Zukunft der Isar:Naturjuwel in Gefahr

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Das Isartal ist über die vergangenen Jahrzehnte deutlich grüner geworden.

(Foto: OH)

Ein Fachsymposium widmet sich der Oberen Isar. Der Wildfluss leidet unter der vielseitigen Nutzung durch den Menschen. Wertvoller Lebensraum für Flora und Fauna wird knapper.

Von Katharina Schmid

Noch ist die Obere Isar zwischen Quelle und Sylvensteinspeicher in weiten Teilen ein Naturjuwel. Das Wasser strömt durch Kiesbänke, Auenlandschaften bieten Tieren und Pflanzen wertvollen Lebensraum. Die Obere Isar gilt als letzte alpine Wildflusslandschaft in Deutschland. Doch prallen an der Isar seit Jahrzehnten auch die unterschiedlichen Ansprüche der Zivilisation an einem Fluss aufeinander: Tourismus, Energiewirtschaft, Naturschutz. Durch ihre vielseitige Nutzung hat der Mensch das Gesicht der Isar stark verändert. Luftbilder belegen das eindrücklich. Wie die Zukunft an der Oberen Isar aussehen könnte, damit ihr einzigartiger Charakter erhalten bleibt, darüber tauschten sich am Freitag Naturschützer, Freizeitsportler und Vertreter von Behörden und Energiewirtschaft im Alpinen Museum in München aus.

Michael Reich, Biologe an der Universität Hannover, machte den Zuhörern deutlich, welch artenreiches Juwel die Obere Isar bis heute noch ist. Mehr als 90 bedrohte oder gefährdete Pflanzenarten und mehr als 100 seltene Tierarten haben sich an den Lebensraum am Wildfluss angepasst und finden dort ihr Zuhause. Doch verändert sich die Flusslandschaft, reagiert darauf auch die Tier- und Pflanzenwelt. Das Isartal ist über die vergangenen Jahrzehnte deutlich grüner geworden. Dichtes Weidengebüsch hat auf vielen, zuvor vegetationsarmen Kiesbänken die Oberhand gewonnen und verdrängt etwa die vom Aussterben bedrohte Deutsche Tamariske, eine Pflanze, die sich auf sandigen Kiesbänken wohl fühlt und charakteristisch ist für Wildflüsse. "Vor 1990 war Weidengebüsch fast gar nicht zu finden", sagte Reich. Mit den Weiden werden aus instabilen, vom Fluss immer wieder umgelagerten Kiesbänken feste Inseln. Der Lebensraum für Pionierarten wie die Tamariske wird knapper. Und auch Tiere wie die Flussseeschwalbe oder der Flussuferläufer leiden unter den Veränderungen.

Dazu kommt, dass die stabilen Weideninseln die Isar auch bei Hochwasser in die immer gleichen Flussarme zwingen. Diese vertiefen sich, noch seltener überschwemmt das Wasser die Kiesbänke und deren Umschichtung findet kaum mehr statt. Die natürliche Dynamik, die einen Wildfluss auszeichnet, geht verloren.

Einer der Gründe für diese Veränderungen ist die Ableitung einer großen Menge Flusswassers bei Krün. Über einen Kanal wird es in den Walchensee geleitet und im gleichnamigen Kraftwerk zur Energiegewinnung genutzt. Lediglich eine sogenannte "Restwassermenge", die der Betreiber des Kraftwerks der Isar 1990 wieder zugestanden hat, verlässt das Krüner Wehr isarabwärts. Für den Wildfluss wertvolles Geschiebe aber wird in großen Mengen vom Wehr zurückgehalten und das Restwasser hat nicht die Kraft, den Fluss zu verändern. Lediglich bei Hochwasser ist das Wehr geöffnet und große Mengen Wasser und Geschiebe bewegen sich flussabwärts.

Wenn es jedoch wie in diesem Jahr wenig regnet, sind das perfekte Bedingungen für das Gedeihen von Weideninseln und tiefen Flussarmen. "Für Ausuferungen in die Fläche", sagte Johannes Riedl vom Wasserwirtschaftsamt Weilheim, "wär viel mehr Wasser nötig." Das zurückgehaltene Geschiebe lagere sich im Krüner Stausee und unterhalb des Wehrs ab. Von Zeit zu Zeit sei es deshalb nötig, hier Gestein zu entnehmen. Diese Eingriffe in den Naturraum werden durch Ausgleichsmaßnahmen kompensiert, die den ursprünglichen Zustand des Flusses punktuell wieder herstellen sollen. Eine dieser Maßnahmen ist die Beseitigung der Uferverbauung nahe der Bibermühle auf Wackersberger Flur, wie sie im Oktober dieses Jahres nach siebenjähriger Planung durchgeführt wurde.

Zukunft der Isar: Die Isar bietet zwischen Quelle und Sylvensteinspeicher Heimat für mehr als 90 bedrohte Pflanzenarten und mehr als 100 seltene Tierarten.

Die Isar bietet zwischen Quelle und Sylvensteinspeicher Heimat für mehr als 90 bedrohte Pflanzenarten und mehr als 100 seltene Tierarten.

(Foto: OH)

Solche und ähnliche Maßnahmen, die dem Fluss einen Teil seiner ursprünglichen Natürlichkeit zurückgeben sollen, würden jedoch nicht immer auf Verständnis stoßen, sagte Dora Schulze vom Wasserwirtschaftsamt Weilheim. Der Interessenkonflikt zwischen Mensch und Natur werde etwa auch dann deutlich, wenn durch bewusst im Fluss platziertes Totholz Lebensraum für Fische geschaffen werden soll. Viele Freizeitsportler würden sich über die Hindernisse im Wasser ärgern. In der Entscheidung zwischen "Lebensraum für Tiere oder Badeplatz?" sieht Schulze eine der Grundsatzfragen in der Diskussion um die Zukunft der Isar.

Eine Frage, der auch Fabian Unger, regionaler Projektmanager Isar/Loisach im Projekt "Alpenflusslandschaften" beim Landesbund für Vogelschutz regelmäßig begegnet. Unger klärt Freizeitsportler an Infoständen über die Sensibilität der Flusslandschaft und Verhaltensregeln darin auf. Trotzdem beobachte er, dass die Müllproblematik in diesem Sommer "immer noch getoppt" wurde und "immer neue Leute" an die Isar kommen würden. Es mache Sinn die Aufklärung fortzusetzen, daneben bewertet Unger es als wichtigen Schritt, Regelungen zum Bootfahren auf der Isar zu erlassen. Das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen hat solche in einer Isar-Verordnung für 2019 bereits angekündigt. Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler) hat bereits Verbote und Einschränkungen angekündigt.

Mit einem flammenden Plädoyer des Vizepräsidenten des des Deutschen Alpenverein (DAV), Rudi Erlacher, endete das Symposium am Freitagabend in einer Podiumsdiskussion: "Ich bin für weniger Strom, für mehr Wasser in der Isar und für etwas weniger Leute", sagte Erlacher. Die Nutzung der Isar durch Freizeitsportler und Erholungssuchende müsse konsequent geregelt und über entsprechenden Regelungen gut aufgeklärt werden. Dass eine stärkere Aufklärung und eine bessere Kommunikation nach außen notwendig seien, um ein Bewusstsein für die Problemlagen an der Isar und die damit verbundenen komplexen Themen zu schaffen - darin herrschte unter den Teilnehmern des Symposiums am Abend Einigkeit. Die Frage, welche neuen Wege an der Oberen Isar konkret eingeschlagen werden können, um ihren einzigartigen Charakter zu erhalten, dürfte Stoff für viele weitere Diskussionen bleiben.

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