Süddeutsche Zeitung

Bei der Pocci-Gesellschaft:Ein Graf und "der" Graf

Georg Unterholzner und Freunde gestalten eine Lesung mit Musik

Von Felicitas Amler, Wolfratshausen

Von Oskar Maria Graf gibt es eine deftige Satire auf die Nazis, dargeboten als "sonderbare, aber wahre Begebenheit aus dem heutigen München", geschrieben im Jahr 1934. Die Obsttandlerin Rosl echauffiert sich darin über das Arbeitsverbot für Händler während des Aufmarsches der Nazis zum Tag der Arbeit derartig, dass sie ihren Ärger mit Bier aus dem "Donisl" ertränken will. Sie schickt einen Kollegen los, ihr nötiges "Quantum" zu holen, und wiederholt ein ums andere Mal: "Drei Liter, Gustl, drei Liter!" - was bei schleifender Aussprache als "Heil Hitler" zu hören ist. Künftig erkennt man in München "die Antihitlerischen" an diesem vernuschelten Drei-Liter-Gruß.

Georg Unterholzner aus Dietramszell, der sich selbst als Krimiautor einen Namen gemacht hat, ist ein leidenschaftlicher Leser Oskar Maria Grafs (1894-1967). Und seit Neuestem auch ein Anhänger des sogenannten "Kasperlgrafen" Franz von Pocci (1807-1876). Aus der Begeisterung für beide ist nun eine Inszenierung entstanden: Unterholzner und Oliver Leeb lesen Graf und Pocci, Josef Bodo Kloiber und Martin Regnat spielen dazu auf Gitarre und Akkordeon. "Graf Pocci und der Graf" wird erstmals am Donnerstag, 29. Juli, von 19.30 Uhr an bei der Pocci-Gesellschaft im Bergkramerhof dargeboten.

Unterholzner ist mit der Pocci-Gesellschaft und deren Vorsitzendem Michael Köhle näher in Kontakt gekommen, als er auf deren Einladung sein "Grafical" ebenfalls mit Regnat und Kloiber präsentierte. Erst da sei er so recht auf Pocci aufmerksam geworden, erzählt er und zeigt sich begeistert von dem Multitalent. Pocci war ja nicht nur Schriftsteller, sondern auch Musiker und Komponist, Radierer und Zeichner. Und in einer von Poccis Kasperliaden ist Unterholzner auf etwas gestoßen, was er einen "Vorgriff auf die Nazis" nennt. Ein "Professor der Turnkunst" mit dem schönen Namen "Barrenreck" wird darin als wahrer Nationalist präsentiert ("Das war ein ächter deutscher Sturmsprung"). Turnen ist für ihn das "Heil der Gesundheit", was er mit einem vielfachen "Gut Heil!" unterstreicht.

Er wolle die Autoren einander gegenüberstellen. Beide seien ja mit dem Ostufer des Starnberger Sees verbunden, Pocci mit Residenz auf Schloss Ammerland, Graf gebürtig aus Berg. Der eine, der studierte Aristokrat, schreibe Kasperltheater; der andere, Bäckersohn mit sieben Jahren Volksschule, Weltliteratur. Und beide seien "auf so unterschiedliche Art und Weise Menschenfreunde" gewesen. Darin - und ein wenig auch in der Parallele der Karikaturen des "Heil"-Geschreis - sieht Unterholzner den Reiz des von ihm gestalteten Abends. Der werde lustig und unterhaltsam, aber "nicht zum Auf-die-Schenkel-Klopfen".

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SZ vom 27.07.2021
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