Süddeutsche Zeitung

Benefiz fürs Badehaus:Das Annamirl

Abend über Oskar Maria Grafs Tochter

Von Felicitas Amler, Wolfratshausen

Ein ganzes Jahr im Gedenken an Oskar Maria Graf anlässlich dessen 50. Todestags und nichts über seine Tochter? Das könne ja wohl nicht sein, findet die Ickinger Historikerin und Journalistin Sybille Krafft. So packt sie denn ihren eigenen Film über die 2008 gestorbene Annemarie Koch-Graf aus ("Das einzige Filmporträt, das es über sie gibt"), lädt den Eurasburger Kabarettisten Claus Steigenberger und "Zither-Manä" Manfred Zick aus Waakirchen dazu ein, und fertig ist ein Abend über den großen bayerischen Literaten und seine Tochter "Annamirl". Die Veranstaltung ist Teil des Kulturfestivals Pipapo des Kulturvereins Isar-Loisach (KIL) und hat doch eine sehr eigene Note: Es ist ein Benefizabend zugunsten der Dokumentations- und Begegnungsstätte Badehaus Waldram-Föhrenwald. Und das erste Benefiz für dieses bürgerschaftlich getragene zeitgeschichtliche Projekt, das direkt im restaurierten Gebäude in Waldram stattfinden kann.

Oskar Maria Graf passe "ganz wunderbar" zum Badehaus, sagt Krafft - Steigenberger stimmt zu. Graf sei "ein kritischer Geist" gewesen. Und das Thema Heimatverlust habe für ihn, der vor den Nazis in die USA floh, genauso Bedeutung gehabt wie für jene Menschen, derer im Badehaus gedacht wird: Die jüdischen Displaced Persons (DP), Holocaust-Überlebende, die nach dem Zweiten Weltkrieg in der ehemaligen NS-Rüstungsarbeitersiedlung Föhrenwald eine Heimat auf Zeit fanden; und die katholischen Heimatvertriebenen, die nach Auflösung des DP-Lagers 1956 dort den Stadtteil Waldram aufbauten. Steigenberger sagt, er habe für seine Lesung Texte ausgewählt, die Grafs "verschiedene Heimaten" beleuchten: Berg, München, dort die Boheme, Amerika. Der Zither-Manä wiederum sagt, er sei ein großer Verehrer Grafs, "seit ich denken kann". Und im Anders-Sein fühle er sich dem Schriftsteller verwandt: Als er in den Achtzigerjahren zum ersten Mal Rock 'n' Roll auf der Zither gespielt habe, da sei er geradezu verdammt worden.

"Kindheit in Berg. Die Graf-Tochter erzählt" heißt Kraffts 45-minütige Dokumentation. Annamirl wird am 13. Juni 1918 in München geboren. Sie ist das einzige Kind des Schriftstellers, wächst aber nicht bei ihren Eltern auf - der Vater ist mit dem politischen Umbruch in der Landeshauptstadt beschäftigt, die Mutter leidet an Asthma. So kommt das Kind zur Großmutter Therese Graf nach Berg. Die Tochter habe nicht nur äußerlich eine verblüffende Ähnlichkeit mit ihrem Vater, konstatiert der Bayerische Rundfunk zum Erscheinen des Porträts vor 13 Jahren, "sie hat auch sein Talent zum Geschichtenerzählen geerbt". Krafft besuchte für den Film gemeinsam mit Annemarie Koch-Graf die Schauplätze der Kinder- und Jugendzeit von Vater und Tochter. Die Filmemacherin sagt über die Porträtierte, sie sei "unheimlich geradeaus, schnörkellos und im besten Wortsinn bayerisch-bodenständig mit viel Humor und Lebenslust" gewesen. Krafft und Steigenberger haben schon im Erscheinungsjahr des Films und ein paarmal noch danach gemeinsame Abende über Vater und Tochter Graf gestaltet. Der Zither-Manä ist zum ersten Mal dabei. Alle sind gespannt, wie gut die Resonanz sein wird - 99 Plätze dürfen im Badehaus besetzt werden. Falls der Andrang größer sein sollte, müsste über eine Wiederholung nachgedacht werden.

"Oskar Maria Graf und seine Tochter", Sonntag, 19. November, 19 Uhr (Einlass und Büffet 18 Uhr), Badehaus, Kolpingplatz, Wolfratshausen-Waldram, Karten zu 14 Euro unter gitti@hinterhalt.de

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Quelle:
SZ vom 11.11.2017
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