Bad Tölzer Geschichte:Späte Würdigung

Bad Tölzer Geschichte: Den Michael Deschermeier-Weg weihten (v. li.) Franz Mayer-Schwendner, Christoph Schnitzer, Sebastian Lindmair, Josef Förster und Christof Botzenhart vom Arbeitskreis ein. Vorne: Helga Förster (li.), Großnichte von Deschermeier, mit Tochter Nicole Dorfer und Enkelin Antonia.

Den Michael Deschermeier-Weg weihten (v. li.) Franz Mayer-Schwendner, Christoph Schnitzer, Sebastian Lindmair, Josef Förster und Christof Botzenhart vom Arbeitskreis ein. Vorne: Helga Förster (li.), Großnichte von Deschermeier, mit Tochter Nicole Dorfer und Enkelin Antonia.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Bad Tölz benennt Isar-Promenade und Weg nach den NS-Gegnern Anton Holzner und Michael Deschermeier. Der Name Stollreither verschwindet allerdings nicht.

Von Klaus Schieder

Sie waren grundverschieden, aber einander doch ähnlich. Michael Deschermeier war Sozialdemokrat und Gewerkschaftsführer, Anton Holzner stammte aus katholisch-konservativen Kreisen und arbeitete als Jurist. Beide gehörten zu den Gegnern der Nazi-Diktatur und waren Verfechter der Demokratie. Nach ihnen hat Bad Tölz nun zwei Wege benannt: Der Michael-Deschermeier-Weg führt von der Isarbrücke hinunter zum Isarkai und an der Hochwassermauer entlang bis zur Kohlstatt; die Spaziermeile auf der anderen Flussseite, die sich von der Isarbrücke nach Norden bis zur Königsdorfer Straße erstreckt, heißt fortan Bürgermeister-Holzner-Promenade. Diese Strecke war bislang nach dem ehemaligen Bürgermeister Alfons Stollreither benannt, einem bekennenden Anhänger der Nazis. Seinen Namen trägt nun noch ein kurzes Stück Promenade von der Isarbrücke am Café Love zur Bockschützstraße.

Deschermeier und Holzner hätten in Bad Tölz "für die Demokratie eine große Rolle gespielt", sagte Dritter Bürgermeister Christof Botzenhart (CSU) am Mittwoch bei der Einweihung der neuen Straßentafeln. Mit der Umbenennung hatte sich eine vom Stadtrat eingesetzte Kommission befasst, der neben Botzenhart auch Stadtrat Franz Mayer-Schwendner (Grüne), Stadtarchivar Sebastian Lindmair, Redakteur Christoph Schnitzer und Josef Förster angehörte, dessen Frau Helga eine Großnichte von Deschermeier ist. Der Termin war mit Bedacht gewählt: Am 14. August jährte sich zum 100. Mal das Inkrafttreten der Weimarer Verfassung und der Bamberger Verfassung für Bayern. Beide Werke seien die ersten demokratischen Verfassungen auf deutschem Boden und deshalb - trotz aller Konstruktionsfehler - "ein großer Fortschritt" gewesen, sagte Botzenhart.

Deschermeier war Tölzer Stadtrat, Kreisrat, Bezirksrat und SPD-Kreisvorsitzender. 1933 wurde er verhaftet und kam ins KZ Dachau, später war seine Wohnung an der Messerschmiedstraße ein heimlicher Treffpunkt der Nazi-Gegner. Nach dem Zweiten Weltkrieg war er Zweiter Bürgermeister von Juli bis zu seinem Tod im Dezember 1945. "Er genoss parteiübergreifend große Wertschätzung", so Botzenhart. Der Sozialdemokrat wurde von Bürgermeister Holzner zu seinem Stellvertreter ernannt. Der Jurist hatte in deutlichen Briefen an die Reichskanzlei von Adolf Hitler immer wieder die Trennung von Politik und Justiz gefordert. Nach dem Krieg wurde er von der amerikanischen Militärregierung als Bürgermeister in Tölz eingesetzt, 1946 von der Bevölkerung auch dazu gewählt. Eine unrühmliche Rolle spielt in der NS-Zeit hingegen sein Vorgänger Alfons Stollreither, der 36 Jahre lang Bürgermeister war. Als Hitler an die Macht kam, sei er "mit Feuereifer eingestiegen", sagte Stadtarchivar Lindmair. Deshalb sei es richtig, ihn und seinen Weg zurecht zu stutzen.

Das nach links weisende Straßenschild unterhalb der Isarbrücke trägt den Namen Stollreither, gleich daneben das rechte den von Holzner: Diese Zwiespältigkeit ist von der Arbeitsgruppe gewollt. "Die Ambivalenz ist jetzt deutlich", sagte Schnitzer. Deschermeier und Holzner seien in Tölz vergessen gewesen, ebenso wie die Tatsache, dass Stollreither ein Nazi war. Es sei das Verdienst des aktuellen Stadtrats, dass dieses Gedenken gekippt worden sei. Mayer- Schwendner zollte Botzenhart ein Lob, der eine merkwürdige Logik in der CSU-Fraktion aufbrach: Die Beschlüsse früherer Stadträte könne man demnach nicht einfach ändern, ohne sie ins Unrecht zu setzen.

Unter den neuen Straßenschildern hängt jeweils eine kleine Tafel, auf der Leben und Wirken der Namensträger kurz erklärt werden. Nur die von Stollreither fehlt noch. Sie wurde nicht rechtzeitig fertig.

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