Naturschutz in der Stadt:Die Frage nach dem besten Baumschutz

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In Wolfratshausen machen sich 350 Bürger per Unterschriftenliste stark für eine Verordnung, damit die hölzernen Riesen der Stadt erhalten werden. Bei der Übergabe des Appells an Bürgermeister Heilinglechner zeigte er sich kritisch, aber offen für eine Veranstaltung zum Thema

Von Konstantin Kaip, Wolfratshausen

Der Baumschutz ist ein Thema, das vielen Menschen in Wolfratshausen am Herzen liegt. Das wird immer wieder deutlich, wenn in der Stadt alte hölzerne Riesen fallen - etwa vor ziemlich genau zwei Jahren, als vor dem Edeka-Markt an der Sauerlacher Straße zwei deutlich über 100 Jahre alte Linden gefällt wurden und es Proteste und sogar eine Trauerfeier gab. Eine Baumschutzverordnung hat die Loisachstadt nicht. Erhaltenswerte Bäume, für die bei Fällungen dann Ersatzpflanzungen vorzunehmen sind, werden lediglich in Bebauungsplänen notiert. Die aber gibt es für viele Grundstücke gar nicht.

Die Grünen fordern daher seit vielen Jahren eine Baumschutzverordnung, sind damit aber bereits viermal im Stadtrat gescheitert. Zuletzt wollten sie im fünften Versuch den Schutz großer Bäume 2018 über eine Freiflächensatzung stärken, doch auch die wurde bei Stimmengleichheit im Bauausschuss denkbar knapp abgelehnt. Nun haben sie Hilfe aus der Bevölkerung bekommen: 350 Bürger haben einen Appell für eine Baumschutzverordnung unterzeichnet.

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Gesammelt haben die Unterschriften unter anderem Aktivisten der Gruppen "Fridays-for-Future" und "Parents-for-Future", sowie die Architektin Lili Doktor, die sie am Donnerstag an Bürgermeister Klaus Heilinglechner (Bürgervereinigung) überreicht hat - im Schatten einer nicht ganz so alten Linde im Rathausinnenhof. Doktor war mit Mitstreitern gekommen, darunter der Umweltreferent im Stadtrat Hans Schmidt (Grüne) mit Ehefrau Lucia, sowie die Vorsitzende der Ortsgruppe des Bund Naturschutz, Sigrid Bender. Bevor die Architektin die Unterschriften überreichte, wies sie Heilinglechner auf die wichtige Funktion alter Bäume als "größte Co₂-Schlucker nach den Ozeanen" hin, die zudem Schadstoffe filtern und die Luft abkühlen. Und sie erinnerte ihn an die großen alten Kastanien, die einst im Garten vom Gasthof "Il Boschetto" an der Isarstraße standen, wo es heute nurmehr Fertiggaragen und einen gepflasterten Hof gebe. Verdichtung könne aber auch anders stattfinden, sagte Doktor und verwies etwa auf Mehrfamilienhäuser am Asternweg mit Tiefgarage und auf das Mindestmaß reduzierte Zufahrten. Auf dem einen Grundstück seien die Baume erhalten, auf dem anderen neue gepflanzt worden. "Es ist sehr wichtig, dass jeder, der die Absicht hat, einen Baum zu fällen, sich klarmacht, was ein Baum für uns alle leistet", sagte sie. "Ich würde mich freuen, wenn Wolfratshausen wie unsere Nachbarstadt Geretsried eine Baumschutzverordnung hätte." Die schaffe das nötige Bewusstsein für den Wert der Bäume und eine "sensible Nachverdichtung".

