Süddeutsche Zeitung

Nach der Corona-Pause:Rückkehr auf den Campus

Die Katholische Stiftungshochschule will im nahenden Wintersemester wieder in Präsenz unterrichten. Das studentische Leben kommt deshalb geballt nach Benediktbeuern zurück. Das stellt den kleinen Ort allerdings auch vor einige Probleme.

Von Veronica Bezold

Drei Hochschulsemester sind vergangen, seitdem Corona unseren Alltag erzwungenermaßen entschleunigt hat. Besonders getroffen hat das diejenigen, deren Leben zuvor noch voll in Bewegung gewesen ist: die jungen Leute an den Universitäten. Mehr als 200 Vorlesungstage haben viele Studierende nun schon zu Hause vor ihren Computern verbracht - und nicht gemeinsam im Hörsaal. Keine Mensa, kein Campus, alles verwaist. Nicht anders war es an der Katholischen Stiftungshochschule für Sozialberufe in Benediktbeuern.

"Ich habe kein einziges Präsenzsemester erlebt", erzählt Madita Rausch, "ich habe bisher ausschließlich Online-Vorlesungen gehabt." Die 20-Jährige studiert in Benediktbeuern im dritten Semester Soziale Arbeit und Religionspädagogik. Sie hat bisher noch kein voll besetztes Audimax erlebt und konnte keine der großen Studierendenpartys auf dem Hochschulgelände besuchen - alle abgesagt.

Im Wohnheim teilt sich Rausch ihr Zimmer mit einer Kommilitonin. Auch hier war die Pandemie zu spüren. Eigentlich gebe es einen Gemeinschaftsraum mit Bierstüberl, erzählt die Studentin. "Früher waren hier wohl ständig Partys oder man kam einfach zum Quatschen zusammen", sagt sie. Während Corona war dieser Raum aber gesperrt, genauso wie der Fitnessraum und das Zimmer, wo man sich zu Filmabenden getroffen hat. "Wir durften nur noch die gemeinsame Küche benutzen", sagt Rausch - und man hört ihr die Enttäuschung darüber deutlich an. "Wir Erstsemester hatten es am Anfang sehr schwer, Leute kennenzulernen, die uns bei Fragen oder Problemen rund ums Studium helfen konnten."

Rauschs Kommilitonin Charlotte Jablowsky kennt noch eine Studienzeit ohne Pandemie. "Vor Corona gab es eigentlich jeden Tag Veranstaltungen für die Studierenden hier auf dem Campus", erzählt sie. Die Hochschule habe getan, was möglich war, um die Angebote in die virtuelle Welt zu verlegen. "Aber wenn man sowieso schon den ganzen Tag vor dem Computer sitzt, dann möchte man nicht auch noch seine Freizeit davor verbringen", so die 24-Jährige. Auch sie studiert Soziale Arbeit, allerdings schon im neunten Semester. Jablowsky lebt in einer kleinen Wohnung in der Nähe der Hochschule in Benediktbeuern und engagiert sich beim Allgemeinen studentischen Ausschuss (Asta) der Hochschule, der sich für die Interessen der Studierenden einsetzt. "Ich habe vor allem die gemeinschaftliche Atmosphäre in den Vorlesungen vermisst", sagt Jablowsky. "Man konnte sich ja nicht einmal danach treffen, um über den Stoff zu sprechen. Das hat den Lernprozess wirklich erschwert."

Der 29-jährige Markus Schatt ist ebenfalls im dritten Semester, war bis jetzt aber kaum in Benediktbeuern: "Ich habe mein Zimmer hier auf dem Hochschulgelände schon seit Oktober vergangenen Jahres, bin jedoch erst seit zwei Monaten hier", sagt Schatt. Und weil die Hochschule zum kommenden Semester so langsam wieder in den Regelbetrieb übergehen möchte, ist er da nicht der einzige. Auf dem örtlichen Wohnungsmarkt gibt es deshalb einen regelrechten Studentenstau. "Es ist schwer, hier als Student eine Bleibe zu finden", weiß Charlotte Jablowsky aus eigener Erfahrung. Die Wohnungen seien entweder zu teuer, für eine Person zu groß oder schlicht nicht vorhanden. Die Tatsache, dass vor allem viele der Studienanfänger während der Pandemie zu Hause bei ihren Eltern gewohnt und dort an der Online-Lehre teilgenommen haben, verschärfe das Wohnungsproblem in Benediktbeuern zusätzlich. "Aktuell sind alle Erstsemester, alle, die bis jetzt zu Hause bei ihren Eltern gelebt haben und jeder, der aus einem Praxissemester zurückkommt, auf Wohnungssuche", erklärt Madita Rausch. "Die Plätze sind jetzt schon begrenzt. Wir sind eben ein Dorf", sagt sie.

Auch Sarah Schmatz ist auf Wohnungssuche. Die 20-Jährige studiert im dritten Semester und ist heute zum allerersten Mal auf dem Campus. Sie hat sich eine Liste mit Wohnmöglichkeiten geben lassen, welche die Hochschule zusammengestellt hat. Doch die lasse zu wünschen übrig, so Schmatz. "Nur sechs davon kommen für mich infrage, falls ich da überhaupt irgendwo unterkomme", sagt sie. Denn alle seien ziemlich teuer, sie habe aber auch kein Auto, sei für den Weg zur Hochschule also aufs Fahrrad und die öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen. Tägliches Pendeln sei also auch nichts, das sei auf Dauer zu anstrengend.

