Süddeutsche Zeitung

Benediktbeuern:Auf und ab, hoch und tief - wie das Leben

Der erfolgreiche Bergläufer und Skibergsteiger Toni Lautenbacher vergleicht seine Passion mit den Anforderungen des Alltags

Von Arnold Zimprich, Benediktbeuern

Elke Lautenbacher bittet lachend zu Tisch - Käsespätzle mit Frittatensuppe, dazu Salat, zum Nachtisch ein Stück Kuchen. Herzlich geht es bei Lautenbachers in ihrem alten Bauernhaus aus dem 18. Jahrhundert in der Benediktbeurer Dorfstraße zu. Sohn Toni, 28, setzt sich dazu, hat Arbeitsbekleidung an, kommt "vo de Henna", den 700 Hühnern, mit denen die Lautenbachers nebenher Geld verdienen.

Der schlanke, junge Mann sieht sich in erster Linie jedoch nicht als Hühnerfarmer oder Konditor - immerhin sein erlernter Beruf -, sondern als Sportler. Er ist Deutscher Meister, im Berglauf wie im Skibergsteigen. Der Kader ist klein. "Im Nationalkader Skibergsteigen sind wir zu sechst", sagt Lautenbacher. Ob man da leicht reinkommt? "Ich bin über die Bundeswehr reingerutscht. Nach der Lehre habe ich in Mittenwald beim Hochzug meinen Wehrdienst abgeleistet." Seit 2014 ist Lautenbacher bei der Bundeswehr angestellt: "Anders könnte man den Rennalltag gar nicht bewerkstelligen." Rund 600 Stunden Training pro Jahr seien notwendig, um die Form zu halten.

Wie fühlt sich das an, in einer Nischensportart wie dem Skibergsteigen und Berglaufen zu den besten Deutschlands zu gehören? "Uns geht es relativ gut", sagt Lautenbacher über den Nationalkader. Um die Sponsoren kümmert sich der Deutsche Alpenverein (DAV), unter dessen Ägide das Team auftritt, die Bezahlung läuft über die Bundeswehr. "Einzelne Sponsoren treten auch an mich heran", sagt Lautenbacher, zum Beispiel der italienische Ski- und Bergschuhhersteller Scarpa. Doch der junge Mann hat auch Wünsche: "Ich fände es schön, wenn speziell beim Skibergsteigen mehr Nachwuchs nachkäme." Die meisten seiner Kollegen sind Quereinsteiger. "Immerhin gibt es bei uns inzwischen eine Gruppe von 15- bis 20-jährigen Nachwuchstalenten, die an den Sport herangeführt werden."

Woher kommt seine Faszination für die Berge? "Das ist zum einen mein Wohnort. Benediktbeuern liegt am Fuße der Benediktenwand. Zudem haben mich meine Eltern schon früh mitgenommen", sagt der erfolgreiche Sportler. Mutter und Vater sind beide begeisterte Langläufer. "So konnte ich auf Volksläufen wie dem König-Ludwig-Lauf in Oberammergau schon früh Rennluft schnuppern", erinnert sich der Sohn. "Ursprünglich komme ich vom Langlaufen her." Im Alter von zwölf bis 15 Jahren war Lautenbacher in der Langlaufabteilung des Bayerischen Skiverbands (BSV) aktiv, nahm an bayerischen und deutschen Meisterschaften teil.

Danach folgte die Lehre zum Konditorgesellen, gleich vis-à-vis dem Elternhaus im Café der Bäckerei Lugauer. "In der Zeit habe ich nicht so viel mit Sport am Hut gehabt. Aber der Körper merkt sich eben alles", sagt er. Braucht Lauterbacher einen Trainings- und Ernährungsplan? "Ich ernähr mich gsund", antwortet er beim Espresso. Mutter Elke wirft ein: "Also, wo du 2016 die Deutsche Meisterschaft im Berglaufen geholt hast, da hast scho sehr aufs Essen gschaut."

Woher die Fitness kommt, merkt man auch beim Blick auf die durchtrainierten Eltern. "Wir haben früher keine großen Urlaube machen können", räumt Vater Stefan Lauterbacher, 54, ein. "Wir hatten hier eine Landwirtschaft im Haus." Es waren also keineswegs die Berge in der Ferne, die den Sohn zum extremen Bergsport lockten, es müssen Loisachtal und Isarwinkel gewesen sein. "Richtung Windpässel bin ich oft unterwegs", sagt er, "dazu fahre ich oft über die Nigglalm rüber Richtung Isartal und dann über den Zwiesel wieder zurück."

Die Berge vor seiner Haustür sind Anreiz und Herausforderung zugleich. Sich immer wieder Ziele setzen und diese auch konsequent verfolgen - das ist es, was Toni Lautenbacher dabei antreibt. "Stillstand bedeutet Rückschritt", sagt der Sportler, den in den vergangenen beiden Jahren eine Fußverletzung zurückgeworfen hat. "Da kommst manchmal schon ins Grübeln, ob das alles Sinn hat, was du so machst." Doch die Familie und Freundin Rosi stehen voll hinter ihm.

Was den Leistungsdruck angeht, ist Lautenbacher entspannt. "Druck mache ich mir eigentlich nicht", sagt er. "Ich merke unterwegs, wenn es gut läuft." Er trainiert trotzdem nach dem Plan, den sein Trainer vom LC Tölzer Land, seinem Laufclub, aufstellt. "Was ich allerdings schon merke, sind die Erwartungen von Seiten der Sponsoren." So müsse er sich beispielsweise auch über das Fotoportal Instagram vermarkten. "Der Sport ist für mich ein gutes Training für den Alltag", sagt Lautenbacher. "Das Auf und Ab, die Hochs und Tiefs, das ist eine gute Vorbereitung für das Leben." Auf 2020 freut er sich besonders. Da findet der Weltcup im Skibergsteigen das erste Mal auf deutschem Boden statt, in Berchtesgaden.

Zum Abschied erhalten Besucher bei den Lauterbachers Eier von der Hühnerfarm. Und den Eindruck, dass sie einen Vollblutsportler voller Tatendrang erlebt haben, dem die beste Zeit als Sportler trotz seiner bereits 28 Jahre womöglich noch bevorsteht.

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Quelle:
SZ vom 07.05.2019
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