Berufsschule Bad Tölz:Kunst auf Zeit

Kunstaktion Berufsschule

Aktionskünstler (von links): Ajdin Causevic, Ladislav Lovrinovic-Jaric, Aldin Dzanovic, Jamschid Jalal Zada, Sevdije Thaqi, Klaudija Saynovic, Nadalija Udovicic, Aydoan Naum, Lehrerin Claudia Roth, Kunstlehrer Peter Fick, Rektor Franz Hampel und Lehrerin Katherina Schwedt.

(Foto: Manfred Neubauer)

300 junge Leute gestalten den Flachbau der Bildungseinrichtung

Von Benjamin Engel

Schulen vermitteln im besten Fall mehr als reines Fachwissen. Dafür steht der Satz "Nicht nur die kaufmännische Ausbildung ist von Bedeutung, sondern auch die geistige!" an der Ostfassade des Flachbaus der Staatlichen Berufsschule Bad Tölz-Wolfratshausen exemplarisch. Für ein Kunstprojekt haben sich Jugendliche mit der Historie des 63 Jahre alten Gebäudes auseinandergesetzt. In den Wochen nach Pfingsten haben sie die Außenmauern des Hauses gegenüber der Aula mit passenden Motiven bemalt. In Fotografien und Filmaufnahmen haben sie ihre Arbeit bildlich festgehalten. So wollen sie die Geschichte des Flachbaus dokumentieren, der zum Schuljahresende abgerissen werden soll.

An der Fassade des Hauses an der Tölzer Gudrunstraße sind nun eine Arzthelferin und menschliche Organe wie die Lunge oder das Herz zu sehen. Motive zeigen, wie ein Frosch seziert wird. Ein Traktor steht für die landwirtschaftlichen Berufe, die im Flachbau unterrichtet wurden.

Sevdije, Karolina, Natalija und Klaudija haben zwei Mädchen gemalt - eine mit und die andere ohne Kopftuch. Das solle symbolisieren, dass Religion nicht wichtig sei, erklären sie. "Wir sind alle gleich." Die 17 und 18 Jahre alten Bosnier Aldin und Ajdin aus der Berufsintegrationsklasse haben Bier, Brezen und die bayerische Fahne an die Fassade gemalt. "Uns gefällt die bayerische Kultur", sagen sie.

In der Berufsschule lernen junge Leute in Fachklassen während ihrer Ausbildung. Dort besuchen aber auch junge Asylbewerber und Flüchtlinge Berufsintegrationsklassen oder junge Menschen ohne Ausbildung das Berufsgrundschuljahr. Alle diese Schüler der Bildungseinrichtung mit ihren individuellen Lebensgeschichten zusammenzubringen, war für Peter Fick, Projekt- und Fachbereichsleiter für Religion und Ethik, wichtig. "Die jungen Leute sollen ihr ganzes Potenzial entwickeln", beschreibt er die Intention der Kunstaktion. "Der Prozess ist wichtig und die Idee, dass das Leben Veränderung bedeutet."

Um die 300 Schüler haben sich laut Fick an der Kunstaktion beteiligt. Im Frühjahr habe alles mit der Idee für eine Ausstellung unter dem Motto "Berufsschule kreativ" begonnen, schildert er. Das habe sich immer mehr entwickelt. Schüler hätten ihre Bilder und Werke aufgehängt. Daraus habe sich das Konzept für das jetzige Kunstprojekt entwickelt. "Die Jugendlichen sollten dem Gebäude Leben einhauchen", sagt Fick. Mit dem Tölzer Künstler Florian Hüttner haben die jungen Leute Ideen für Motive entwickelt und umgesetzt.

Generationen von Auszubildenden für medizinische bis landwirtschaftliche Berufe haben in dem 1956 errichteten Flachbau gelernt. Der heutige Schulleiter Franz Hampel erinnert sich, dass er dort im Jahr 1982 seine praktische Gesellenprüfung gemacht hat. Derzeit besuchten 1900 junge Leute die Berufsschule, sagt er. Gerade über solche kreativen Projekte könnten sich die Schüler mit der Bildungseinrichtung identifizieren. Diese verbindende Wirkung sei wichtig. Denn in der Berufsschule sei die "Herzensbildung" entscheidend. Die Bildungseinrichtung wolle die ganzheitliche Persönlichkeitsbildung und das Denken in Zusammenhängen fördern.

Das Amt für Jugend und Familie an der Tölzer Kreisbehörde hat die aktuelle Kunstaktion finanziell gefördert. Wie Fick erläutert, setze die Schule damit ihre Reihe von Projekten mit dem Ziel der Begegnung fort - darunter solche mit Tanz, Gesang und vielem mehr. Ganz wichtig sei es besonders für die jungen Leute in den Berufsintegrationsklassen, mit anderen zu kommunizieren, um sich besser zu integrieren. Auch wenn der kreativ gestaltete Flachbau im August abgerissen werde, bedeutet das für den Fachbereichsleiter Fick nicht das Ende. "Wir dokumentieren das Verschwinden für die nächste Generation."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: