächste Woche verteilt", erklärt Ruda. Es werde 193 Veranstaltungen geben, 35 weniger als sonst. Etwa 70 Prozent davon könnten von Präsenz- zu Online-Unterricht wechseln oder würden nur noch online angeboten.

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Quelle:
SZ vom 19.01.2022
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