H5N1-Virus:Mit Überschuhen gegen die nächste Pandemie

H5N1-Virus: Die Hühner auf dem Hof von Michael Häsch in Dietramszell sind bereits jetzt gefährdet. Mutationen könnten dafür sorgen, dass das Vogelgrippe-Virus auch für den Menschen gefährlich wird.

Die Hühner auf dem Hof von Michael Häsch in Dietramszell sind bereits jetzt gefährdet. Mutationen könnten dafür sorgen, dass das Vogelgrippe-Virus auch für den Menschen gefährlich wird.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

In Deutschland breitet sich die Vogelgrippe aus, Betriebe müssen geschlossen und Tiere getötet werden. Wie ein Geflügelzüchter aus Bayern reagiert.

Von Yannik Achternbosch, Bad Tölz-Wolfratshausen

Quietschend setzt sich ein metallenes Fließband in Bewegung, kurze Zeit später rollen mehrere Eier, braune und weiße, von dem Fließband in eine Schale. Per Knopfdruck stoppt es wieder. Die Eier, die Michael Häsch aus der Schale aufsammelt, sind ein zentraler Bestandteil seines Geschäfts und damit auch seines Lebens. Er ist Geflügellandwirt, in siebter Generation betreibt er den Bertenbauerhof in Dietramszell.

Geflügelte Tiere sind seit einigen Wochen wieder häufiger in den Nachrichten präsent, der Grund dafür ist die aviäre Influenza, umgangssprachlich oft als Vogelgrippe oder Geflügelpest bezeichnet. Auf mehreren Kontinenten grassiert derzeit die größte dokumentierte Welle des Virus seit dem ersten Auftreten, in einer Nerzfarm in Spanien wurde erstmals die Übertragung zwischen zwei Säugetieren nachgewiesen. Experten sehen erste Warnzeichen dafür, dass das Virus sich durch Mutationen stärker für Säugetiere anpasst und damit auch für den Menschen gefährlicher werden könnte. Mutationen, Virus, das weckt doch böse Erinnerungen an die vergangenen drei Jahre - was also tun?

Eine Woche bevor Häsch durch einen seiner Hühnerställe geführt und die Eier aus der Schale gefischt hat, ist der Erreger seinen Hühnern nochmal deutlich näher gekommen. Im Landkreis Starnberg, bei Gauting-Stockdorf, melden das zuständige Landratsamt und das Friedrich-Loeffler-Institut den Nachweis des Influenza-A-Virus H5N1 in zwei toten Wildgänsen. Dreißig Kilometer Luftlinie liegen zwischen dem Fundort und Häschs Hof, in den Dimensionen der Zugvögel keine nennenswerte Entfernung. Dennoch macht der neuerliche Nachweis Häsch nicht sonderlich nervös. "Mittlerweile gehen wir davon aus, dass das Virus sich in der Wildvogelpopulation wirklich etabliert hat und stark verbreitet ist", sagt er. Teilweise tragen Vögel die Krankheit auch in sich, ohne dass sie ausbricht. Neutraler Tonfall, kein Alarm.

Wenig alarmiert ist man auch im Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen. Auf Anfrage zu Nachweisen und möglichen Problemen bei einem Ausbruch teilt die Pressesprecherin der Kreisbehörde Marlis Peischer lediglich mit, dass in den vergangenen zwei Jahren keine Infektionen im Landkreis nachgewiesen wurden.

Die Freilandhaltung seiner Hühner und die Nähe zu Gewässern mit Wildvogelpopulation ist für Häsch kein Problem? "Wir räumen draußen immer alles Futter weg, damit die Vögel nicht bei uns rasten und sich länger aufhalten", sagt der Geflügelzüchter. Wildvögel, erzählt er, koten allerdings nicht während sie fliegen, der Überflug ist also ungefährlich. Eine wichtige Präventionsmaßnahme ist daher zu verhindern, dass die eigenen Tiere mit Vögeln außerhalb des Stalls in Kontakt kommen - oder auch nur mit deren Kot. Um das zu verhindern, reicht Häsch vor Betreten seines Hühnerstalls weiße Gummiüberschuhe. Er hat sich für diese Lösung entschieden, eine Alternative wären Desinfektionsmatten, "aber die Leute bleiben da keine zehn Minuten draufstehen." Vorher wirkt das Desinfektionsmittel allerdings nicht, deswegen ist ihm das zu unsicher.

