Auf den Kiesbänken im Naturschutzgebiet der Isar brütet der Regenpfeifer während des Frühjahrs offen im Gelände. Die Eier liegen in kleinen Mulden und sind von den umgebenden Flusskieseln kaum zu unterscheiden. Wer davon nichts weiß, kann die seltenen Vögel leicht aufstöbern und so den Brutvorgang stören. Darum markieren die seit vier Jahrzehnten im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen tätigen Naturschutz-Ranger die Nistplätze mit Hinweisschildern und Flatterbändern zwischen Mitte März und Mitte August.
Bernhard März ist der derzeit Dienstälteste, seit 1988 engagiert er sich am Fluss. „Gerade bei den Leuten, die immer wieder an die Isar kommen, kannst du durch Aufklärung viel bewirken“, sagt er. Wenn er bei den Menschen ein „Aha-Erlebnis“ auslösen könne, sei das sehr bereichernd. Um Naturzusammenhänge und die Rolle des Menschen darin zu vermitteln, könne er aus seinem mittlerweile riesigen Wissensfundus schöpfen. „Ich habe dann das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun“, sagt März.
Das ist es, was ihn seit 36 Jahren bei den Naturschutz-Ranger hält. Und sicher auch mancher, selbst nach Jahrzehnten noch überraschender fast intimer Moment zwischen Mensch und Natur. Als März detailreich von einer besonderen Begegnung mit einem Regenpfeifer erzählt, ist deutlich zu hören, wie begeistert er ist. Der Naturschutz-Ranger war damit beschäftigt, einen der Brutplätze des Regenpfeifers zu markieren. In diesem Moment lief der Vogel vom Nest auf ihn zu und schaute zu ihm auf, während das Tier um ihn herumging und ihn erkennbar von der Mulde wegzulocken versuchte. Von dieser Strategie, Raubtiere von den Brutplätzen wegzulocken, hatte März zwar schon gehört, nun konnte er sie erstmals unmittelbar beobachten. „Der Vogel hat seinen Flügel von sich gestreckt und simuliert, dass sein Flügel gebrochen war.“
Davon berichtet März am Rande einer Feierveranstaltung zu 40 Jahren Naturschutz-Rangern. Besucher zur sensiblen Natur in der Auenlandschaft der Isar aufzuklären, zählt heutzutage zu deren Hauptaufgabe. Dazu zählen auch umweltpädagogische Führungen. Zudem vermitteln Naturschutz-Ranger ihr Wissen an Aktionsständen, bekämpfen invasive Arten oder siedeln Laich um, sagt Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler) in seiner Festrede, die er wetterbedingt im Tölzer Landratsamt hält.
Gleichzeitig müssen die Naturschutz-Ranger die Vorschriften zum Landschafts- und Naturschutz sowie die Bestimmungen aus der Bootsverordnung für die Isar überwachen und im Ernstfall durchsetzen. Das bedeutet, auch Platzverweise auszusprechen oder Ordnungswidrigkeiten aufzunehmen. „Hoheitliches Handeln hat leider etwas zugenommen“, so Landrat Niedermaier. Das entspreche zwar nicht dem Ursprungsauftrag der Hege, Pflege und Aufklärung, sei gleichwohl immer wieder notwendig.
Damit hat sich das Tätigkeitsspektrum der Naturschutz-Ranger seit den Anfängen stark verändert. 1984 stellte das Landratsamt für das Naturschutzgebiet „Isarauen zwischen Schäftlarn und Bad Tölz“ den ersten Isar-Ranger – so hießen die Naturschutz-Ranger anfangs – für drei Monate im Sommer ein. Ein Jahr später wurde um einen Zweiten aufgestockt. Die Öffentlichkeit sprach von den „Hausmeistern in der Pupplinger Au“. Das rührte daher, weil die Aktiven so sehr damit beschäftigt waren, den Müll der vielen Besucher einzusammeln.
Zu dieser Zeit war die Isar um die Tattenkofener Brücke herum vor allem für die vielen Nacktbader bekannt. Die FKK-ler parkten die Straßen regelrecht zu, was sich laut März allerdings durch umfangreich an den Straßenseiten installierte Leitplanken und angelegte Parkplätze eingrenzen ließ.
Als sogenannter Pflanzenschonbezirk waren die Ascholdinger und Pupplinger Au allerdings bereits seit dem Jahr 1912 naturschutzrechtlich geschützt. Laut Niedermaier wurde das Naturschutzgebiet zur Nazi-Zeit 1941 in das Reichsnaturschutzbuch eingetragen. Die erste Verordnung im Naturschutzgebiet von 1964 wurde im Jahr 1984 aktualisiert. „Es war klar, dass es jemanden braucht, der das überwacht“, so Landrat Niedermaier.
Das war der Ausgangspunkt für die Naturschutz-Ranger. Der Landkreis finanzierte den ersten von ihnen durch Ausgleichszahlungen der Stadt München. Die Kommune musste diese leisten, nachdem die Trinkwasserleitung vom Loisachtal bei Oberau bis in die Landeshauptstadt durch das Naturschutzgebiet verlegt worden war.
Elf Naturschutz-Ranger teilen sich derzeit 7,5 Stellen im Landkreis
Bereits seit 1925 waren Mitglieder der Wolfratshauser Bergwacht parallel als Naturschutzwächter in der Pupplinger Au aktiv. Als Naturschutz-Ranger sind inzwischen elf Personen tätig. Sie teilen sich laut Franz Steger, der die Untere Naturschutzbehörde im Landratsamt leitet, aktuell 7,5 Stellen. Drei Mitarbeiter sind ganzjährig in Vollzeit beschäftigt, die restlichen haben 50-Prozent-Stellen. Ihr Einsatzareal wurde 2013 um das Landschaftsschutzgebiet südlich von Bad Tölz erweitert.
Den zunehmenden Partytourismus auf dem Fluss einzuschränken, half die im Jahr 2019 erlassene Bootfahrverordnung. Seitdem gilt etwa eine Alkoholgrenze von 0,5 Promille. Beiboote und Glasflaschen mitzunehmen, ist verboten. Das Bootfahren ist südlich von Bad Tölz saisonal auf die Zeit von 1. Juni bis 15. Oktober beschränkt, bis Silvester vom Tölzer Kraftwerk zur nördlichen Landkreis-Grenze.
In der Pupplinger Au, aber auch im Süden helfen Landwirte zudem, die ursprüngliche Vegetation entlang des Flusses mit Beweidung wiederherzustellen. Wo etwa die 60 Ziegen, vier Esel und fünf Schafe von Kaspar Fischer aus Gaißach grasen, können sich unter anderem die Kugelblume, die Silberwurz oder der Thymian wieder langfristig ansiedeln. Der Landwirt berichtet von „wahren Pflanzenteppichen“.
Die Naturschutz-Ranger sprechen im Landratsamt vom Glück, einen der attraktivsten Arbeitsplätze in der Heimatregion zu haben, und von den schönen Momenten, wenn sich Besucher bei ihnen bedanken. Landrat Niedermaier lobt sie für ihr Engagement und dankt den Kooperationspartnern von Isartalverein, Bayerischen Staatsforsten, Berg-, Wasser- und Naturschutzwacht. Den Fluss könne man nur schützen, wenn sich die Interessen zwischen Freizeitnutzern, Landwirtschaft und Naturbewahrern ausgleichen ließen, betont Niedermaier. „Wir werden das nur miteinander auf den Weg bringen.“