Süddeutsche Zeitung

Umwelt:Mehr Vielfalt im Wald

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Auch Förster machen Inventur: Die aktuelle statistische Erhebung zeigt, dass die Arten im Landkreis zunehmen und es wenig Kahlschläge gibt. Vor allem Buchen und Eichen sind auf dem Vormarsch

Von Matthias Köpf, Bad Tölz-Wolfratshausen

Die vergangen Tage und Wochen mögen wieder einiges Nadelholz und speziell viele Tannenbäume gekostet haben, auf die heimische Forstleute doch so große Hoffnungen setzen. Insgesamt aber sind die Wälder im Landkreis in den vergangenen Jahren vielfältiger und holzreicher geworden. Dies geht aus der dritten Bundeswaldinventur hervor, deren Ergebnisse das Staatliche Forstamt für die beiden Landkreise Bad Tölz-Wolfratshausen und Miesbach inzwischen auf die lokalen Verhältnisse im Oberland heruntergebrochen hat.

Der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen besteht flächenmäßig etwa zur Hälfte aus Wald - etwas mehr als im bayerischen Durchschnitt, was an den ausgedehnten Gebirgswäldern im Süden liegt. Im flacheren Norden liegt die Waldquote nach Angaben des Wolfratshauser Forstdirektors Wolfgang Neuerburg bei etwas mehr als 40 Prozent. An der Fläche hat sich demnach in den vergangenen Jahrzehnten wenig geändert; zuletzt ist der Waldanteil minimal gestiegen, weil manche Streuobstwiesen zuwachsen. Echte Kahlschläge gibt es kaum, bei den Almen wird wegen der daran gebundenen Fördermittel immer wieder über die Definition mancher Flächen als Wald oder Weide gerungen.

Während die Waldfläche praktisch gleich geblieben ist, hat sich an den Baumarten und am Alter der Bäume zuletzt einiges geändert - zur Freude von Neuerburg und dem Wolfratshauser Revierförster Robert Nörr, die sich mithilfe der Statistik auch einiger landläufiger Vorwürfe erwehren wollen, die sie immer wieder zu hören bekämen. Laut Waldinventur würden die heimischen Wälder also keineswegs ausgeplündert, die Fichte nehme nicht überhand, und auch die Zahl der alten Bäume nehme nicht ab, sondern zu, bekräftigen Neuerburg und Nörr.

Der Revierförster sah sich erst kürzlich bei einer Versammlung des Bund Naturschutz in Wolfratshausen wieder mit solchen Wortmeldungen konfrontiert. Er spricht von subjektiven Eindrücken vieler Spaziergänger und führt diese Eindrücke auf den Erfolg der eigenen Arbeit zurück: Die staatlichen Förster ermuntern die Besitzer nämlich seit Langem zur regelmäßigen Pflege ihrer Wälder und empfehlen, jedes Waldstück nach fünf bis sieben oder allerspätestens zehn Jahren durchzuforsten. Diese steten Appelle fruchten, weshalb Spaziergänger in den Wäldern viel öfter Arbeiten bemerkten als früher, als in einem Wald oft über Jahrzehnte gar nichts geschehen sei und es von manchem Bauern gleich geheißen habe, dass er wohl Geld brauche, weil er schon Holz machen müsse.

Dabei steigere das stete Durcharbeiten und Auslichten den Wert der verbliebenen Bäume, die dann besser wachsen könnten; die wirtschaftliche Nutzung des Waldes erhöhe die Artenvielfalt, die Chancen auf natürlichen Nachwuchs statt teurer Pflanzungen und insgesamt sogar die Holzmenge, bekräftigt Nörr. Die Waldbesitzervereinigung Wolfratshausen, zusammen mit der im nahen Holzkirchen die älteste des Landes, sehe das inzwischen ähnlich. 52 Prozent der Waldfläche im Landkreis sind in privater Hand - rund zehn Prozentpunkte weniger als im Landesdurchschnitt und überwiegend auch in vergleichsweise kleinen Einzelflächen bis zu 50 Hektar. In der Jachenau sind manche Privatwälder laut Neuerburg deutlich größer, im südlichen Isartal und im Karwendel gebe es auch ausgedehnte Besitzungen etwa der Jägermeister-Dynastie Mast oder des Großherzogs von Liechtenstein. Die Kommunen im Landkreis spielen mit Ausnahme der Stadt Geretsried als Waldbesitzer nur eine untergeordnete Rolle. Ein bisschen Wald hält sich freilich fast jede - schon um bei Bauvorhaben möglichst umstandlos die vorgeschriebenen ökologischen Ausgleichsflächen ausweisen zu können.

Überwiegend im Gebirge liegen die vergleichsweise hohen 44 Prozent Staatswald im Landkreis, die seit der umstrittenen Forstreform vor zehn Jahren von den ausgegliederten Bayerischen Staatsforsten bewirtschaftet werden. Über die Kollegen halten sich die Amtsförster zurück, im Landkreis könnten die Staatsforsten aber allein schon wegen der Gebirgslagen nicht so renditeorientiert wirtschaften, wie es dem Unternehmen als ganzem oft vorgeworfen wird. Bayernweit wächst derzeit pro Sekunde ein Kubikmeter Holz nach, im Staatswald ist laut Waldinventur seit 2002 aber etwas mehr Holz geerntet worden als nachgewachsen. Im Privatwald dagegen ist der Zuwachs deutlich höher als die Nutzung. Vor allem gebe es in den Wäldern seit 2002 mehr ältere und dickere Bäume, sagen Neuerburg und Nörr. Der Anteil der Laubbäume habe leicht zugenommen und liege bei etwas über einem Drittel. Gewonnen haben demnach die Buche, welche die heimischen Wälder ohne jegliche menschliche Eingriffe von Natur aus dominieren würde, sowie die Eiche und andere langlebige Laubbäume. Einzige Verlierer sind die Kiefer und in erster Linie die Fichte.

Die Fichte werde im Oberland aber noch lange die wichtigste Baumart bleiben und wohl auch nicht so stark unter dem absehbaren Klimawandel leiden wie anderenorts, sagt Revierförster Nörr. Dennoch arbeite man auf einen Mischwald mit einem Anteil anderer Baumarten von einem Fünftel bis zu einem Drittel hin - aus ökologischen Gründen wie beim deutlichen Anstieg des Totholzes in den Wäldern, aber auch um das wirtschaftliche Risiko eines Totalschadens durch Stürme, längere Trockenphasen oder Käferplagen zu streuen. Gerade hier setzen die Förster verstärkt auf die tiefwurzelnde Tanne, auch wenn deren Triebe die Leibspeise der Rehe sind. Die Forstleute stellen sich deswegen schon auf neuerliche Konflikte mit den Jägern in der alten Frage Wald vor Wild oder Wild vor Wald ein, wenn dafür 2015 die neuen Vegetationsgutachten für die Abschuss-Quoten erarbeitet werden.

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Quelle:
SZ vom 27.12.2014
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