Kriminalitätsstatistik:Der Landkreis hat ein Drogenproblem

Die Zahl der Delikte in der Region ist vergangenes Jahr um mehr als 18 Prozent gestiegen. Die Polizei führt das auf zunehmende Kontrollen zurück. Sozialarbeiter halten die Dunkelziffer aber nach wie vor für hoch

Von Nora Schumann und Florian Zick

Die Kriminalitätsrate im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen liegt weiterhin auf niedrigem Niveau. Dies geht aus dem jährlichen Sicherheitsbericht des Polizeipräsidiums Oberbayern-Süd hervor. Laut Polizeipräsident Robert Kopp ist 2018 die Zahl der Straftaten im Landkreis sogar noch einmal um zwei Prozent auf 3945 gesunken. Das ist der niedrigste Wert seit 2009. Eine Zahl im Sicherheitsbericht läuft allerdings deutlich gegen den Trend: Bei den Drogendelikten verzeichnete die Polizei ein Plus von gut 18 Prozent.

Zwar muss man diese Prozentzahl schon im Verhältnis zu den absoluten Zahlen bewerten. Bei einer geringen Zahl von Fällen hat man schließlich sehr schnell hohe Prozentanstiege. Sind es im einen Jahr zwei Raubüberfälle und im anderen Jahr vier, wäre das statistisch gesehen eine Steigerung um 100 Prozent. Bei den Drogendelikten liegen die Fallzahlen aber schon deutlich höher. 2017 waren es noch 257, im Jahr darauf schon 304. Was hat es mit diesem Anstieg also auf sich?

S 7 Ausbau - S-Bahn Verlängerung nach Geretsried

Ebenfalls ein angeblicher Drogen-Hotspot in Wolfratshausen: der S-Bahnhof in der Innenstadt.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Angst, dass sich der Landkreis zu einem Drogenumschlagplatz entwickelt, müsse man sicher nicht haben, sagt der Wolfratshauser Polizeichef Andreas Czerweny. Zwar gebe es schon Orte wie den S-Bahnhof oder die Alte Floßlände. Das sind nach Angaben der Polizei die Hotspots für Drogengeschäfte in Wolfratshausen. Dort habe die Polizei in der Vergangenheit verstärkt kontrolliert und sei deshalb auch öfter fündig geworden. "Mehr Kontrollen ziehen im Drogenbereich häufig auch die Feststellung von mehr Delikten nach sich", erläutert Czerweny.

Franz Schöttl, der Dienststellenleiter in Geretsried sieht das ähnlich. Zwar seien auch in Geretsried die Fallzahlen gestiegen. "Aber Rauschgiftkriminalität ist eben ein sogenanntes Kontrolldelikt", erklärt er. Anders als beispielsweise bei Raub werden diese Delikte in der Regel nicht angezeigt, sondern kämen erst durch Kontrollen auf. Nur auf diese Weise würden Gesetzesverstöße erfasst und verfolgt.

In der Kriminologie wird dieses Phänomen auch Lüchow-Dannenberg-Syndrom genannt, beschrieben in einer wissenschaftlichen Arbeit von Christian Pfeiffer, Leiter des Kriminologischen Instituts in Hannover. Pfeiffer stellte fest, dass eine Erhöhung der Polizeipräsenz an einem Ort eine Erhöhung der statistisch erfassten Vergehen und Verbrechen nach sich zieht.

Kriminalitätsstatistik: Die Alte Floßlände an der Loisach gilt als angeblicher Drogenumschlagsplatz.

Die Alte Floßlände an der Loisach gilt als angeblicher Drogenumschlagsplatz.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

"Tatsache ist, dass die Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz angestiegen sind", so der Wolfratshauser Polizeichef Czerweny. Er könne nur für den Bereich seiner Dienststelle sprechen, aber dort habe die Polizeibehörde vermehrt auch ganzheitliche Verkehrskontrollen durchgeführt. Dabei seien die Beamten auf eine erhöhte Zahl von Autofahrern aufmerksam geworden, die unter Drogeneinfluss am Steuer saßen. Diese Statistik spiegle sich auch in den Zahlen von Führerscheinentzügen wider, erklärt Czerweny weiter.

Hauptsächlich handele es sich bei den konsumierten Rauschmitteln um Marihuana und Haschisch - also nicht um die ganz harten Drogen. Aber da mache die Kriminalitätsstatistik eben keinen Unterschied. Franz Schöttl, der Geretsrieder Polizeichef, gibt außerdem zu bedenken, dass die Festnahme eines einzelnen Drogendealers oftmals zu mehr als einem Verfahren führe. Dann nämlich, wenn der Dealer beim Verhör weitere Namen von Konsumenten nenne. Dies könne bei den relativ geringen absoluten Zahlen ebenfalls einen starken prozentualen Anstieg verursachen, so Schöttl.

Kriminalitätsstatistik: Andreas Czerweny, der Chef der Wolfratshauser Polizeidienststelle.

Andreas Czerweny, der Chef der Wolfratshauser Polizeidienststelle.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Hat die zunehmende Zahl von Drogendelikten also tatsächlich nur mit verstärkten Kontrollen zu tun? Eine Nachfrage bei Cordula Schnellbach, mobile Sozialarbeiterin in Wolfratshausen. Sie habe nicht feststellen können, dass der Drogenkonsum bei Jugendlichen signifikant zugenommen habe, sagt Schnellbach. Das habe letztlich aber auch nichts zu sagen, so die Sozialarbeiterin. Denn das Einnehmen von Rauschmitteln finde immer häufiger im privaten Bereich statt. Die Zeiten, als sich die Drogenszene noch "unter der Brücke" versammelt habe, seien vorbei, so Schnellbach. Aber auch ihr seien vermehrte Kontrollen durch die Polizei aufgefallen.

Statistisch problematisch ist zudem ein Umstand, den auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) immer angreift. Die Zahlen in der Polizeistatistik beziehen sich nämlich auf Tatverdächtige. In wie vielen Fällen die Verfahren durch die Staatsanwaltschaften eingestellt werden, beziehungsweise in wie vielen Fällen es überhaupt zu einer Verurteilung kommt, dazu sage die Statistik nichts aus, so der BDK. Es sei deshalb überfällig, die Statistiken von Polizei und Justiz zusammenzuführen. Erst dadurch werde es möglich, den Werdegang eines Delikts von der Strafanzeige bis zum Gerichtsentscheid zu verfolgen, so der BDK.

Ungeachtet statistischer Feinheiten kann man aber durchaus sagen, dass Drogen in der Region ein zunehmendes Problem sind. Zwar geht der Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Oberbayern-Süd weit über den Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen hinaus. Das Gebiet erstreckt sich von Schongau über Rosenheim bis nach Burghausen. Aber was die Polizei dort zuletzt an Drogenfunden gemacht hat, ist schon mehr als beachtlich.

Das am häufigsten beschlagnahmte Rauschmittel war Marihuana. Gut 195 Kilo der Kiffer-Droge haben die Beamten des Polizeipräsidiums Oberbayern-Süd 2018 sichergestellt. Im Jahr davor waren es nur 118 Kilo. Noch größere Steigerungsraten gibt es bei Haschisch und harten Drogen wie Kokain oder Heroin. Eigentlich überall stehen neue Rekordwerte. Aber auch da geht die Polizei wie für den Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen davon aus, dass es nicht etwa einen vermehrten Konsum gibt, sondern dass die steigenden Werte auf die zunehmenden Kontrollen der Beamten zurückzuführen sind.

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