Erinnerungsstücke gesucht:Aus dem Fluchtgepäck

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Das Badehaus bereitet eine Ausstellung "Mitgenommen - Heimat in Dingen" vor und ruft Waldramer zu Leihgaben auf

Von Felicitas Amler, Wolfratshausen

Wie wunderbar verheißungsvoll es im ganzen Haus roch, wenn die Großmutter Mohnstriezel buk. Ja, sie "buk". Denn die Oma, knapp vor der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert geboren, verwendete noch die alten, stark gebeugten Formen; bei ihr frug man auch und fragte nicht. Der Mohnstriezel war eine Spezialität aus ihrer böhmischen Heimat. Ein gutes Stück Erinnerung aus Hefe, Butter, Mohn und ein bisschen Wehmut. Und dafür wurde ein schweres stählernes Gerät gebraucht, das in modernen Küchen nicht so leicht zu finden sein dürfte - jedenfalls nicht handbetrieben wie bei Großmutter: eine Mohnmühle. Eine solche wird bald im Erinnerungsort Badehaus in Waldram zu sehen sein. Dort wird am 21. Juli eine Ausstellung eröffnet, die Fundstücke aus dem Fluchtgepäck Heimatvertriebener zeigt.

"Mitgenommen - Heimat in Dingen" heißt die Schau, die der Badehaus-Verein in Kooperation mit dem Münchner Haus des Deutschen Ostens (HDO) organisiert. Vom HDO kommt die Wanderausstellung, die seit dem 70. Jahrestag des Kriegsendes unterwegs ist. Sie beleuchtet auf Texttafeln den historischen Hintergrund und präsentiert exemplarische Stücke, die Menschen aus dem Osten einst auf die Flucht mitnahmen, einen Teddybär, ein Silberbesteck, eine Urkunde. Das Badehaus reichert diese Schau mit Lokalkolorit an: mit Flucht-Mitbringseln, die von Vertriebenen gehegt wurden oder womöglich seit Jahrzehnten unentdeckt auf Waldramer Dachböden lagen. Einiges hat sich schon angesammelt: Mohnmühle und Waschbrett, Nadelkissen und Bilderbuch, Dokumente und Fotoalben. Weiteres hofft der Verein von Waldramern für die Ausstellung zu bekommen.

Geschichte begreifbar machen

Das Badehaus umfasst in seiner Dauerausstellung drei Phasen deutscher Geschichte: von der NS-Zeit, in der die Rüstungsarbeitersiedlung Föhrenwald errichtet wurde, über das gleichnamige Lager für jüdische Überlebende der Shoah bis zur Umbenennung des Orts in Waldram, wo dann vor allem kinderreiche katholische Vertriebene eine neue Heimstatt fanden. Ihnen ist die dritte Sonderausstellung im Untergeschoss des Badehauses gewidmet.

Eine der bekanntesten Waldramer Familien sind die Brustmanns, die aus Kodau in Südmähren, dem tschechischen Kadov, stammen. Josef Brustmann hat sich als Kabarettist einen Namen gemacht; musikalisch aber ist die ganze Familie, die mal als Waldramer Tanzlmusi, mal als Waldramer Sänger auftritt. Fürs Badehaus hat dessen Vorsitzende, die Historikerin und Filmemacherin Sybille Krafft, Herbert und Alois Brustmann interviewt. Diese Zeitzeugengespräche werden ergänzend zur Ausstellung "Mitgenommen" an Medienstationen zu sehen und zu hören sein. Außer den Brustmann-Brüdern kommen Wolfgang Henschelchen und Christl Weinert zu Wort, und Erna Schuppan ist nicht nur als Erzählende zu hören, sie singt auch ein wenig: Krafft hat sie im Gespräch nach Liedern aus der alten Heimat gefragt, und da stimmte Schuppan ein Wiegenlied an.

Die Gesprächspartner, so sagt Krafft, erinnerten sich noch so genau an die Flucht oder den erzwungenen Aufbruch: "Dieses Verlassen der Heimat, das sitzt ganz tief." Und ein Weiteres ist zu erfahren: "Wie schwierig es war, hier angekommen zu sein." Denn oft wurden Vertriebene keineswegs mit offenen Armen von den Einheimischen empfangen.

Der Badehaus-Verein bittet Waldramer, die noch Gegenstände aus dem Fluchtgepäck besitzen, es für die Sonderausstellung zur Verfügung zu stellen. "Wir wollen die Geschichte der Waldramer erzählen", sagt Krafft, "an konkreten haptischen Erinnerungsstücken."

Kontakt per Mail an info@badehauswaldram.de oder Telefon, 08171/257 25 02

© SZ vom 04.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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