Besuch :Das Engagement der jungen Generation

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16 junge Erwachsene aus Bosnien-Herzegowina waren auf Einladung von Jugendförderverein, Jugendsiedlung und Rotary Club zu Besuch in Wolfratshausen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Bosnisch-herzegowinische Jugendliche tauschen sich im Rathaus Wolfratshausen über Jugendarbeit und Chancen aus

Von Paul Schäufele, Wolfratshausen

Im Zentrum des Textes der Nationalhymne Bosnien-Herzegowinas stehen die Naturschönheiten des Landes: klare Bäche, hohe Berge, blaues Meer. Doch gesungen wird sie nicht. Zu zerstritten ist das junge Land, das in seiner heutigen Form erst seit dem Abkommen von Dayton 1995 existiert. Die Folgen des jahrelangen Krieges sind bis heute spürbar. Unter anderem darüber sprach am Donnerstag eine Gruppe bosnisch-herzegowinischer Jugendlicher aus allen Landesteilen mit dem Bürgermeister von Wolfratshausen, Klaus Heilinglechner (Bürgervereinigung).

Der Kontakt zwischen Jugendförderverein, der Jugendsiedlung Hochland, dem Rotary Club Wolfratshausen-Isartal und jungen Leuten aus Bosnien-Herzegowina, die sich in der Jugendarbeit engagieren, besteht seit elf Jahren. Ziel des diesjährigen Besuchs in Wolfratshausen war, der Gruppe, bestehend aus 16 jungen Erwachsenen im Alter von 17 bis 28 Jahren, zu vermitteln, wie Jugendarbeit in Deutschland funktioniert. Denn auf die Jugendlichen komme es an beim (Wieder-)Aufbau eines Landes, das Potenzial habe, aber aufgrund diverser politischer und religiöser Konflikte brach liege. So äußerte sich Karl-Friedrich Leimklef vom Rotary Club und fügte an die Jugendlichen gewendet hinzu: "Es kommt darauf an, das Denken in Blöcken abzulegen."

Auch deswegen laden die Rotarier stets bewusst Vertreter der drei großen ethnischen (und religiösen) Gruppen ein: muslimische Bosniaken, orthodoxe Serben und katholische Kroaten. Im Wolfratshauser Sitzungssaal saßen sie gemeinsam am runden Tisch und konnten über die Situation ihres Landes sprechen, darüber, wie sie es verbessern wollen und was eine erfolgreiche Jugendarbeit dazu beitragen kann.

Das größte Problem sah Ranka Kazimirović, Leiterin der Jugendgruppe, in der Jugendarbeitslosigkeit - in Bosnien-Herzegowina liege sie derzeit deutlich über der 50-Prozentpunkte-Marke. Dies führe dazu, dass ein großer Teil der gut ausgebildeten Jugendlichen das Land verlasse, was eine Stabilisierung der wirtschaftlichen Lage unmöglich mache. Andere Diskussionsteilnehmer sahen ein grundlegenderes Problem im undurchsichtigen politischen System: Ein aus zwei Gliedstaaten und einem ihm unterstellten Distrikt bestehender Staat mit einem dreiköpfigen Staatspräsidium, rund 150 Minister, zehn Kantone in der Föderation. Der Verwaltungsapparat habe enorme Ausmaße und schrecke ausländische Investoren ab, sich in Bosnien niederzulassen. Ein Gesprächsteilnehmer aus Sarajevo schilderte, welche bürokratischen Hürden er überwinden musste, um sein Startup auf die Beine zu stellen. Ohne den festen Willen, seinem Land zu helfen, hätte er das nicht gekonnt, erklärte er. Diese Entschlossenheit möchte er weitergeben.

So führte das Gespräch vom eigentlichen Thema der Jugendarbeit zu allgemeinen Fragen der Wirtschafts- und Europa-Politik. Bislang gilt Bosnien-Herzegowina nur als möglicher Beitrittskandidat in die Europäische Union. Auf ihre Weise möchte die Gruppe jedoch dazu beitragen, das zu ändern. Heilinglechner räumte ein, dass seine Handlungsmöglichkeiten als Kleinstadt-Bürgermeister begrenzt seien. Er zeigte sich aber zuversichtlich, dass das Land im Südosten Europas vom Engagement der jüngeren Generation profitieren werde.

© SZ vom 13.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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