Originale Trachtengewänder:Gestrickte "Beinhosen" und andere Raritäten

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Bei der Geschenkübergabe: der Garmischer Landrat Anton Speer, Sammlungsleiterin Lea Sophie Rodenberg, Bezirksrat Thomas Schwarzenberger, Bezirkstagspräsident Josef Mederer, Constanze Werner, Leiterin des Museums Werdenfels, und Alexander Karl Wandinger, Leiter des Zentrums für Trachtengewand. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Das Museum Werdenfels im Landkreis Garmisch-Partenkirchen schenkt dem Trachtenzentrum Benediktbeuern 260 wertvolle Exponate.

Von Petra Schneider

Die Frauenmode in Oberbayern im 19. Jahrhundert war nicht unbedingt casual: Ein mit Pappe, Leder oder Metallteilen verstärkter Miederstecker wurde unter das geschnürte Oberteil geschoben, darunter ein ärmelloses Jäckchen, das über einem Hemd getragen wurde. "Kleidung früher war spürbarer", erklärt der Leiter des Zentrums für Trachtengewand, Alexander Karl Wandinger. Die Mieder hatten Metallhäkchen zum Schnüren und waren oft kunstvoll aus Resten zusammengestückelt, weil die Seidenstoffe, die nicht selten aus Lyon oder Venedig kamen, teuer waren. Das Zentrum für Trachtengewand des Bezirks Oberbayern, das seinen Sitz in den Räumen der früheren Fachberatung Heimatpflege im Kloster Benediktbeuern hat, beherbergt eine einzigartige Sammlung von rund 20.000 originalen Trachtengewändern und Accessoires aus drei Jahrhunderten. Durch eine Schenkung des Museums Werdenfels im Landkreis Garmisch-Partenkirchen vergrößert sich dieser Fundus nun um etwa 260 Exponate.

"Die Kultur des Werdenfelser Landes ist einzigartig in Oberbayern", sagte Bezirkstagspräsident Josef Mederer beim Pressetermin am Freitag. Mit der Schenkung würden die Exponate nun auf einen Standort konzentriert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Sie sollen digitalisiert und in einer Online-Präsentation gezeigt und erklärt werden, die voraussichtlich vom Jahr 2030 an zur Verfügung steht. Außerdem werde es temporäre Ausstellungen im Benediktbeurer Trachtenzentrum geben, sagt Wandinger. Sammlung, Forschung und die Weitergabe der alten Handwerkstechniken in Seminaren - das seien die drei Schwerpunkte des Zentrums. Derzeit werde das Depot um einen Raum erweitert.

Ein Schnürmieder aus Seide und Leder, das aus der Zeit um 1760 stammt. (Foto: Harry Wolfsbauer)
"Loferl" mit typischem Rautenmuster. (Foto: Harry Wolfsbauer)
Auch ein Miederstecker gehört zu den Geschenken. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Dass das Werdenfelser Museum den allergrößten Teil seiner wertvollen Trachtensammlung dem Benediktbeurer Zentrum überlässt, hat pragmatische Gründe: Es fehle an Platz und klimatisierten Räumen, die für den Erhalt der fragilen Kulturgüter nötig seien, erklärt Leiterin Constanze Werner. Ganz leicht sei diese Entscheidung nicht gefallen. "Aber es geht nicht um Besitz, sondern darum, unser kulturelles Erbe zu bewahren." Außerdem handle es sich um eine Schenkung "innerhalb der kommunalen Familie". Die wertvollen Exponate verblieben in Oberbayern, betont auch der Garmischer Landrat Anton Speer. Das Museum Werdenfels beherbergt eine heterogene Sammlung aus Kunst, Kultur und Handwerk - anders als das Zentrum für Trachtengewand, das sich ausschließlich auf regionale Kleidung und Accessoires spezialisiert hat. Entsprechend groß ist in Benediktbeuern die Kompetenz in Sachen Lagerung und Konservierung historischer Textilien.

Die Gewänder aus der Schenkung würden nun gesäubert, fotografiert, inventarisiert und in säurefreien Kartons liegend verpackt. "Denn wenn die Kleidung hängt, besteht die Gefahr, dass die Stoffe reißen", erklärt die Kostümhistorikerin Lea Rodenberg, die die Sammlung leitet. Die neu hinzugekommenen Exponate seien so etwas wie "das textile Gedächtnis des Werdenfelser Landes über 250 Jahre", so Wandinger. In der Garmischer Region habe man ein ganz eigenes, womöglich eigensinniges Selbstverständnis. Denn im bäuerlichen Bereich seien hier bis ins 20. Jahrhundert Modelle getragen worden, die anderswo längst verschwunden waren.

Die beim Pressetermin exemplarisch ausgelegten Stücke geben bereits einen Eindruck von der Kunstfertigkeit des Handwerks. Ein seidenes Mieder aus der Zeit um 1750 etwa, das bestens erhalten ist. Filigran gearbeitet mit lachsfarbener Blumenstickerei, schmaler Borte und beigen Lederfransen an den Seiten. Oder die gestrickten "Beinhosen" mit grün-weißem Rautenmuster. Eine "archaische Bekleidungsform" aus dem 18. Jahrhundert", wie Wandinger erklärt, die im Tölzer Land "Loferl", im Isartal "Heislan" und im Loisachtal "Pfousn" heißt. Oder eine hirschlederne Kniebundhose aus der Zeit um 1850, die ganz im Biedermeierstil bis unter die Brust reichte und mit Knöpfen und Bändern an den Beinen versehen wurde - ein Modell, von dem es vielleicht noch fünf Exemplare gebe.

Dirndlkleider sind übrigens nicht unter den Exponaten. Enganliegendes Oberteil mit Rock und Schürze - das seien einfache Arbeitsgewänder gewesen, erklärt Wandinger. Erst ab etwa 1910 habe diese Kombination als "Dirndl" Eingang in die Trachtenmode gefunden.

Infos unter www.zentrum-trachtengewand.de

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