In einem Containerdorf in Benediktbeuern werden 80 Asylbewerber und Geflüchtete einquartiert. Während in anderen Kommunen entsprechende Bauanträge fast standardmäßig abgelehnt werden, Anwohner klagen und sich Bürgerinitiativen gründen, ist die Stimmung im Klosterdorf entspannt. Ein Gespräch mit Rudi Mühlhans, Sozialpädagoge und Mitglied im Benediktbeurer Helferkreis, über Zuversicht und Pragmatismus.
SZ: „Miteinander packen wir das schon“, das haben Sie kürzlich in einem Pressegespräch zur geplanten Containerunterkunft erklärt.
Rudi Mühlhans: Ich finde es wichtig, Zuversicht zu verbreiten. Es gibt so viele positive Beispiele, über die niemand spricht. Damit könnte man rechtsradikalen Positionen am ehesten den Wind aus den Segeln nehmen: Indem wir klar machen, dass wir von Flüchtlingen profitieren, die Arbeiten übernehmen, etwa in der Pflege oder im Handwerk, für die wir kein Personal finden. Deshalb ist es so wichtig, dass die Menschen bei uns eine gute Ausbildung bekommen. Egal ob jemand hier bleibt oder das Wissen in seiner Heimat anwenden kann, wenn er zurückgeht. Es gibt so viel Herzlichkeit und den Willen, es hier zu schaffen, das haben wir in den vergangenen zehn Jahren erlebt.
Warum läuft es in Benediktbeuern gut?
Vielleicht liegt es an der hohen Dichte von Sozialpädagogen (lacht). Nein, im Ernst, ich glaube, dass das Kloster eine Strahlkraft entfaltet, die die Atmosphäre im Dorf prägt. Die Offenheit und Weltzugewandtheit, für die die Salesianer stehen. Dass sich bei uns im Dorf der Helferkreis nie aufgelöst hat, ist wichtig. Außerdem gibt es in Benediktbeuern viele Menschen, die selbst noch nicht so lange hier sind, etwa im Umfeld der Firma Roche oder Studierende. Die kennen das Gefühl, fremd zu sein, und engagieren sich in Ehrenämtern, um Kontakte zu knüpfen.
Ist diese positive Grundstimmung im Dorf Wunsch oder tatsächlich Wirklichkeit?
Der Gemeinderat hat die Containerunterkunft positiv aufgenommen, auch bei den Kirchen und im Helferkreis ist die Stimmung gut. Aber ich weiß auch, dass es Verunsicherung bei Anliegern und Nachbarn gibt. Eine „Mia san mia“-Haltung. Wir wollen zeigen, dass gemeinsam viel möglich ist.
Mit dieser Einstellung gilt man nicht selten als naiver Gutmensch
Das ist mir immer noch lieber als ein „Schlechtmensch“. Ich bin Humanist mit stark christlicher Prägung. Über diesen moralischen Kompass bin ich sehr froh.

Können Sie Ängste verstehen?
Ja, das kann ich nachvollziehen. Furcht und Angst entstehen dann, wenn etwas fremd ist. Mit persönlichen Begegnungen kann ich diese Unsicherheiten abbauen. Man kann fremdenfeindliche Ansichten haben und trotzdem den Ali mögen, weil man ihn kennt. Die meisten Menschen kommen aus einer Notlage zu uns, nicht aus Abenteuerlust. Wie die junge Mutter, die mit ihren drei Kindern, das jüngste war damals ein Jahr, aus Eritrea geflohen ist, weil ihr Mann nicht mehr vom Militärzwangsdienst nach Hause gekommen ist. Was mit ihm passiert ist, weiß sie nicht. Sie war mit den Kindern fünf Jahre im Sudan, um sich das Geld für die Fahrt über das Mittelmeer zu verdienen. Das sind schlimme Schicksale, und es sind Menschen, die zu uns kommen. Wer sich willkommen fühlt, bringt sich stärker ein und zieht sich nicht zurück.
Aber die Kommunen fühlen sich zunehmend überfordert.
Ich weiß nicht, ob uns Jammern weiterbringt. Die Menschen kommen und sie werden weiter kommen, weil mit der Klimakrise noch andere Fluchtursachen dazu gekommen sind, für die wir im Übrigen mitverantwortlich sind. Natürlich gibt es Probleme, wie die Wohnungsnot, die eine Neiddebatte auslösen. Da gibt es nur einen einzigen Weg: Mehr Wohnungen bauen.
Was würden Sie sich noch wünschen?
Dass sich viele Helfer finden. Auch, wenn man nicht die gesamte Integrationsarbeit auf Ehrenamtliche abwälzen kann. Lenggries zum Beispiel hat eine Asylkoordinatorin eingestellt. Das ist ein Zeichen der Gemeinde: Wir nehmen die Aufgabe an und lassen die Ehrenamtlichen nicht alleine. In Benediktbeuern haben wir heuer auch Gelder für eine solche Stelle bereitgestellt. Die Begeisterung im Gemeinderat war überschaubar, aber die Mehrheit hat zugestimmt. Außerdem brauchen die Helferkreise Spenden. Für ein gemeinsames Abendessen oder für Supervision, weil sich die Ehrenamtlichen auch mit traumatisierten Menschen auseinandersetzen müssen.
Das bayerische Kabinett hat kürzlich beschlossen, aus finanziellen Gründen angemietete Wohnungen für Geflüchtete zu kündigen und mehr in großen Gemeinschaftsunterkünften unterzubringen, wie dies ja nun auch in Benediktbeuern geschieht. Wie sehen Sie das?
Ich halte die Linie des Freistaats nicht für richtig. Je größer die Unterkünfte, umso weniger Individualität und Privatsphäre, umso mehr Konfliktpotenzial. Das wäre auch so, wenn sie 80 Deutsche in eine solche Einrichtung stecken würden. Eine dezentrale Unterbringung wäre mir lieber, aber es fehlen einfach Wohnungen.
In Bairawies, einem Dorf mit 280 Einwohnern, sollen 128 Menschen in einer Containeranlage untergebracht werden. Es gibt massiven Widerstand und die Sorge, dass der kleine Ort daran zerbricht. Würden Sie den Bairawiesern auch mehr Zuversicht wünschen?
Es gibt bundesweit Beispiele, wo das auch mit so einem zahlenmäßigen Verhältnis funktioniert.
Sie meinen das Dorf Seeth in Schleswig -Holstein mit 700 Einwohnern, wo in einer ehemaligen Kaserne knapp 800 Geflüchtete untergebracht wurden. Die Gemeinde hat Strukturen aufgebaut, um die Menschen in der Unterkunft zu halten und zu beschäftigen: eine Kita, ein Frauencafé, Freizeitangebote für Jugendliche und Kinder, einen Radverleih, Bastel- und Nähkurse.
Das ist sicher ein sinnvoller Ansatz. In der Unterkunft bei uns ist, soweit ich gehört habe, nur ein Beratungsraum geplant. Wir brauchen aber Räume für Sprachkurse und Spielflächen für Kinder. Das muss noch geklärt werden. Auch Vereine, wie Fußball oder Feuerwehr, leisten einen guten Dienst bei der Integration. Wir haben vor neun Jahren einen Infoabend mit den Vereinen gemacht, damit die Geflüchteten wissen, was es hier überhaupt gibt und wo sie mitmachen können. Vieles läuft gut, das sollten wir mehr sehen.