Süddeutsche Zeitung

Bad Tölz-Wolfratshausen:"Das ist ein Unding"

Ehrenamtliche warnen vor neuem Asyl-Betreuungsschlüssel

Ehrenamtliche Helfer reagieren mit Unverständnis auf die Pläne der Kreisverwaltung, den Betreuungsschlüssel für Flüchtlinge zu verschlechtern. Sie sehen die Sachbearbeiter schon jetzt überfordert. Zudem halten sie die geplanten Kürzungen für bedenklich, weil Ehrenamtliche nicht alle Aufgaben der Hauptamtlichen übernehmen können. "Das ist ein Unding", sagt Barbara Korseska. Sie engagiert sich ehrenamtlich für Flüchtlinge in Wolfratshausen. Sie helfe gern, betont sie. Aber an hauptamtlichen Sachbearbeitern zu sparen und darauf zu vertrauen, dass Ehrenamtliche dies auffingen, sei nicht fair. Außerdem könnten nur Sachbearbeiter grundsätzliche Aufgaben von der Wohnungssuche und -vermittlung bis zum Ausstellen eines Krankenscheins übernehmen, sagt Korseska. Die Kürzungen seien auch für die Sachbearbeiter selbst eine Zumutung. Denn Flüchtlinge zu betreuen brauche Zeit. Das fange schon damit an, die Sprachbarrieren abzubauen, sagt Korseska. Mit weniger Sachbearbeitern ist schnelle Hilfe aus ihrer Sicht nicht mehr möglich.

Die Asylpolitik werde ohnehin stiefkindlich behandelt, findet Christl Quien-Halamek aus Wolfratshausen. Der Staat könne diese Aufgabe nicht hauptsächlich auf die Ehrenamtlichen verlagern, sagt die Heilpädagogin, die Flüchtlinge ehrenamtlich betreut. Die Pläne, den Betreuungsschlüssel zu verschlechtern, sind für sie grenzwertig. Die Sachbearbeiter könnten ihre Arbeit schon bisher kaum noch ordnungsgemäß bewältigen. Erhöhe sich der Betreuungsschlüssel, bliebe die Bearbeitung von Unterlagen auf der Strecke. Deswegen hätte sie eigentlich das Signal erwartet, mehr hauptamtliche Kräfte einzustellen.

Die Kürzungspläne sind für Sonja Frank, die in Geretsried Sozialreferentin und ehrenamtliche Flüchtlingsbetreuerin ist, kein guter Weg. Bisher sei davon auszugehen, dass noch mehr Asylbewerber in den Landkreis kommen. Und die Neuankömmlinge benötigten besonders viel Unterstützung. In der Geretsrieder Sammelunterkunft für Asylbewerber müsse ständig jemand vor Ort sein. Das sei für Ehrenamtliche kaum zu leisten. Viele Ehrenamtliche engagierten sich neben ihrem Beruf für Flüchtlinge oder seien schon älter. Gerade sie brauchten das Gefühl, nicht allein gelassen zu werden, sagt Frank.

Bisher kommen auf einen Sachbearbeiter 55 Asylbewerber. Künftig soll ein Schlüssel von 1:70 gelten, womit sich der Kreisausschuss am 15.Dezember befassen soll.

In Wolfratshausen tauchte am Rande der Haushaltsberatungen für das kommende Jahr die Frage auf, ob nicht auch die Stadt Stellen für die Flüchtlings-Betreuung schaffen müsse. Eigentlich sei da der Kreis in der Pflicht, sagte Bürgermeister Klaus Heilinglechner (BVW), der auch auf den großen Einsatz vieler Wolfratshauser verwies. Irgendwann würden aber womöglich auch diese freiwilligen Helfer endgültig an ihre Grenzen gelangen. Spätestens dann müsse die Stadt wohl darüber nachdenken, für den Kreis in die Bresche zu springen und auf freiwilliger Basis eine Stelle zu schaffen.

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SZ vom 05.12.2014 / bene
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