Bäume gefällt:Kahlschlag am Niederried

Bäume gefällt: Am Niederried 28 wurden so gut wie alle Bäume gefällt. Nachbarn sind erbost, weil auch eine alte Buche niedergemacht wurde.

Am Niederried 28 wurden so gut wie alle Bäume gefällt. Nachbarn sind erbost, weil auch eine alte Buche niedergemacht wurde.

(Foto: Hartmut Pöstges)

In Schäftlarn wurde für einen Neubau ein Grundstück fast völlig abgeholzt, darunter ist eine fast 100 Jahre alte seltene Blutbuche.

Von Susanne Hauck

Georg Freitag ist entsetzt. Auf dem Nachbargrundstück in Schäftlarn hat es einen Kahlschlag gegeben. So gut wie alle Bäume am Niederried 28 wurden gefällt. "Ein wunderbarer alter Garten wurde zur Brachfläche." Besonders leid tut es ihm um eine fast 100 Jahre alte seltene Blutbuche. Kerngesund sei sie gewesen, sagt Freitag. "Sie war ein herrlicher Blickfang das ganze Jahr über und ein wahres Vogelparadies." Auch andere Anwohner machten ihrem Ärger Luft: Seit gestern hängt das Protestplakat "Hier wirkte die Baumschutzverordnung der Gemeinde Schäftlarn!" vor dem Grundstück, auf dem sich das geschlagene Holz türmt.

Für Freitag ist klar, dass die Buche für ein Bauvorhaben geopfert wurde. Denn am Niederried soll ein so genannter Sechsspänner entstehen, ein Bau mit sechs Wohnungen, nachdem das in die Jahre gekommene Haus der Familie Oberarzbacher verkauft wurde. Dass die schönen alten Bäume für diesen "überdimensionierten Block" weg mussten, der, wie er findet, überhaupt nicht in die bauliche Umgebung passt, kann er nicht nachvollziehen.

Der Schäftlarner ist über das "brutale, schnelle Abholzen" empört. "Am Montagabend wurde der Neubau im Bauausschuss genehmigt", sagt er. "Und schon am nächsten Morgen kam ein Trupp mit schwerem Gerät und leistete ganze Arbeit, erledigte 60 Meter eingewachsene Hecke und neun Bäume." Er fragt sich, wieso die Genehmigung zum Abholzen über Nacht da gewesen sein konnte, wie "so schnell Fakten geschaffen werden konnten". Zumal die Fällung nach dem 1. März erfolgte, dem Stichtag für das Schnittverbot.

Schäftlarns Bürgermeister Matthias Ruhdorfer beteuert, dass alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Dem Bauausschuss habe das Gesamtkonzept zur Genehmigung vorgelegen, also das Gebäude inklusive Freifläche und Baumbestand. "Wir haben uns lange damit beschäftigt, ob der Bauträger die Bäume fällen darf." Der Beschluss sei einstimmig nach mehreren Sitzungen und einer Ortsbesichtigung gefasst worden. Man habe abgewogen: "So ein Baum steht vielleicht noch 20 Jahre, das Haus aber 50 oder 70."

Freitag kreidet der Gemeinde an, dass bei einer Drehung der Hausachse um 30 Grad die Buche durchaus hätte erhalten werden können. "Dann hätte das Gebäude ganz nach vorn an die Straße gerückt werden müssen, aber das war aus ortsplanerischer Sicht nicht gewollt", entgegnet der Bürgermeister. Und wegen den Baggerarbeiten für die Tiefgarage sei es nicht möglich, genügend Abstand zum Wurzelbereich zu halten. Dass die Fällung nach dem 1. März erfolgen konnte, habe sich der Bauträger von der Unteren Naturschutzbehörde genehmigen lassen. Ruhdorfer: "Es hat ihm wohl pressiert, da er sonst eine neue Erlaubnis gebraucht hätte." Für Ruhdorfer war der Baumbestand mit vielen schon sehr lichten Nadelbäumen "nicht mehr zu erhalten". Um die Buche freilich tut es ihm leid.

"Was ist der Gemeinde eigentlich ihre eigene Baumschutzverordnung wert?" fragt Georg Freitag verbittert. Die Verordnung stehe in dem Fall hinter der Baugenehmigung zurück, so Ruhdorfer. Er meint: "Wenn Bäume in Privatgärten stehen, sind Konflikte zwischen Eigentümer und Nachbar vorprogrammiert. Die einen wollen fällen, die anderen erhalten."

Freitag ärgert sich über das Verhalten der Kommune, die auch auf wiederholte Hinweise, dass ein solches Projekt nicht in die Umgebung passt, nicht reagiert habe. Er wirft ihr Passivität vor. "Die Gemeinde hätte doch längst durch einen Bebauungsplan solche Auswüchse verhindern können", meint er. "Warum gibt es keinen für dieses Gebiet, der dieses Projekt der Gewinnmaximierung eines Bauträgers und der Umweltzerstörung von Anfang an hätte verhindern können?" Ein Bebauungsplan könne regeln, welche Bäume schützenswert sind, erklärt Ruhdorfer. "Aber innerhalb eines bereits bebauten Gebiets einen aufzustellen, das ist schwierig."

Der Bürgermeister verteidigt den Bau: "Er ist nicht überdimensioniert." Auf dem Grundstück von 1100 Quadratmetern sei ihm der Sechsspänner lieber als zwei Häuser, was baurechtlich ebenfalls möglich gewesen sei. Ruhdorfer fordert die Bürger zum Umdenken auf. Vor 50 Jahren habe man es sich noch leisten können, ein großes Grundstück nur mit einem Einzelhaus zu bebauen. Heutzutage sei das nicht immer sinnvoll. "Hier am Niederried bietet es sich an, moderat nachzuverdichten und Geschoßwohnungsbau zu ermöglichen, zumal die Lage recht zentral ist." Lebenssituationen würden sich ändern, manche Witwe zöge lieber in eine Wohnung, anstatt ihr großes Haus zu behalten.

Die Anlieger und ihre Kritik kann Ruhdorfer verstehen. "Für den direkten Nachbarn ist es schöner, wenn wenig gebaut wird." Er versichert, dass für die gefällten Bäume Ersatzbepflanzungen vorgesehen sind. Das ist freilich kein Trost für Georg Freitag. "Wir sind sehr enttäuscht von der Gemeinde."

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