Benediktbeuern:"Warum denn wegfahren?"

Pater Karl Geißinger braucht keine Urlaubsreisen. Der Rektor des Zentrums für Umwelt und Kultur im Kloster findet Ruhe da, wo das Oberland noch wild ist.

Von Ingrid Hügenell

Benediktbeuern: Pater Karl Geißinger streift in seiner freien Zeit gerne durch die Gärten des Klosters.

Pater Karl Geißinger streift in seiner freien Zeit gerne durch die Gärten des Klosters.

(Foto: Manfred_Neubauer)

Frühmorgens durch den Obstgarten des Klosters streifen - das ist für Pater Karl Geißinger ein wunderbares Urlaubserlebnis. Um 5.30 Uhr entdeckt er Wildbienen, die schon auf der Suche nach Nektar sind. Er bewundert die Vielfalt der Gehäuseschnecken, die um diese Zeit noch eifrig umherkriechen. "Das finde ich faszinierend", sagt der Salesianerpater. Alles begleitet vom Morgengesang der Vögel. Ausschlafen ist keine Annehmlichkeit, die Geißinger braucht. Dass die Morgenmesse im Kloster mittlerweile erst um 8 Uhr beginnt, findet er recht angenehm, wenn auch nicht unbedingt positiv.

Im Urlaub wegzufahren, auch das ist für den Rektor des Zentrums für Umwelt und Kultur (ZUK) kein Bedürfnis. Keine Termine haben und Zeit, um durch die Gärten des Klosters oder die Wälder der Vorberge zu streifen, in der wunderbaren Landschaft rund um Benediktbeuern, das ist für ihn Erholung. "Urlaub ist, wenn man die Zeit selbst bestimmen kann und nicht der Terminkalender vorgibt, was man macht." Auf die hohen Gipfel zieht es ihn nicht, eher in die naturnahen Bergwälder, zu den Stellen, an denen das Oberland noch wild ist. Zum Windpässel oder Zwiesel, ins Längental geht es. An der Glaswandscharte etwa gebe es wunderschöne seltene Vogelarten wie den Wanderfalken, schwärmt Geißinger. Sogar den Mauerläufer hat er dort schon entdeckt, einen Alpenvogel, der an Felswänden lebt.

Diese Touren unternimmt der 62-Jährige allein. "Ich wüsste niemanden, den man mitnehmen könnte, und das ist mir auch ganz recht." Trubel hat er als Rektor des ZUK genug: Schulklassen, Besuchergruppen, Seminare kommen regelmäßig hierher, und natürlich muss der ganze Betrieb auch organisiert und koordiniert werden. Dafür hat Geißinger einen Mitarbeiter-Stab, und eine ganze Reihe von Ehrenamtlichen helfen auch mit, etwa die ZUK-Senioren. Es gilt, Kontakt zu halten zu Geldgebern, Genehmigungsbehörden und allerlei Gremien, politischen wie kirchlichen.

Die Ruhe in den Bergwäldern bildet für ihn den Gegenpol dazu, die intensive Begegnung mit der Natur. Fest eingeplant ist für den Sommer auch eine Regentour - wenn das Wetter mitspielt. Dann zieht Geißinger seinen Regenponcho über und wandert irgendein Flusstal hinauf, in der Hoffnung, Feuersalamandern zu begegnen oder ihren schwarzen Verwandten, den Alpensalamandern.

Eine ähnliche Tour macht Geißinger auch mit den jungen Leuten, die Mitte August ins ZUK kommen, um hier ein Freiwilliges Soziales oder Ökologisches Jahr zu leisten. Mit ihnen geht er ins hinterste Lainbachtal, zur Schmidlaine. Kein Weg führt in diese tiefe Schlucht. Ohne Zelt und ohne Handy verbringen die junge Leute und der Pater dort eine Nacht. Ein Erlebnis für alle.

So gerne Geißinger alleine ist in der Natur, so gerne zeigt er sie auch her. Um Verständnis zu wecken, um für ihren Schutz zu werben. Nicht umsonst war er seit 1995 im ZUK unter anderem für die Jugendbilddung zuständig und baute die Umweltjugendbildungsstätte mit auf. Auch die Erwachsenenbildung ist ihm ein Anliegen. Deshalb nimmt er Urlaubsgäste gerne mit, wenn er nach den Fledermäusen schaut, oder stellt im Maierhof eine Schwarzlichtlampe auf, die Nachtfalter magisch anzieht. "Das ist ein Schauspiel! Grell bunt sind die oft", berichtet er, und sie faszinieren die Gäste.

Seine Liebe zur Natur hat Geißinger, der 1951 in Aalen geboren wurde, ebenfalls als Kind entdeckt - unter anderem beim Verspeisen von Regenwürmern als Mutprobe. Weiter entwickelt hat er sie nicht zuletzt, als er als junger Ordensmann für eine Ordensschwester die Pflege der Radieschensaat übernahm. Dabei jätete er allerdings die Radieschen und ließ die Distelsämlinge stehen, was ein Versehen und nicht im Sinne der Schwester war.

Gleich nach dem Abitur war Geißinger den Salesianern beigetreten. Er studierte zunächst Sozialpädagogik an der Katholischen Stiftungsfachhochschule in Benediktbeuern, anschließend Theologie und Philosophie in Regensburg und Benediktbeuern und schließlich noch Ökologie und Umweltethik in Wien. Seit 2001 leitet Geißinger das Zentrum für Umwelt und Kultur. In Urlaub fährt er schon immer wieder. Dieses Jahr war er im Juni einige Tage an der Mecklenburgischen Seenplatte. Dort gibt es unter anderem Kraniche zu beobachten. "Aber ganz ehrlich - warum sollte man denn von hier wegfahren?", fragt der Pater und deutet mit einer weiten Handbewegung auf den Kräutergarten, die Basilika im Hintergrund und in die Richtung, in der die Benediktenwand liegt. Obwohl - vielleicht mal auf die Malediven? "Das muss eine ganz andere Welt sein." Oder in den tropischen Regenwald? Um zu sehen, wie die Blattschneiderameisen, die im Kloster ein großes Schaubiotop haben, wirklich leben. Interessant wäre das schon. "Aber es müssen sich nicht alle Träume erfüllen.'

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