Benefizkonzert nach Ickinger Inferno:Der Klang von Hoffnung und Hilfe

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Nach dem verheerenden Großbrand in Icking legt der Geretsrieder Musiker Willi Sommerwerk in der Isartalgemeinde einen bewegenden Auftritt zugunsten der Opfer hin. Die rund 100 begeisterten Gäste spenden mehr als 2200 Euro.

Von Benjamin Emonts, Icking

Zwei Tote, ein schwer Verletzter und ein geschätzter Sachschaden in Höhe von mehreren 100 000 Euro waren die Bilanz des verheerenden Brandes der Reithalle in Icking in der Nacht zum 23. Juli. Die genaue Brandursache ist bislang ungeklärt. (Foto: Manfred_Neubauer)

Mehr als 100 Bürger sind am Freitag in die evangelische Auferstehungskirche in Icking gekommen, um Willi Sommerwerk zuzuhören. Der Geretsrieder Musiker singt an diesem Abend Lieder von Reinhard Mey - die vom Leben, der Liebe, der Freundschaft und dem Tod handeln. Sommerwerk widmet sein Konzert den Opfern der Brandkatastrophe in Icking, die sich am 23. Juli nachts ereignet hat. Zwei Männer kamen bei dem Großfeuer ums Leben, ein weiterer wurde schwer verletzt. Am Ende des Abends spielt das Benefizkonzert Spenden in Höhe von über 2200 Euro für die Überlebenden des Feuers ein.

Die schrecklichen Ereignisse der Brandnacht wirken in der Gemeinde immer noch nach. Das Feuer war zu nächtlicher Stunde in dem ehemaligen Reiterhof am Isarweg ausgebrochen, in dem seit Jahren überwiegend Sozialhilfeempfänger lebten. Einer von ihnen, der 63- jährige Rudi Hontke, ist am Freitagabend mit auf dem Konzert. Er wirkt in sich gekehrt, nachdenklich, gleichzeitig aber auch gerührt von Sommerwerks Auftritt. Hontke erzählt, wie er noch einmal zurück in das brennende Haus rannte, um einem Bewohner das Leben zu retten. Der schwer verletzte 74-Jährige konnte von Sanitätern wiederbelebt werden. Für zwei weitere Männer, 60 und 78 Jahre alt, kam jedoch jede Hilfe zu spät. Zu rasch hatte sich der Brand ausgebreitet, aus immer noch ungeklärter Ursache. Die Retter mussten zurückweichen, als es zu einer Durchzündung der Anlage kam, die beiden Rentner verbrannten bis zur Unkenntlichkeit. "Das war die Hölle", wiederholt Hontke am Freitag immer wieder. "Die Tage danach habe ich nur noch Flammen gesehen, immer wenn ich die Augen geschlossen habe."

Das Wenige, das er besaß, hat er in jener Nacht verloren. Er und fünf weitere Bewohner, die sich bei dem Brand leicht verletzt hatten, wurden über Nacht obdachlos. "Leute, die ohnehin schon nichts haben, stehen jetzt vor dem Garnichts", sagt Sommerwerk. Die Ickinger Bürger leisteten nach der Katastrophe spontan Hilfe. Die katholische Kirche stellte zweien der Opfer eine Unterkunft zur Verfügung. Rudi Hontke bekam von der Gemeinde einen Wohnanhänger. Bürgermeisterin Margit Menrad (UBI) sucht aktuell noch nach einer "dauerhaften Lösung", wie sie sagt, um die Männer langfristig unterzubringen.

Dem Geretsrieder Liedermacher Willi Sommerwerk gingen die tragischen Ereignisse sehr nahe, sagt er. Ohne lange nachzudenken, bot er sich auf Facebook für ein Benefizkonzert an, wie er es im Januar dieses Jahres schon einmal nach dem Brand in der Silvesternacht in Geretsried gemacht hatte. Nach seinem Facebook-Post meldete sich die Geretsriederin Myriam Kalipke bei ihm und bot an, das Konzert und eine Tombola zu organisieren. Bei Geschäftsleuten aus der Umgebung sammelte sie Preise für die Tombola im Wert von über 2000 Euro ein, darunter einen Segelflug und eine Bootstour. Der Kulturverein Isar Loisach veranstaltete das Konzert.

Spenden, Tombola und Erlöse aus dem Essens- und Getränkeverkauf bringen insgesamt mehr als 2200 Euro ein, die Bürgermeisterin Menrad an diesem Montag an die Opfer verteilt. Sie sei stolz auf ihre Gemeinde, betont sie. Die Menschen im Ort hätten ganz viel bewundernswerte Unterstützung nach dem Brand geleistet, einige hätten spontan einen Schlafplatz angeboten, andere sammelten mehrere 1000 Euro. "In außergewöhnlichen Situationen lernt man die Leute anders kennen. Da schlummert viel Hilfe im Verborgenen, die dann plötzlich hervorkommt", sagt sie.

Willi Sommerwerk singt Lieder seines Idols Reinhard Mey, um die Überlebenden der Brandkatastrophe in Icking zu unterstützen. (Foto: Manfred_Neubauer)

Das zeigt sich auch am Freitagabend. Viele Ickinger wollen spenden. Konrad Sedlmeyer und seine Frau Gisela kannten eines der Todesopfer. "Wir wollen einfach ein bisschen mithelfen", erklären sie. Die 16-jährige Kathi Feirer wohnt in unmittelbarer Nachbarschaft der abgebrannten Reithalle und wurde damals geweckt, als ihr Bruder für die Feuerwehr alarmiert wurde. Sie sah die Flammen und hörte die Explosionen, ohne etwas tun zu können. Für die Einsatzkräfte kochte sie nachts Kaffee. Sie wolle ihre Bekannten nun unterstützen, sagt sie. Irene von Manstein verehrt Reinhard Mey, wie sie erzählt, in Berlin sei sie mit dem Liedermacher sozusagen groß geworden. "Das ist eine wunderbare Aktion. So spontan ein Konzert aufzuziehen, das hat mich sehr bewegt", sagt sie und lobt Musiker Sommerwerk. Der Eigentümer der Reithalle, der Unternehmer Johann Abfalter, nimmt an dem Benefizkonzert nicht teil. Dem warmherzigen Auftritt von Willi Sommerwerk aber kann das nichts anhaben. Er hat Rudi Hontke und den anderen Überlebenden hoffentlich wieder ein Stück weit Perspektive gegeben.

© SZ vom 13.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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