Gute Hygiene ist der wirksamste Schutz

"Wenn ich irgendwo an einem Weiher bin, wo es Wildvögel gibt, ist das Allerschlimmste, was ich danach machen kann, auf dem Heimweg noch schnell im Stall zu schauen, wie es den Hühnern geht", sagt Häsch. Stattdessen: Erst Kleidung wechseln, Schuhe reinigen, desinfizieren.

Wie man nach dem Nachweis der Vogelgrippe in einem Betrieb vorgeht, ist in Deutschland im Tierseuchengesetz geregelt, aus dem die Geflügelpest-Verordnung abgeleitet wurde. Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit verkündet hierzulande die geltenden Maßnahmen. In ihrer aktuellen Einschätzung spricht die Behörde von einem "weiterhin sehr dynamischen Geflügelpest-Geschehen in Deutschland und auch Bayern".

H5N1-Virus: Geflügelzüchter Michael Häsch setzt auf seinem Betrieb in Dietramszell auf strenge Hygienemaßnahmen.

Geflügelzüchter Michael Häsch setzt auf seinem Betrieb in Dietramszell auf strenge Hygienemaßnahmen.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Wenn dieses dynamische Geschehen nachweislich einen Betrieb erwischt, müssen dort alle Geflügeltiere getötet und die Kadaver sicher entsorgt werden. Die Landwirte müssen die Ställe komplett säubern und desinfizieren, erst nach erneuter Untersuchung dürfen sie dort wieder einen Geflügelbestand aufbauen. Dieses rabiate Vorgehen mag sinnvoll sein, um die Ausbreitung der Krankheit einzudämmen. Allerdings lässt sich die Zahl der tatsächlichen Infektionen im einen Betrieb so höchstens schätzen, die einzelnen Tiere werden vor der Tötung nicht getestet.

"Ich gehe davon aus, dass es noch mindestens zwei bis drei Jahre dauert, bis man flächendeckend impfen kann"

Für die Bauern ist die genaue Zahl der infizierten Tiere erst einmal egal, zur besseren Einschätzung der Ausbreitung wäre sie aber interessant. Ein Ausbruch in einem landwirtschaftlichen Betrieb bedeutet vor allem große wirtschaftliche Verluste. In der Theorie gibt es genau für solche Fälle die Tierseuchenkasse. "Wir kriegen aber momentan in Niedersachsen mit, dass die Tierseuchenkasse kein Geld mehr hat, um diese Schäden zu bezahlen", erzählt Häsch. Die großen Schäden stellen also auch die Versicherer vor Probleme - weshalb sich die Landwirte doch wieder größere Sorgen machen müssen. In Niedersachsen wütet die Vogelgrippe besonders stark. Dort sind viele Großbetriebe ansässig, die Zahl der getöteten Tiere im Fall eines Ausbruchs daher entsprechend groß.

Die neue Aufmerksamkeit durch das häufige Auftreten des H5N1-Virus freut die Landwirte nicht unbedingt. "Wir sind eigentlich ganz froh, wenn wir als Geflügelhalter nicht so sehr in den Schlagzeilen sind", sagt Häsch. Gegen diese Präsenz in den Medien könnte ein Impfstoff für die Tiere helfen. Doch noch ist der nicht verfügbar. "Ich gehe davon aus, dass es noch mindestens zwei bis drei Jahre dauert, bis man flächendeckend impfen kann", sagt Häsch. Bei den Salmonellen sei mit der Impfung ein wichtiger Schritt gegen die Ausbreitung gelungen, einen ähnlichen Effekt erhoffe er sich nun für die Vogelgrippe. Bis dahin müssen strenge Hygienemaßnahmen wie die weißen Überschuhe ihn und seine Hühner vor einem Ausbruch des Virus schützen.

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