Tourismus und Corona:Und wieder bremst das Virus alles aus

Schrödelsteinsessellift

Den Tourismus-Betrieben im Landkreis steht eine schwierige Wintersaison bevor - aufgrund der Pandemie, aber auch der Regelungen dazu.

(Foto: Manfred_Neubauer)

In der Tourismusregion rund um den Isarwinkel bleiben derzeit mehr Unterkünfte frei als üblich. Die Branche kämpft mit den Folgen der Pandemie, und Seilbahnbetreiber fordern 2 G statt 2-G-Plus für den Skibetrieb.

Von Benjamin Engel

Mehr freie Ferienwohnungen und Übernachtungszimmer plus Buchungsabsagen für den Jahreswechsel: Das ist für eine Tourismusregion wie den Isarwinkel rund um Lenggries eine schlechte Nachricht. Denn im Winter wird das Hauptgeschäft in den Ferien zwischen den Weihnachtsfeiertagen und Heilig Dreikönig gemacht. Wenn es für den Skibetrieb im Dezember kalt genug ist, sind dann die Pisten am Lenggrieser Hausberg Brauneck am vollsten.

Derzeit verunsichern allerdings die steigenden Coronavirus-Infektionszahlen Gäste. Zudem reagieren die Seilbahnunternehmer auf die kürzlich verkündete 2G Plus-Regelung der bayerischen Staatsregierung regelrecht schockiert. Aus ihrer Sicht ist ein Skibetrieb so kaum wirtschaftlich. Ein Überblick, wie diejenigen die Situation erleben, die vom Tourismus abhängig sind:

Die Zimmervermieterin

Für Wintersportler könnte das Haus mit fünf Ferienwohnungen von Maria und Andreas Heiß kaum besser liegen. Die Gäste haben am Lahnersbach freie Sicht auf das Brauneck und nur wenige Minuten zur Talstation der Bergbahn. Normalerweise ist Ende November für die Weihnachtszeit schon alles ausgebucht. Heuer sind für die erste Ferienwoche zwischen dem 25. Dezember und 1. Januar noch zwei der fünf Ferienwohnungen frei. Für eine haben die Gäste erst vor wenigen Tagen abgesagt, weil ihnen die Pandemielage zu heikel ist. Das hat Maria Heiß in 15 Wintern als Vermieterin noch nie erlebt. "Wirtschaftlich ist das nicht prickelnd", sagt sie. Als Privatvermieter hätten sie und ihr Mann in den bisherigen Pandemie-Lockdowns keinerlei staatliche Förderungen bekommen.

Das macht die Situation schwierig. Maria Heiß kann aber auch jeden ihrer Gäste verstehen, der verunsichert sei. Ein Großteil seien Skifahrer. "Ich kann ihnen nicht einmal sicher sagen, ob die Bergbahnen aufmachen", schildert sie. Gäste, die für Mitte Januar gebucht hätten, habe sie überzeugen können, erst einmal abzuwarten statt abzusagen. So viele Lücken wie heuer habe es in den Wintern vor der Pandemie nie gegeben, sagt die ausgebildete Hotelfachfrau. Die Gäste mit Preisnachlässen anzulocken, bringe nichts. Als Gastgeber sei sie von den geltenden staatlichen Bestimmungen abhängig.

Ferienwohnung Maria Andreas Heiß

Maria Heiß vermietet Ferienwohnungen.

Ganz anders war das Bild dagegen im vergangenen Sommer. "Von Ende Mai bis Ende Oktober waren alle Ferienwohnungen praktisch immer vermietet", sagt Heiß. "Die sind keine drei Tage leer gestanden." So sehr hätten sich die Leute nach dem monatelangen Lockdown auf Urlaub gefreut. Wenigstens sei die Vermietung von Ferienwohnungen nicht die einzige Einnahmequelle der Familie, so Heiß. Ihr Mann führe einen Zimmereibetrieb.

