Bad Tölz-Wolfratshausen:Digitalisierung bleibt Baustelle

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Durch die Corona-Pandemie musste die Digitalisierung an den Schulen vorangetrieben werden. Doch noch immer hapert es an der Ausstattung, aber auch an den Wünschen und Vorstellungen von Lehrern und Eltern. (Foto: Florian Peljak)

Der Landkreis hat seine Not, die eigenen Schulen mit Wlan und Geräten auszustatten. Nach dem Vorbild Traunsteins schlägt die Kreis-CSU die Gründung einer landkreiseigenen Gesellschaft vor, die beim IT-Ausbau hilft

Von Alexandra Vecchiato, Bad Tölz-Wolfratshausen

Die Digitalisierung der landkreiseigenen Schulen muss vorangetrieben werden. Das hat die Corona-Pandemie gezeigt. Darin war sich der Kreisausschuss in seiner Sitzung am Montag einig. Dis CSU-Fraktion geht noch einen Schritt weiter und bringt die Gründung einer kreiseigenen Gesellschaft aufs Tapet, deren Ziel es ist, sich um den Prozess der Digitalisierung von der Implementierung entsprechender IT-Systeme bis zu deren Wartung, Betreuung und Reparatur zu kümmern. Der Antrag der CSU wurde im Ausschuss kurz besprochen, der Auftrag an die Verwaltung, eine Umsetzung zu prüfen, aber noch nicht beschlossen.

Eigentlich ging es in der Sitzung um den Haushalt für dieses Jahr. Nachdem alle Fachausschüsse getagt haben, obliegt es dem Kreisausschuss, deren Beschlüsse abzusegnen und dem Kreistag die Haushaltssatzung zu empfehlen. Das Gesamtgremium befasst sich am 15. März abschließend mit dem Etat 2021. Und normalerweise halten in jener Sitzung die Fraktionen ihre Haushaltsreden.

Doch Klaus Koch, Fraktionssprecher der Grünen, hatte ein dringendes Anliegen, weshalb er sich am Montag zu Wort meldete. Einerseits warnte er davor, dass die Haushalte 2022 und Folgejahre von Sparzwängen geprägt sein werden, da es Corona-bedingt zu Ausfällen bei den Steuereinnahmen käme. "Es wird die große Kunst sein zu bestimmen, was wirklich wichtig ist", sagte Koch. Aus grüner Sicht dürfte in Sachen Klimaschutz, ÖPNV und Ausbau der Radwege nicht gespart werden. Ebenso wenig dürfe der Landkreis Investitionen in die Zukunft verschieben. Koch, selbst Schulleiter am Tölzer Förderzentrum, sprach den Ausbau der IT-Systeme an den Schulen konkret an. In diesem Punkt sei der Landkreis im Hintertreffen. Der Grünen-Kreisrat bemängelte, dass die ursprünglich geforderten drei neuen Stellen für IT-Hausmeister wieder gestrichen worden seien. Übrig sei eine Stelle für einen IT-Beauftragten, der für alle landkreiseigenen Schulen zuständig sei. Mittel für externe Begleitung gäbe es im Etat 2021 ebenfalls nicht. Auch wenn er großen Respekt habe vor den durch die Corona-Pandemie verursachten "Überanstrengungen im Landratsamt", die Situation an den Schulen sehe ähnlich aus. Von den im Digitalpaket des Freistaats angekündigten Geräten sei keines ausgeliefert worden. Weder Lehrer noch Schüler hätten Laptops fürs Homeschooling. "Das müssen wir kritisch betrachten. Bei der Systembetreuung muss was passieren und nicht erst irgendwann."

Doch ganz so einfach ist es nicht, die Bildungsstätten im Landkreis mit Wlan, Laptops, Tablets und Co. auszustatten. Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler) fand deutliche Worte. Als man das Schulzentrum Geretsried im Zuge der Sanierung mit Wlan flächendeckend versorgen wollte, habe es "heftigste Proteste" gegeben. Die Schulfamilie hätte sich damals gegen die Pläne gestellt. Nun müsse das sanierte Schulzentrum "aufgerissen" werden, um Leitungen zu verlegen. "Und das ist nur ein Beispiel", sagte Niedermaier. Laptops und Tablets für Lehrer zu beschaffen, sei nicht die Aufgabe des Landkreises, sondern die des Freistaats. Dieser habe die Spitzenverbände genötigt, damit die Kreise die Ausstattung übernähmen. Pro Kopf und Gerät gebe es dafür 750 Euro. Doch für diesen Betrag sei es nicht leicht, die Laptops zu kaufen. Vier PC-Typen stünden laut den Vorgaben zur Auswahl. "Aber keiner Schule passen diese." Statt etwa Tablets möchten die Einrichtungen lieber iPads.

Der Landrat im Kreis Altötting habe seinen Kollegen sogar 300 Laptops angeboten mit der Begründung "Meine Lehrer wollen die nicht", erzählte Niedermaier. "Wenn wir die Geräte anschaffen, die die Schulen wünschen, muss klar sein, dass aus Kostengründen nicht jeder Lehrer eines bekommt", redete sich der Landrat in Rage. Er sehe die Schulleiter in der Pflicht, die Verteilung letztlich vorzunehmen. Die Verwaltung könne das nicht leisten. "Das ist ein irrsinniger Aufwand." Zudem kaufe derzeit ganz Bayern zig Tausende Laptops. "Die werden zu einem knappen Gut, und das wird ganz schön teuer. Die 750 Euro reichen hinten und vorne nicht."

CSU-Kreisrat Michael Müller aus Geretsried pflichtete dem Landrat bei. Die Stadt habe die Erfahrung gemacht, dass es bei Laptops ein halbes Jahr Lieferzeit gebe. Dennoch werde man nicht umhinkommen, gemeinsam eine Lösung zu finden. Schließlich gehe es um die Kinder.

Den gordischen Knoten zu lösen, hofft die Kreis-CSU mit ihrem Antrag. Das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen solle prüfen, welche Voraussetzungen erforderlich sind, um eine Gesellschaft zu gründen, die die Digitalisierung an allen Schulen vorantreibt, sagte Sprecher Martin Bachhuber. Darüber hinaus sollen die Vor- und Nachteile der Gesellschaft und der festen Stellen im Tölzer Landratsamt verglichen werden.

Im Landkreis Traunstein gibt es seit 2020 ein solches Unternehmen: die Chiemgau GmbH. Darauf hatte die Junge Union die Kreis-CSU aufmerksam gemacht. Der Geschäftsleiter der Chiemgau GmbH, Lothar Wagner, soll zur nächsten Sitzung des Kreisausschusses eingeladen werden. Ebenso soll Wagner einen Vortrag in der Bürgermeisterdienstbesprechung halten. So könne die Bereitschaft unter den 21 Städten und Gemeinden ausgelotet werden, ob sie sich an einer Gesellschaft beteiligen möchten, erhofft sich die CSU.

Die Chiemgau GmbH ist ein Unternehmen, an dem der Landkreis Traunstein 61 Prozent Anteile hält, die übrigen 39 Prozent gehören den 34 Kommunen sowie fünf Kommunalunternehmen. Beschäftigt sind zwei bis drei Mitarbeiter.

© SZ vom 24.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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