Süddeutsche Zeitung

Entscheid über die Huberwiese:Bürgermeisterin unter Beschuss

Der Gemeinderat legt den Bürgerentscheid über die Bebauung auf den 10. Juli. Danach erheben SPD, Grüne und Ickinger Initiative schwere Vorwürfe gegen Margit Menrad.

Von Claudia Koestler, Icking

Die Frage, ob die letzte innerörtliche Freifläche Ickings am Egartsteig - die sogenannte "Huberwiese" - von Bebauung freigehalten werden soll oder nicht, entscheiden jetzt die Bürger. Einstimmig beschlossen die Räte am Montag, dass das entsprechende Bürgerbegehren zulässig ist. Vormerken sollten sich die Ickinger Wahlberechtigten bereits Sonntag, 10. Juli: Dann findet der Bürgerentscheid statt.

Auch wenn der Beschluss über die Zulässigkeit des Bürgerentscheids ohne Diskussion gefasst wurde: Die Thematik hatte tiefe Risse in der gemeindlichen Politik verursacht. Diese gipfelten am Montag am Ende der Sitzung in einer heftigen Debatte über Politikverständnis, -stil und Art der Kommunikation.

Insbesondere Bürgermeisterin Margit Menrad (UBI) sah sich dabei schweren Vorwürfen ausgesetzt: Sie habe bei der Planung der Bebauung zu wenig zwischen Amt und Partei unterschieden und sich zudem jüngst im Ton vergriffen, kritisierte Christian Mielich (SPD/Grüne). "Dass Sie wiederholt, bislang nicht-öffentlich, jetzt auch öffentlich, so in die Vollen gehen, schadet Ihrem Amt." Aus seiner Sicht sei es "erschreckend falsch" gewesen, dass Menrad die Ickinger Initiative, die sich gegen die Bebauung ausspricht, in die Nähe eines Unrechtsstaates gerückt habe. Mielich bezog sich damit auf die jüngste Zuspitzung im Streit der unterschiedlichen politischen Gruppierungen um die Huberwiese. Dieser mündete in einer Spirale von schriftlichen Stellungnahmen, Pressekonferenzen und dem gegenseitigen Vorwurf, Tatsachen zu verdrehen.

Zuletzt hatte Menrad ein Schreiben verfasst, in dem es wörtlich heißt: "Die neueste Information der Ickinger Initiative offenbart in erschreckendem Umfang, wie altgediente und eigentlich erfahrene Gemeinderäte wie Frau Nipperdey und Herr Dr. Vogel mit Unwissen falsche Informationen verbreiten. Dies so eklatant, dass der Verdacht der bewussten Desinformation nahe liegt." Dass zuvor die Ickinger Initiative geschrieben hatte, sie setze sich dafür ein, "dass die Wiese so bleibt wie sie ist", kommentierte Menrad wiederum schriftlich so: "Dies mag ja in autoritären Staaten wie Nordkorea möglich sein, nicht aber in einem demokratischen Rechtsstaat wie der BRD." Die Ickinger Initiative gaukle etwas vor, "was rechtlich nicht machbar ist." Daraufhin hatte die Ickinger Initiative die Diskussion beantragt, weil Menrad damit zwei ihrer drei Räte "in schwerwiegender Weise" angreife. Unterschiedliche Meinungen von unterschiedlichen politischen Gruppierungen seien etwas anderes, sagte Vigdis Nipperdey, "als wenn eine Bürgermeisterin Räte herauspickt und ihnen die Qualifikation für das Amt abspricht".

Man sei, erklärte Mielich zur Debatte, offensichtlich "mitten im Wahlkampf: Bebauung Huberwiese ja oder nein." Doch Menrad habe sich seiner Meinung nach tatsächlich im Ton vergriffen: "Wenn Sie sich als Bürgermeisterin persönlich angegriffen fühlen, ist es okay, wenn Sie erwidern. Aber wer einen Blumenstock abkriegt, muss keine Palme hinterherwerfen." Er erwarte deshalb dringend "mehr Gefühl im Umgang".

Lisa Häberlein (Grüne/SPD) warf ihrerseits ein Licht auf eine grundsätzliche Problematik: "Bei der Huberwiese stehen sich zwei Fragen entgegen, weil der Kauf der Wiese an die Bebauung gekoppelt ist." In Icking sei es schon öfter vorgekommen, dass ein Beschluss Folgen hatte, die so zunächst nicht umrissen waren. "Scheibchenpolitik" nannte das Häberlein. Es widerspreche dem Gedanken von Offenheit in der Diskussion, "wenn vorab Weichen gestellt sind." Mielich befand, Menrad mache aus dem Gremium ein Parlament, "da ist nichts mehr mit Kollegialität". Er wünsche sich, "dass Sie einen anderen Weg" gehe. Die Rathauschefin entgegnete nur einen Satz: "Ich soll als öffentlicher Watschenmann dastehen." Darüber hinaus wollte sie die Vorwürfe nicht kommentieren: "Ich habe eine Meinung, Mielich hat eine andere."

Claudia Roederstein (UBI) war es, die letztlich die Umkehr aller forderte: "Wir müssen wieder vertrauensvoller miteinander umgehen und nicht permanent etwas unterstellen." Denken müsse in alle Richtungen erlaubt sein, "auch über die Huberwiese". Zuvor hatte auch schon die Ickinger Initiative für einen Schlussstrich und Neuanfang im Umgang plädiert, auch wenn man in Sachen Huberwiese und Auslegung der Vorgehensweise weiter anderer Meinung sei: "Wir sollten alle das Schreiben einstellen und den Ton mäßigen", forderte Alfred Vogel. Er machte den ersten Schritt: Die Ickinger Initiative würden keine Briefe mehr in Umlauf bringen, sagte er. Menrad selbst hoffte auf Nachfrage, dass das Verbalgewitter die Luft gereinigt habe und nun im Gremium wieder in die Zukunft geblickt werden könne - "gemeinsam".

Vor dem Bürgerentscheid zur Huberwiese am 10. Juli haben die Einwohner Ickings in der Bürgerversammlung Gelegenheit, sich zu allen gemeindlichen Themen zu äußern. Sie findet am Donnerstag, 21. April, von 19 Uhr an im Rathaus statt.

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SZ vom 20.04.2016
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