"Ich bin mir sicher, dass ungefähr ein Drittel der Studierenden zum kommenden Semester keine Wohnung finden wird", prognostiziert Charlotte Jablowsky von der Studierendenvertretung. Eine Befürchtung, die man bei der Kolping-Stiftung in Augsburg, die ein Wohnheim in Benediktbeuern betreibt, nicht so einfach zerstreuen kann. Karola Lechner von der Kolping-Stiftung verzeichnet in jüngster Zeit deutlich mehr Bewerbungen auf Wohnheimplätze als während der vorangegangenen Semester. "Wir haben in unserem Wohnheim in Benediktbeuern insgesamt 50 Plätze zu vergeben.", sagt sie. Bereits jetzt seien alle davon für das kommende Semester belegt. Ein Anbau für das Wohnheim sei jedoch geplant.

Dem Bürgermeister von Benediktbeuern ist das Wohnraumproblem unter Studierenden durchaus bekannt. "Der Wohnraum ist insgesamt knapp", räumt Anton Ortlieb (Bürgervereinigung) ein. "Derzeit werden einige Gebäude, die zuvor relativ günstig vermietet wurden, saniert", erklärt er. "Und mit jeder dieser Sanierungen fällt studentischer Wohnraum weg." Auch Ortlieb verweist deshalb auf die geplante Erweiterung des Wohnheims. Die Planung stehe aber noch am Anfang: Grundsätzlich sei eine Erweiterung um drei Gebäude vorgesehen. "Es gibt allerdings Bedenken bei den Anliegern", sagt der Bürgermeister. Dort befürchte man Parkplatzprobleme rund um das erweiterte Wohnheim. Es sei deshalb auch noch kein Plan eingereicht worden. "Aber da sind wir dran", versichert Ortlieb.

Während die Wohnungssuche also derzeit einigen Benediktbeurer Studierenden Kopfzerbrechen bereitet, sind Madita Rausch, Charlotte Jablowsky, Markus Schatt und Sarah Schmatz mit der Online-Lehre der Hochschule während der Pandemie sehr zufrieden. "Ich habe von vielen Unis gehört, die den Studierenden ausschließlich aufgezeichnete Vorlesungen zur Verfügung stellen", erzählt Rausch. "Unsere Dozenten dagegen waren per Zoom immer erreichbar." Die Hochschulleitung habe wirklich versucht, den Studierenden die schwere Zeit so angenehm wie möglich zu machen, sagt Jablowsky.

Auch das neue Konzept der Hochschule für das nahende Wintersemester halten die vier Studierenden für sinnvoll. Die Leitung der Hochschule hat drei verschiedene Lehrmodelle entwickelt, die vom aktuellen Infektionsgeschehen abhängen, den Studierenden aber viele Präsenzkurse ermöglichen sollen. Die sogenannte Stufe 1 sieht weitgehend in Präsenz auf dem Campus abgehaltene Lehrveranstaltungen vor, "Stufe 2" ist ein hybrides Konzept, bei dem zwischen Online-Vorlesungen und Präsenzkursen gewechselt wird. Bei "Stufe 3" sollen die Studierenden hauptsächlich online unterrichtet werden. "Uns als Hochschulleitung und insbesondere den Verantwortlichen vor Ort war keine Anstrengung zu viel, um den Studierenden die Rückkehr auf den Campus zu ermöglichen", sagt Birgit Schaufler, Vizepräsidentin für Studium und Lehre an der Katholischen Stiftungshochschule in Benediktbeuern. Man habe zusätzliche Räumlichkeiten angemietet und Lüftungsgeräte sowie CO₂-Messgeräte beschafft. "Wir können den Studierenden mit unserem Konzept größtmögliche Präsenz und maximalen Schutz bieten", versichert sie.

Madita Rausch und Charlotte Jablowsky blicken optimistisch auf das neue Semester. "Ich freue mich unfassbar auf meinen ersten Mensabesuch, auf die Partys und auf meine erste richtige Vorlesung im Audimax", sagt Rausch. Manchmal habe sie sich überhaupt nicht wie eine richtige Studentin gefühlt, wenn sie allein in ihrem Zimmer vor dem PC gesessen habe. "Es ist alles einfach so an einem vorbeigezogen", pflichtet Jablowsky ihr bei. "Ich freue mich darauf, endlich wieder die ganzen Leute zu sehen." Die Studentin im neunten Semester will unbedingt dabei helfen, die einst so beliebten Partys, zum Beispiel den Schwarz-Weiß-Ball, wieder genauso schön zu gestalten wie vor der Pandemie. "Ich weiß ja, wie toll die Veranstaltungen hier mal waren."

Sarah Schmatz fühlt sich - trotz erstem Besuch auf dem Campus und andauernder Wohnungssuche - bereits in Benediktbeuern zu Hause: "Ich wollte ursprünglich nach München, wurde dann aber nur hier angenommen. Aber als ich auf der Autobahn die Aussicht genossen habe, war es um mich geschehen. Ich musste die ganze Zeit grinsen."

Auch die Benediktbeurer scheinen sich auf die Rückkehr der Studierenden zu freuen. So zum Beispiel Ottilie Leopoldsberger, genannt "Otti". In ihrem Eis- und Cafégarten saßen die jungen Leute vor Corona gerne bei Kaffee und einem Stück selbstgemachtem Kuchen zusammen. "Während der vergangenen Semester waren viel weniger Studenten hier bei mir", stellt die Betreiberin fest. "So viele nette Kontakte sind dadurch weggefallen", so Leopoldsberger. "Ich habe die jungen Leute so unglaublich gerne um mich."

Den Studierenden, der Hochschulleitung und der Gemeinde Benediktbeuern bleibt nur das Hoffen auf niedrige Infektionszahlen. Vielleicht heißt es dann tatsächlich bald wieder "Mia gehn zur Otti!". Freilich erst, nachdem man im vollbesetzten Audimax den Dozierenden gelauscht und sich dabei schon auf die nächste Party gefreut hat.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5387429
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 21.08.2021/kml
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.