Bavarian Beats Festival:Neues aus dem bairischen Universum

Gudrun Mittermeier, Otto Schellinger und "Kofelgschroa" zeigen im Tölzer Kurhaus die große Bandbreite der hiesigen Musikszene.

Von Petra Schneider

Wie vielseitig und spannend die bayerische Musikszene ist, das konnte erleben, wer am Freitag zum zweiten Bavarian Beats Festival ins Tölzer Kurhaus gekommen ist. Da gab es schmissigen Pop auf Hochdeutsch von Otto Schellinger, düstere Rocksongs von Gudrun Mittermeier, die ursprünglich gar nicht bairisch, sondern englisch waren und die großartige Musik von Kofelgschroa, die sowieso aus einem anderen Universum stammt.

Gudrun Mittermeier

Gudrun Mittermeier, die sich nicht mehr "Somersault" nennt, entfaltet mit ihrer Musik einen psychedelischen Sog.

(Foto: Manfred Neubauer)

Das Kurhaus ist nur zu drei Viertel voll. Organisator Florian Rein freut sich trotzdem, "auch wenn wir heute Abend etwas lockerer besetzt sind." Den Anfang machen Otto Schellinger (Gitarre) und Chris Stoeger (Schlagzeug), die sich den Bassisten gespart haben, "weil der uns bloß die Groupies ausspannt". Schellinger bedient stattdessen einen Fußbass, singt und spielt dazu Gitarre. Überhaupt ist Schellinger, langjähriger Bassist bei Claudia Koreck, zuletzt Tourmusiker bei Mathias Kellner und seit 2014 solo unterwegs, ein heißer Tipp: Die Stücke seiner zweiten CD "Flaschensammler" sind flotte, gut gemachte Pop-Songs, mit mal ernsten, mal witzigen Texten über Alltagsbeobachtungen: Den Flaschensammler am Ostbahnhof, die Straßenmusiker, die das immer gleiche Lied spielen und denen Schellinger im temperamentvollen "Straßenmusik Tango" ein Denkmal setzt. Impressionen von einem Auftritt im Altenheim oder ein witziges Liebeslied für die Sportkommentatorin Sabine Töpperwien: ein schmissiger Ohrwurm, bei dem die Leute den Refrain mitsingen.

Otto Schellinger

Otto Schellinger verzichtet wegen der Groupies auf den Bassisten.

(Foto: Manfred Neubauer)

Nach der Umbaupause wird es auf der Bühne voller: Gudrun Mittermeier, die neuerdings nicht mehr unter ihrem Künstlernamen Somersault auftritt und auf ihrem aktuellen vierten Album "Mitternach" bairisch singt, hat eine Vier-Mann-Band mitgebracht: Allesamt Musiker aus der Mannheimer Szene, die es trotz diverser Staus pünktlich nach Tölz geschafft haben. Mit Keyboard, E-Gitarren, E-Bass und Schlagzeug, mit Hall und synthetischem Flirren hüllen sie das Kurhaus in bombastischen, oft düsteren Pop-Rock. Darüber legt sich die schwebende Kate-Bush-Stimme von Mittermeier. Die Musik entfaltet einen psychedelischen Sog, sie ist gleichzeitig schwerblütig und federleicht, fordernd und kathartisch. Die Texte handeln von Einsamkeit und Selbstentfremdung, vom Immer-wieder-Aufstehen und Weitermachen. Melancholische Texte, die man dieser freundlichen und gut gelaunten Sängerin nicht ohne weiteres zuordnen würde.

Florian Rein

Florian Rain freut sich auch über weniger Besucher.

(Foto: Manfred Neubauer)

Nach der Pause dann der Headliner Kofelgschroa. In kürzester Zeit haben die vier Volksmusik-Avantgardisten mit dem einsilbigen Charme Kultstatus errungen: Debütalbum im Jahr 2012, diverse Preise, ein Dokumentarfilm in den Kinos. Ihre Musik klingt schroff wie der Oberammergauer Hausberg Kofel: Dunkel und pulsierend dräut die Tuba in immergleichen Sequenzen, Akkordeon, Gitarre, Tenorhorn und teils mehrstimmiger Gesang legen sich darüber. Mantragleich kreisen und mäandern die Stücke in Endlosschleifen. Im Titelsong der aktuellen, dritten CD "Baaz" kommt auch ein ungewöhnliches Instrument zum Einsatz: eine elektronische Heimorgel aus dem Jahr 1963, gespielt von Maximilian Pongratz. Die Texte sind simpel: Von fallenden Bladln, vom Schlafen aufm Rücken, von der Wäsche in der Sonne und vom verstaubten Langlaufpokal ist die Rede, vom Deandl und vom "Juchizn" im Tal. Beizeiten schleicht sich ein kleiner Jodler ein, Volksmusik-Versatzstücke lösen sich auf und werden neu zusammengefügt, Worte lautmalerisch verwendet. Nach zwei Zugaben und mehreren ungelenken Verbeugungen verabschieden sie sich vom frenetisch klatschenden Publikum.

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