Die Tourismus-Leiterin

Die zentrale Buchungsplattform für Urlauber in Lenggries zeigte am vergangenen Mittwoch noch 21 freie Unterkünfte von insgesamt 156 dort online aufgelisteten. "Das ist für unsere Verhältnisse viel", sagt Ursula Dinter-Adolf auf Nachfrage. "Normalerweise findet man um diese Zeit (Ende November, Anm. d. Red.) fast gar nichts mehr." Wegen der Pandemie gebe es schon die eine oder andere Nachfrage, weil Urlauber verunsichert seien. Das Gros der Gäste warte momentan aber noch ab, so sei ihr Eindruck. Sie erlebe aber auch Leute, die sich mit den neuen Regeln - nur noch Geimpfte und Genesene dürfen im Urlaub übernachten, also 2 G - sicherer fühlten.

Das Schlimmste wäre aus ihrer Sicht jetzt ein erneuter Lockdown. "Wir hoffen, dass sich die Situation nicht noch einmal verschlechtert und die Tourismusbetriebe wenigstens unter den aktuellen Regelungen offen bleiben können", so Dinter-Adolf. Denn das träfe nicht nur die Gastgeber, sondern auch den Einzelhandel und das Handwerk. Für Veranstaltungen müssten sie und das Lenggrieser Tourismus-Team jeden Tag darauf reagieren, was möglich sei und was nicht. Der Lenggrieser Kripperlweg mit verschiedenen Stationen in den Schaufenstern von Einzelhandelsgeschäften findet heuer aber wieder statt. "Wir wollen unseren Gästen etwas Erfreuliches mitgeben", sagt Dinter-Adolf.

Nur die Benediktenwand-Gruppe trennt das zentrale Wintersportzentrum des Landkreises in Lenggries von der Gemeinde Kochel am See. Dort gibt es zwar den Herzogstand mit seiner Seilbahn und einer Naturschneeabfahrt zum Walchensee. Der Wintertourismus bewege sich aber mehr abseits des Pistentrubels, sagt der Kochler Tourismus-Chef Daniel Weickel. Genauso sind aber auch rund um Kochel- und Walchensee noch viele freie Unterkünfte für Weihnachten zu finden. "Die Gründe sind vielschichtig", betont Weickel. Manche Übernachtungsanbieter meldeten ihre Betriebe für diese Zeit etwa als frei, auch wenn sie in Wirklichkeit geschlossen hätten. Manche Gäste stornierten ihren Urlaub reihenweise, andere buchten gerade jetzt. Ein klares Stimmungsbild unter den Vermietern habe er bisher aber noch kaum einholen können. Weickel glaubt, dass viele aus der Tourismusbranche jetzt erst einmal abwarteten, wie sich die Situation entwickle. Die Kristalltherme - eine der wichtigsten Attraktionen im Zwei-Seen-Land - habe derzeit unter 2 G Plus-Auflagen geöffnet.

Die Bergbahn-Sprecherin

"Schockstarre": Das ist das erste Wort, das Antonia Asenstorfer nach der neuen 2 G Plus-Regelung der bayerischen Staatsregierung für Freizeiteinrichtungen wie Seilbahnen einfällt. Das bedeutet für die Kommunikationschefin im Alpen Plus-Verbund, zu dem auch das Brauneck zählt, dass ihre Anlagen nur noch nutzen darf, wer geimpft oder genesen ist und obendrauf einen Antigen-Schnelltest legt. "Das ist fast wie ein faktischer Lockdown", erklärt Asenstorfer. Wie die benötigten Tests für jeden Skitag überhaupt logistisch abgewickelt werden könnten, sei vollkommen unklar. Schon jetzt seien die Teststationen überfüllt.

Schleppender als in der Vor-Pandemie-Zeit läuft laut Asenstorfer auch der Vorverkauf für Saisonskipässe. Für jeden vollen Kalendermonat, in dem die Anlagen durch Behördenanordnungen geschlossen bleiben müssen, verspricht die Bergbahn zwar 25 Prozent Kaufpreisrückzahlung. Trotzdem schätzt Asenstorfer, dass bislang 30 Prozent weniger Skipässe für die kommende Wintersaison verkauft worden seien als üblich.

