Schneefelder können schnell lebensgefährlich werden, wenn Wanderer in Herbst und Frühling auf Bergwegen hineingeraten. Allein rund um Ostern waren drei Menschen an der Zugspitze sowie im Karwendel tödlich abgestürzt, als sie auf nassem Untergrund ausrutschten. Für diesen Winter warnen darum Bergwacht, Alpenverein und Polizei die Freizeitsportler davor, in den Bergen zu sorglos und unvorbereitet unterwegs zu sein. "Der Winter in den Bergen ist nicht der Sommer in Weiß", sagt Bergwacht-Sprecher Roland Ampenberger.
Um in riskante Situationen zu geraten, reichen oft die ersten niedrigeren Temperaturen aus. Während es im Tal noch grün bleibt, kann der Schnee in höheren Lagen schon liegen bleiben. Das zeigt ein glimpflich ausgegangener Einsatz der Lenggrieser Bergwacht am letzten Novemberwochenende des heurigen Jahres beispielhaft.
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Zwei Mountainbiker gerieten unterhalb des Hirschtalsattels zwischen Seekarkreuz und Fockenstein in tiefen Schnee - und kamen nicht mehr weiter. Die beiden Nürnberger hatten ihre Tour von Garmisch-Partenkirchen nach Tegernsee mit Hilfe einer Internet-App geplant, ohne Angaben zur Schneelage am Berg zu haben, so die Bergwacht Lenggries. Ohne genügende Schutzkleidung unterkühlten die Freizeitsportler schnell und alarmierten die Rettungskräfte. Vier Mitglieder der Lenggrieser Bergwacht mussten auf dem Weg sogar Schneeketten anlegen, um zu den beiden jungen Männern zu gelangen. Beide blieben unverletzt und wurden zu einem Hotel im Tal gebracht.
Die Bergwacht muss zwar immer noch am häufigsten im Sommer ausrücken, zwei Drittel der Einsätze betreffen in Not geratene Wanderer. Doch immer mehr von ihnen seien im Winter in den Bergen unterwegs, auch, weil zunehmend zu wenig Schnee liege, um Skifahren zu können. Die Freizeitsportler dürften die besonderen alpinen Gefahren der kalten Jahreszeit nicht unterschätzen, mahnt Roland Ampenberger: Es werde früher dunkel. Im Schnee könnten Wegmarkierungen oft nicht zu erkennen sein. Zusätzlich kämen die Lawinengefahr und das Risiko, auf eisigen Wegen auszurutschen ins Spiel. Vergangene Saison seien vier Menschen im Freistaat durch Lawinen umgekommen, zwei davon Wanderer.
Wanderungen, die im Sommer einfach erscheinen, könnten im Winter zu anspruchsvollen Unternehmungen werden, warnt auch Maximilian Maier vom Polizeipräsidium Oberbayern Süd. Manche Wanderer seien für die alpine Bergwelt nicht angemessen ausgerüstet. Andere agierten leichtsinnig, folgten stur den Routenvorgaben ihrer für die Tour verwendeten Online-App oder gingen selbst bei ungünstigem Wetter los.
Wer sich verschätzt, gerät schnell in die Dunkelheit
Generell zu spät am Tag aufzubrechen, zählt Horst Stahl zu den klassischen Fehlern von Freizeitsportlern. Vor allem im Hochwinter dämmere es bereits früh am Nachmittag, so der Bereitschaftsleiter der Tölzer Bergwacht. Wer sich verschätze, könne auf seiner Tour leicht in die Dunkelheit geraten. Unbedingt sollten Freizeitsportler im Winter daher eine Stirnlampe mitnehmen. Am besten sei es, früh genug loszugehen, so Stahl. "Dann kann ich die Wanderung richtig genießen."
Wichtig sei es generell, sich vor der geplanten Tour bereits Gedanken zu machen. "Am besten suche ich mir einen Berg aus, auf dem ich schon im Sommer war", rät Stahl. Schließlich sollte sich niemand nur blind von einer App leiten lassen. Im Zweifelsfall empfiehlt Stahl, besser umzukehren, wenn die Bedingungen ungünstig seien. Zur Ausrüstung im Winter gehörten für Wanderer gute Bergschuhe mit Gamaschen, um nicht an den Füßen nass zu werden. Der Bereitschaftsleiter der Tölzer Bergwacht zählt zur Grundausstattung ebenso Grödeln - Steigeisen für besseren Halt zum Unterschnallen an die Schuhe.
Ratsam ist aus Sicht der Retter auch eine Lawinenausrüstung mit Verschüttetensuchgerät, Schaufel und Sonde . In jedem Fall brauchen Winterwanderer laut Lina Feile von der Lenggrieser Bergwacht trockene Kleidung zum Wechseln. Wer aufsteige, komme ins Schwitzen, friere dann am Gipfel und beim Abstieg in der feucht geworden Kleidung. Um sich aufzuwärmen, sei auch eine Thermoskanne mit heißem Tee im Rucksack empfehlenswert. Genauso wie ihr Tölzer Kollege rät die Sprecherin der Lenggrieser Bergwacht, im Ernstfall lieber vor dem Gipfel umzukehren.
Die hiesigen Bergwachten sind im Winter auch auf den Skipisten, etwa am Brauneck stark gefordert. Von 15 Einsätzen an den zwei Tagen des Eröffnungswochenendes im vergangenen Dezember berichten allein die Lenggrieser Einsatzkräfte in ihrer Jahresbilanz - von Knieverletzungen, Brüchen bis zum Herzinfarkt und Tod eines Skitourengehers. In dieser Saison waren es am vergangenen Wochenende elf Einsätze. Die Wolfratshauser Bergwacht, die ebenso wie die Lenggrieser, Tölzer sowie Münchner Einsatzkräfte am Brauneck zur Skisaison im Einsatz sind, musste zu Jahresbeginn mehr als 40 Mal und damit außergewöhnlich oft ausrücken. Von vergleichsweise minimal ansteigenden Einsatzzahlen spricht dagegen die Lenggrieser Bergwacht-Sprecherin Feile.
Zwischen Mai und Oktober mussten die Einsatzkräfte laut Bergwacht Bayern aber weniger häufig als im Vorjahr bei Notfällen helfen. In dem Zeitraum seien auch weniger Menschen tödlich verunglückt - 57 statt 85 wie im Jahr 2021, so Sprecher Ampenberger. Das erklärt er sich mit dem verregneten Herbst und auch damit, dass womöglich wieder mehr Menschen außerhalb Deutschlands in Urlaub fahren würden als zu Hochzeiten der Pandemie. Damit die Einsatzkräfte noch besser helfen können, wirbt die Wolfratshauser Bergwacht um Spenden. Denn nur damit sei es möglich, zusätzliche individuell angepasste Ausrüstung abseits der Basisausstattung anzuschaffen, heißt es im Jahresbericht. Etwa einen Defibrillator für die Diensthütte in der Pupplinger Au bei Wolfratshausen, Stirnlampen oder Schneeschuhe.