Dietramszell:Anwohner wollen gegen Container-Unterkunft klagen

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Container am Waldrand: Die Unterkunft für 128 Geflüchtete soll auf den Wiesen neben dem Schullandheim in Bairawies entstehen. (Foto: Manfred Neubauer)

Die geplante Unterbringung von 128 Geflüchteten in Bairawies stößt auf zunehmenden Widerstand. Die bisher lose Bürgerinitiative will nun einen Verein gründen und erwägt rechtliche Schritte.

Von Petra Schneider, Dietramszell

In Bairawies wird der Widerstand gegen eine Asylunterkunft für 128 Menschen konkreter. 80 Bürgerinnen und Bürger sind am Dienstag zu einem Treffen gekommen, um darüber zu beraten, wie man die Unterkunft verhindern oder zumindest auf ein für das Dorf mit 280 Einwohnern verträgliches Maß reduzieren könnte. Bei der Bürgerversammlung Ende Oktober hatte Landrat Josef Niedermaier (FW) die geplante Unterkunft mit der anhaltend hohen Zuweisung von 100 Geflüchteten pro Monat begründet. Er sei froh, wenn Investoren größere Unterkünfte bauen wollten, weil die Plätze im Landkreis knapp würden und man jedes Bett nehme, das zu bekommen sei. Die bayerische Staatsregierung hat kürzlich beschlossen, die Asyl-Ausgaben zu senken. Dazu gehöre auch, Menschen von kleineren Unterkünften in „zentralere Einheiten“ zu verlegen. In Bairawies will man die geplante Containeranlage allerdings mit allen Mitteln verhindern.

Einigkeit herrschte drüber, dass man das Vorhaben wohl nur auf juristischem Weg stoppen kann. Falls das Landratsamt die Baugenehmigung erteilt, kündigten die Nachbarn eine Klage an. Außerdem will sich die Initiative juristisch kundig machen. Als Ansatz wurde der Paragraf 246 genannt, der Ausnahmegenehmigungen im Baurecht ermöglicht. Allerdings nur, wenn der Bedarf an Unterkünften in der betreffenden Kommune vorhanden und die Verteilung innerhalb des Landkreises gerecht sei, hieß es am Dienstag. Diese juristischen Fragen sollen zeitnah geklärt werden, außerdem will man Kontakte zu Medien und Politik „auf allen Ebenen“ knüpfen und konkrete Aktionen planen, wie etwa Banner oder eine Traktoren-Demo vor dem Landratsamt. Dazu wurden am Dienstag fünf Teams gebildet. Zudem will sich die bisher lose Bürgergruppe institutionalisieren und einen Verein gründen, um auch finanziell handlungsfähiger zu sein.

Der Bürgerprotest dürfe nicht für rechte Stimmungsmache genutzt werden

Eingeladen hatte Wolfgang Köster, Initiator der Bairawieser Gruppe. Köster ist Malermeister und Sprecher des Grünen-Ortsverbands Egling/Dietramszell. Beim Treffen am Dienstag stellte er klar: „Wenn jemand meint, dass er diese Versammlung für ausländerfeindliche Sprüche missbrauchen kann, soll er jetzt gehen.“ Der Bürgerprotest in Bairawies dürfe nicht für rechte Stimmungsmache genutzt werden.

Konkret geht es um den Vorbescheidsantrag eines privaten Investors, der am nordöstlichen Ortsrand des kleinen Dorfes Bairawies, nahe des dortigen Schullandheims, eine Containeranlage mit zwei Gebäuden bauen will. Das 6000 Quadratmeter große Grundstück liegt im Außenbereich auf einer landwirtschaftlichen Fläche. Weil der Bund aber zeitlich befristete Ausnahmeregelungen geschaffen hat, wäre eine Flüchtlingsunterkunft möglich.

Widerstand im Dorf: Initiator Wolfgang Köster (stehend) trägt die Argumente gegen die geplante Flüchtlingsunterkunft in Bairawies vor. (Foto: Harry Wolfsbauer/Harry Wolfsbauer)

In der Versammlung am Dienstag wurden auch Kritik am Landrat laut: Niedermaier werde das durchziehen, hieß es. „Das riecht für mich nach Korruption“, sagte ein Bürger. Denn Flüchtlingsunterkünfte seien ein lukratives Geschäft für den Investor, der eine Pauschale von rund 1000 Euro pro Monat und Bett bekomme. Da wäre es doch sinnvoller, wenn die Gemeinde eigene Flächen zur Verfügung stelle und selbst die staatlichen Gelder einstreiche. Was die Bairawieser am meisten stört, ist die ihrer Meinung nach unverhältnismäßige Verteilung: 128 Geflüchtete auf 280 Einwohner – das entspreche einem Anteil von 45 Prozent, sagte Köster. Umgelegt auf die Stadt München würde das bedeuten, dass in der Landeshauptstadt 700 000 Menschen zusätzlich in Wohncontainern untergebracht würden, wobei München im Unterschied zu Bairawies immerhin über Infrastruktur und ÖPNV verfüge. „Das zeigt den ganzen Irrsinn“.

Mit der Öko-Akademie in Linden und kleineren Wohnungen habe Dietramszell seine Quote erfüllt. Anders als 18 andere Gemeinden im Landkreis. „Warum also ausgerechnet Bairawies?“, fragte Köster. Jetzt seien doch erst Mal andere dran. Auch eine Befristung der Unterkunft auf drei, maximal sechs Jahre, sei kein Argument. Aktuelles Beispiel: Bamberg. Der Freistaat denke über eine Verlängerung des dortigen Ankerzentrums nach, das eigentlich Ende 2025 schließen sollte. „Wenn so etwas steht, bleibt es auch“, befürchtet Köster.

Die Unterkunft neben dem Schullandheim schaffe eine „Risikolage“

Thomas Fleschutz, Rechtsanwalt und Vorsitzender des Vereins Schullandheimwerk Oberbayern, der auch für die Einrichtung in Bairawies zuständig ist, warnte: Eine Flüchtlingsunterkunft unmittelbar neben dem Schullandheim mit 120 Kindern im Grundschulalter – das schaffe eine „Risikolage“. „Eltern werden zögern, ihre Kinder zu uns zu schicken.“ Außerdem sei es „moralisch nicht in Ordnung, Menschen so zusammenzupferchen“, sagte Köster. In den Schlafräumen stünden jedem Bewohner nur 4,6 Quadratmeter zur Verfügung. Ein Teilnehmer regte an, mit dem Eigentümer des Grundstücks über eine alternative Nutzung zu sprechen. Ehe man in Rechtsstreitereien eintrete, könnte man eventuell einen „Sperrkauf“ anbieten, wie dies der Bund Naturschutz seit Jahren praktiziere. Allerdings müsse man dann „zusammenlegen.“

Einig war man sich, dass dringender Handlungsbedarf bestehe. Wenn das Landratsamt die Baugenehmigung erteile und die Anwohner darüber schriftlich informiert würden, müssten sie sofort Einspruch erheben, empfahl Fleschutz. Falls das Landratsamt keinen Bescheid versende und die Bagger ungefragt anrollen, sei eine unverzügliche Klage nötig. „Wir sind als Dorfgemeinschaft bereit, 30 Flüchtlinge aufzunehmen und zu integrieren“, sagte eine Teilnehmerin. Wozu man aber nicht bereit und in der Lage sei, sei die Aufnahme von 130 Menschen.

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