Überzeugen konnte sie den Rathauschef damit indes nicht. "Ich bin kein Freund einer Baumschutzverordnung", sagte Heilinglechner. In der Vergangenheit hat er, wie auch die anderen Gegner der Verordnung im Stadtrat, damit argumentiert, sie sei ein starker Eingriff in die Eigentumsrechte und könne dazu führen, dass Grundbesitzer Bäume gar nicht erst groß werden lassen. Auch sei zu befürchten, dass bei Bekanntgabe einer solchen Verordnung Eigentümer vor deren Inkrafttreten schnell noch alle Bäume auf ihrem Grund fällten. "Man muss nicht immer alles mit einer Verordnung regeln", sagte er am Donnerstag. In puncto Bewusstsein gab er der Wolfratshauserin recht. Dies bei der Bevölkerung zu schärfen sei "unser aller Aufgabe", sagte Heilinglechner. Auch Doktors Architektenkollegen könnten bei Bauherren darauf hinwirken, möglichst viele Bäume zu erhalten. "Leider Gottes spielen da oft wirtschaftliche Aspekte mit rein." Und wenn es um die Maximierung von Wohnbebauung gehe, ließen sich Investoren auch von einer Baumschutzverordnung nicht aufhalten. "Das liegt nicht an der Stadt." Wolfratshausen sei in Sachen Baumschutz Vorreiter. Bei städtischen Bauprojekten würden Bäume wenn möglich erhalten, oder es würden Ersatzpflanzungen mit heimischen Arten vorgenommen. Darauf dränge der Stadtrat, und das zu Recht.

In Wolfratshausen gab es immer wieder Ärger um gefällte Bäume. Für zwei Linden an der Sauerlacher Straße wurde sogar ein Trauermarsch veranstaltet. (Foto: Hartmut Pöstges)

Beim kleinen Disput im Schatten des Baumes hielten Doktor und ihre Mitstreiter die Verordnung indes für durchaus geeignet, den nötigen Bewusstseinswandel zu erzielen. Die Politik habe eine "wichtige Gestaltungsfunktion", sagte David von Westphalen von "Fridays-for-Future". Insbesondere die Versäumnisse der Klimapolitik zeigten, dass es Verordnungen brauche, um die nötigen Bedingungen für den Klimaschutz zu schaffen. Und Umweltreferent Schmidt zog einen Vergleich zu den Tempo-30-Schildern im Stadtgebiet. "Die Leute orientieren sich um und fahren langsamer", sagte er. "Wenn die Baumschutzverordnung kommt, werden sich die Bürger auch umorientieren."

Heilinglechner blieb bei seiner Meinung, betonte jedoch, dass er als Bürgermeister auch nur eine Stimme im Stadtrat sei und sich demokratischen Prozessen nicht verschließe. Wenn man eine Baumschutzverordnung wolle, müsse man eben die Mehrheit von 24 Stimmen überzeugen, sagte er. "Wenn sie das will, werden wir das umsetzen." Der Stadtrat müsse sich aber auch bewusst sein, dass so eine Verordnung einen enormen Verwaltungsaufwand bedeute.

Einen neuerlichen Antrag wollen die Grünen indes nicht stellen, wie Schmidt erklärte. Stattdessen wolle man den Dialog mit allen Fraktionen suchen und eine gemeinsame Lösung finden. Im Wahlkampf habe man verabredet, mit dem neuen Stadtrat eine Veranstaltung zum Thema durchzuführen, bei dem alle Fraktionen ihre Meinung zum Baumschutz öffentlich darlegen können. "Das steht noch aus." Dabei wolle man auch über Ideen wie Baumpatenschaften oder den vom Grünen Hans Urban im Eurasburger Gemeinderat ins Spiel gebrachten Fonds für Baumschutz diskutieren. Ziel sei ein "gemeinsamer Nenner", aus dem dann idealerweise ein fraktionsübergreifender Antrag hervorgehe, sagte Schmidt. "Wir wollen keine Gräben aufschütten." Heilinglechner zeigte sich offen für eine solche Veranstaltung: "Ich verschließe mich nicht. Aber ich werde meine Bedenken einbringen."

© SZ vom 12.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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