Süddeutsche Zeitung

Bartclub Steingau:Wer rasiert, verliert

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Von Petra Schneider, Dietramszell

Die Versammlung im Wirtshaus Steinbacher in Steingau ist eine haarige Angelegenheit. 35 Leute haben sich eingefunden, ausschließlich Männer. Ihre Mission: Der Bart muss wachsen. Seit Faschingsbeginn am 11. November bis Faschingsdienstag dürfen sie sich nicht rasieren, so lauten die Regeln des Bartclubs Steingau.

Am Rosenmontag ist Ritteressen, und erst danach kann die Pracht ab. Bärte mögen zurzeit hip sein, in Steingau aber wurde der erste Bartclub bereits vor rund 150 Jahren gegründet. Weil im kommenden Jahr die 1200-Jahr-Feier des Dorfes ansteht, hat man sich nun wieder auf die haarige Tradition besonnen.

Seit dem ersten Treffen Mitte November zeigen sich bereits erste Erfolge: Bei Hubert Lindmeyr etwa hat sich der Schnauzer inzwischen zu einem flächendeckenden Bewuchs ausgedehnt. Auch das Gesicht von Organisator Andreas Hölzl ziert ein kapitaler Vollbart.

Der 32-jährige Zimmerermeister aus Steingau leitet die Versammlung. Mit überwältigender Mehrheit wird beschlossen, dass man sich nicht nur einmal, sondern zweimal im Monat beim Wirt in Steingau treffen will. Per Handzeichen werden Abgesandte gewählt, die beim Festkomitee zur 1200-Jahr-Feier mitmachen. Auch Ausflüge plant der Bartclub, zum Beispiel in die "Augustinerschwemme" nach München, die Hölzl mit einer Exkursion zu einem Barbershop verbinden will.

Hölzl, der seinen Bart mit Shampoo wäscht, "damit er schön flauschig wird", hat sich im Internet informiert, was es so alles gibt in Sachen Bart-Beauty: Wichse, Öle, Bartschoner, damit die haarige Pracht in Form bleibt.

Bei den Steingauern ist es freilich anders als etwa beim Bartverein in Kochel, das Styling ist nicht das Entscheidende. Eine Prämierung am Ende der dreieinhalb monatigen Wachstumsphase gibt es nicht. Hauptsache lang. Und Hauptsache eine Gaudi. Eine "gmiatliche Sach" solle der Bartclub sein und eine Gelegenheit zum sich Treffen und Ratschen, betont Hölzl. "Weil das immer mehr fehlt, in dieser schnelllebigen Zeit". Auch über Strafen wird am Montag gesprochen, die bei vorzeitiger Rasur fällig werden: Eine Runde Schnaps, minimum.

57 Teilnehmer haben sich bisher in die Listen eingetragen, Hölzl schätzt, dass es insgesamt an die 70 werden dürften. Eine beachtliche Quote, bei einer Einwohnerzahl von rund 180. Aber nicht nur Steingauer machten mit, sagt Hölzl. Auch Otterfinger, Jasberger, Erlacher oder Dietramszeller. "Wir sind ein weltoffener Verein." Die jüngsten Teilnehmer sind 18, die ältesten über 60. In die Listen müssen sie auch ihre Bartform eintragen: "Dschungel verwildert", steht da etwa. "Vollgas" oder "Schau ma moi, was geht".

Das beschreibt auch in etwa die Bartform von Sepp Eichner aus Jasberg. Mit 19 ist er einer der jüngsten Clubmitglieder. "Des werd scho no, a Flaum ist scho dran", sagt er zuversichtlich. Wenn alles Hoffen nicht reicht, hat Eichner noch einen Geheimtipp parat: "Taubendreck innerlich, Honig äußerlich." Das sei eine alte Bauernweisheit, auf die er freilich gerne verzichten wolle. Dann doch lieber "Bart-Extensions", wie einer am Tisch frotzelt.

Im Flur beim Wirt hängt eine historische Fotografie. "Vollbart Verein Steingau Wettlkam 1894-95" steht darunter. In den 1980er-Jahren wurde der Verein im Fasching wieder belebt, auch 2006 und 2008, weiß Hölzl. Warum der Bartclub ursprünglich gegründet wurde, kann er nicht genau sagen. Vermutlich, um den männlichen Dorfbewohnern Gelegenheit zum gemütlichen Beisammensein zu geben.

Denn Junggesellen treffen sich damals wie heute in den Burschenvereinen. Für Verheiratete ist es vorbei mit der Gemütlichkeit. Ein Bartclub schließe diese Lücke und biete Gelegenheit für Herrenrunden. Denn Damenbärte sind definitiv ausgeschlossen. "Die san einfach ned so schee", sagt Organisator Andreas Hölzl.

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SZ vom 06.12.2016
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