Geburtshilfe in Bad Tölz:Ein Storchenwagen als Notlösung

Babyboom in Berlin

Eine Geburtshilfestation fehlt im Süden des Landkreises Bad Tölz-Wolfratshausen.

(Foto: dpa/Waltraud Grubitzsch)

Grüne Kreisrätinnen fordern nach der Schließung der Tölzer Geburtshilfe Angebote für Schwangere im Südlandkreis.

Von Claudia Koestler

Rückblickend betrachtet sollte die Geburt des Nachwuchses nichts anderes sein als der glücklichste Moment für die Eltern. Angst und Unsicherheit sollten jedenfalls keine Schwangere belasten bei diesem an sich schon hochemotionalen Ereignis. Doch mehrere Familien aus dem Südlandkreis hätten, so Grünen-Kreisrätin Barbara Schwendner, seit der Schließung der Tölzer Geburtsabteilung bereits "brenzlige Fahrten" erleben müssen, bei denen sie es mit kurzen Wehen "gerade noch so in den Kreißsaal geschafft haben". Zusammen mit ihren Fraktions-Kolleginnen Annelies Wiedenbauer-Schmidt und Mechthild Felsch sieht sie deshalb dringenden Handlungsbedarf und wird dem Sozial-und Kulturausschuss des Kreistags am Montag, 11. September, mit einem Antrag umfangreiche Lösungsvorschläge zur Diskussion stellen.

Eine solch brenzlige Situation einer Schwangeren im Südlandkreis bestätigt Frauenarzt Stephan Krone aus der eigenen Praxis. Eine Lenggrieserin sei kurz vor ihrem errechneten Geburtstermin noch einmal zur Kontrolle in seiner Praxis gewesen, als der Arzt feststellte: "Es tut sich was." Die Geburt sei bereits im Gange gewesen, "und es war klar, sie muss in die Klinik", erinnert er sich. Doch weil die Tölzer Abteilung bereits geschlossen war, hatte sich die werdende Mutter in Starnberg angemeldet. Mit Blaulicht sei sie schließlich im Rettungswagen dorthin gebracht worden, ärztlich begleitet von Krone, der sie verbal beruhigte und es nach eigener Darstellung so schaffte, dass die Frau die Wehen "veratmete", bis sie in der Klinik angekommen waren. "Wir konnten so eine Straßengeburt verhindern, gerade noch so", sagt Krone. Auch wenn alles gut gegangen und Mutter und Kind wohlauf seien, warnt er: "Solche Situationen können auch anders ausgehen."

Barbara Schwendner

Kreisrätin Barbara Schwendner macht sich Sorgen um schwangere Frauen.

(Foto: Manfred Neubauer)

Die Lage für Schwangere im Süden des Landkreises habe sich dramatisch verschlechtert, schlussfolgert Schwendner: "Geburten sind beschwerlicher und unsicherer geworden." Mütter hätten Angst vor den langen Fahrten in den Kreißsaal "und fühlen sich allein gelassen". Zwei andere Mütter hätten ihre Kinder tatsächlich auf der Autobahn bekommen, weil sie den Weg in die Garmischer Klinik nicht mehr geschafft hätten, berichtet sie. Aus solchen Ängsten tendierten manche zum gefährlichen Gegenteil, nämlich zu einer Geburt alleine zu Hause, ohne Begleitung einer Hebamme oder eines Arztes. "Das ist ein gesamtgesellschaftlicher, gefährlicher Trend, der nun seit der Schließung der Geburtsabteilung auch im Süden des Landkreises vermehrt Einzug hält", sagt Schwendner. Sie und ihre Fraktionskolleginnen fordern deshalb, dass Schwangere eine bessere und sicherere Versorgung erhalten müssen, "um in einer guten und sicheren Situation anstelle von Angst, Sorge, Stress und Unsicherheit ihr Kind zur Welt bringen zu können". Immerhin sei der Landkreis laut Landkreisordnung dazu verpflichtet, die Hebammenhilfe für die Bevölkerung sicherzustellen.

Vier Monate ohne

Ende April 2017 kam das vorerst letzte "Tölzer Kindl" auf die Welt, dann wurde die Entbindungsstation der Asklepios-Stadtklinik Bad Tölz geschlossen. Der Kreistag hatte es zuvor mehrheitlich abgelehnt, den Gesundheitskonzern finanziell zu unterstützen. Rund 1,8 Millionen Euro Zuschuss hatte Asklepios gefordert, damit die Tölzer Entbindungsstation als Hauptabteilung weiter betrieben werde. Der Kreistag entschied stattdessen, dass die Geburtshilfeabteilung an der kreiseigenen Klinik in Wolfratshausen gestärkt werden solle. Die dortige Belegstation soll in Zusammenarbeit mit dem Starnberger Kreiskrankenhaus zur Fachabteilung ausgebaut werden. Der Wolfratshauser Klinik-Aufsichtsrat hat dieser Kooperation Anfang August zugestimmt. cjk

Der derzeitige Beschluss zur Geburtshilfe im Landkreis sichere zwar zunächst einmal die Geburtshilfe in Wolfratshausen ab. Doch es brauche eben auch eine Lösung für den Süden. Und hierzu sei eine "hohe Dringlichkeit zu handeln gegeben".

Als mögliche Lösungsvorschläge listet der Antrag der Grünen-Kreisrätinnen die Anschaffung eines sogenannten Storchenwagens durch den Landkreis auf. Der Storchenwagen ist ein Krankenwagen mit geburtshilflicher Ausstattung. Für Schwangere, die kurz vor der Entbindung stehen, einen Wehendurchbruch haben oder bei denen die Fruchtblase geplatzt ist, sei er eine Möglichkeit, unter der Betreuung durch eine Hebamme das nächstliegende Krankenhaus zu erreichen. In Berlin werde ein solcher Storchenwagen bereits erfolgreich eingesetzt, sagt Schwendner. Frauenarzt Stephan Krone sieht zwar hier das Problem, dafür das nötige qualifizierte Personal, das rund um die Uhr zur Verfügung stehen müsste, zu finden. Dennoch begrüßt er die Idee, "um die Lücke hier im Südlandkreis abzupuffern, wenn es sie auch nicht schließen kann".

Des Weiteren fordern die Kreisrätinnen die Einrichtung einer Schwangeren-Ambulanz, in der alle Fragen rund um Schwangerschaft und Geburt mit Fachpersonal geklärt werden können und auch die Nachsorge stattfinden kann. Schwangere hätten heute Mühe, einen Platz in einem Geburtsvorbereitungs- oder Rückbildungskurs zu bekommen. Zudem solle der Landkreis ein Geburtshaus fördern oder die Einrichtung eines von Hebammen geführten Kreißsaals in Bad Tölz. Geburtshilfe und Geburtsvorbereitungskurse durch Hebammen sollten finanziell gefördert werden. Um die Vorschläge möglichst rasch umsetzen zu können, fordern sie zudem die "sofortige Aufnahme von Verhandlungen mit Hebammen und Frauenärzten" und die Anwerbung weiterer Hebammen. Die finanziellen Mittel "müssen im erforderlichen Umfang bereitgestellt werden. Bei Bedarf sind die Stadt Bad Tölz sowie die südlichen Landkreisgemeinden mit einzubeziehen", heißt es im Antrag. Krone wiederum begrüßt das Engagement und den Antrag mit den Lösungsvorschlägen: "Jedes Modell, das eine Verbesserung der Situation bringt, ist willkommen."

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