Faschingsumzug in Bichl:Von Klimaaktivisten und Sylt-Reisenden

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"Lützi beschützi sonst gibt's was aufs Mützi" - ob sich dieser Bichler Umzugswagen mit dem Protest gegen Lützerath solidarisiert? (Foto: Manfred Neubauer)

In Bichl ziehen am Sonntag die Narren durch die Straßen. Und erzählen vom Bedürfnis, über die weltpolitische Schieflage zu lachen.

Von Veronika Ellecosta, Bichl

Über Bichl hängen am Sonntagmittag schwere Wolken, aber Regentropfen gibt es nicht. "Mit dem Wetter haben wir bis jetzt immer Massel gehabt", sagt Benedikt Deiser. An der Kreuzung Sindelsdorfer und Heimgartenstraße wartet er wie andere Cowboys, Aerobiktrainerinnen und Almöhis darauf, dass der große Faschingsumzug losgeht, mit dem die Bichler seit Jahrzehnten ihre helle Freude haben. Er selbst ist dezent kostümiert: Ein Cowboyhut und ein silberner Stern an der Jacke müssen reichen für einen, der diesen Umzug seit acht Jahren und heuer zum letzten Mal als Sheriff leitet. Um ihn herum bringen sich die Umzugswägen in Stellung, die Alte Garde mit Lockenwicklern und Blumenschürzen übt noch einmal ihre Performance. Lasziver Hüftschwung, einmal um den Gehstock drehen, lachen.

Von wegen alt: Die "Oide Garde" geht bei ihrer Performance ganz schön in die Knie. (Foto: Manfred Neubauer)

Eine Gruppe Leoparden - dem Kostüm zum Trotz kommen sie aus Bichl und Umland - ist wie jedes Jahr im Publikum. "Weil der Bichler Fasching der beste ist." Wie sie es finden, dass er nach zwei Jahren endlich wieder stattfinden darf? "Supergeil." Dann schwenkt der Clown an der Kreuzung die Vereinsfahne - das Startsignal. Er taumelt ein bisschen, denn die Fahne ist neu und sie ist vor allem schwer. Aber der Clown hält sich wacker, was sicher auch den wohlwollenden Zurufen des Publikums zu verdanken ist, das sich seitlich an den Hofwänden zusammendrängt. Alles ist ein großes Tohuwabohu aus DJ Ötzi, Bruce Springsteen und dem Tuckern der Traktoren, die die Umzugswägen gemächlich durch Bichl ziehen.

Die Leoparden sind Stammgäste beim Bichler Faschingsumzug. (Foto: Manfred Neubauer)

Ganz vorne fährt die Garde in einer Champagnerflasche und schmeißt Bonbons und Konfetti. Kinderclowns und -hexen, und auch eine Ikea-Einkaufstasche sammeln die Naturalien hektisch ein. Was die Bichler und Bichlerinnen in diesem Jahr umtreibt, davon erzählen die sorgfältig gestalteten Wägen: eine Gruppe Windräder trippelt vor einem Wagen her, wo eine Skifahrerin in Shorts und Hawaiihemd wegen Schneemangels eine Kunstrasenpiste hinunterrast. Punks umkreisen den Westerland-Wagen, auf dem die Brunnenfigur der dicken Wilhelmine sitzt und strahlt. Sie sind mit dem Neun-Euro-Ticket nach Sylt gereist. Weiter vorne wirbt ein Scheich für Gas aus den arabischen Emiraten, ein Jogger versucht in einem überdimensionalen Laufrad lieber selbst, grüne Energie herzustellen.

Von Sylt nach Bichl: Die Punks umringen die Brunnenfigur der dicken Wilhelmine. (Foto: Manfred Neubauer)

"Greta, bittschön komm herunter"

Klima- und Energiekrise dominieren den heurigen Bichler Fasching und werden von unterschiedlichsten Seiten aufgegriffen - mit dem starken Bedürfnis, in diesen ernsten Zeiten auch unernst zu sein. So auch die Räumung von Lützerath: "Greta, bittschön komm herunter", ruft ein Polizist einem Mann in Zöpfchen und gelbem Regenmantel auf einem Baumhaus zu. "Stoppt den Kohleabbau", schreit ein anderer junger Aktivist und hängt sich wie ein Stuntman im Klettergurt an den Kohlebagger der RWE. Bis das Einsatzkommando ihn runterholt und auf ihn einknüppelt. Ein paar Wagen dahinter spottet man über die Aktivisten der Letzten Generation. "Wer nichts kann und wer nichts ist, wird Klimaaktivist" steht auf einem Schild.

Der Klimaaktivist hat sich an den Kohlebagger vom Kohlekonzern- RWE gekettet. (Foto: Manfred Neubauer)

Die Debatte über politische Korrektheit darf in Bayern selbstverständlich auch nicht fehlen. Blackfacing ist am Start und die von der Das-wird-man-wohl-noch-sagen-dürfen-Fraktion zum Hit erkorene "Layla". "Aber am diskriminierendsten ist das Wort Beira. Weil das mag niemand sein", erklärt ein afrikanischer Großwildjäger mit entwaffnender Selbstironie. Auch dem angriffslustigen balzenden Auerhahn Franz Josef von der Lenggrieser Hütte wird ein Wagen gewidmet. Geduckt schleicht er sich an die Menschen heran. Der eine oder die andere weicht unsicher zurück. Manche Reaktion basiert womöglich auf Erfahrung.

Ob er wieder zurück bei der Lenggrieser Hütte ist, darüber wird derzeit gerätselt. Beim Bichler Umzug hat der balzende Auerhahn Franz Josef sich jedenfalls blicken lassen. (Foto: Manfred Neubauer)

Am Ende des Zugs fängt es doch an zu regnen. Den Närrinnen und Narren in Bichl ist das egal. Sie haben zwei Jahre auf ihren Fasching gewartet, das Wetter hält hier niemanden auf.

Nicht nur in Bichl bereiten sich die Maschkera aufs närrische Treiben vor. (Foto: Manfred Neubauer)
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