Die deutschen Seilbahnbetreiber hätten auf eine 2 G-Regelung für den Skibetrieb wie im benachbarten Österreich gehofft. "Das wäre ein Anreiz gewesen, sich doch noch impfen zu lassen", so Asenstorfer. Jetzt werde in Bayern zusätzlich bestraft, wer sich habe impfen lassen. Bei den Seilbahnbetreibern herrsche jetzt "vollkommenes Unverständnis". Planungssicherheit gebe es derzeit überhaupt nicht. "Wir schicken die Wintersportler jetzt in ein Hochinzidenzgebiet", behauptet Asenstorfer. Sie meint damit, dass viele nun über die Grenze zum Skifahren nach Österreich ausweichen würden, wo die Inzidenzzahlen momentan viel höher seien, aber die dortige 2 G-Regelung vieles vereinfache.

Die Seilbahn-Geschäftsführer

Für die deutsche Seilbahnbranche ist die neue, bayerische 2 G Plus-Regel wirtschaftlich eigentlich untragbar. Das ist der Tenor aus der Jahrespressekonferenz des Verbands Deutscher Seilbahnen (VDS). Kritisch bewertet dessen Spitze zudem die Kapazitätsobergrenze von 25 Prozent der möglichen Auslastung. Von einem Lockdown durch die Hintertür wird gesprochen. Wie das für die Liftanlagen - von der geschlossenen Kabinenbahn bis zum offenen Sessel- oder Schlepplift - auszulegen ist, bleibt aus VDS-Perspektive unklar.

"Mit 2 G Plus ist es momentan unmöglich, einen vernünftigen Betrieb machen zu können", sagt der stellvertretende VDS-Vorsitzende Peter Lorenz. Er ist auch geschäftsführender Sprecher der Alpen Plus Partner, zu denen auch die Brauneck Bergbahn zählt. Ob es unter 2 G Plus-Bedingungen überhaupt einen Skibetrieb im Verbund geben wird, lässt Lorenz noch offen. "Wir hoffen noch auf 2 G." Das würde bedeuten, dass die Politik die Bestimmungen wieder entschärft. Das würde sich auch der Herzogstandbahn-Geschäftsführer Jörg Findeisen wünschen. "Unter den jetzigen Bedingungen ist es nicht darstellbar, den Fahrbetrieb zu öffnen", sagt er. Daher hofft er auf entsprechende Änderungen zur nächsten Ministerpräsidentenkonferenz im Dezember.

Die Seilbahnbranche habe unter den im Sommer gültigen Bestimmungen bewiesen, dass ihre Konzepte funktionierten. Bei der Sicherheit im Umgang mit dem Coronavirus seien die Bergbahnbetreiber Vorreiter, findet Findeisen. Die Branche habe neue Regelungen der Regierung von einem Tag auf den anderen umgesetzt. Dass neue Bestimmungen für den Betrieb am folgenden Tag wiederholt aber erst gegen 18 Uhr abends zugeleitet wurden, sei aber eigentlich eine "Frechheit". Findeisen vermisst generell längerfristig geltende, eindeutige Anordnungen. So lasse sich die Zeit für größere anstehende Projekte wie brandschutztechnische Ertüchtigungen viel sinnvoller nutzen. Denn dafür müsse die Anlage teils außer Betrieb gesetzt werden. Unter den scheibchenweise sich ändernden Bestimmungen während der Pandemiezeit sei dies nur schwer planbar. "Wir stehen im Regen", sagt Findeisen.

Am Lenggrieser Hausberg will Bergbahn-Geschäftsführer Lorenz trotzdem mit der künstlichen Beschneiung beginnen. Das sollten die vorhergesagten Temperaturen zulassen. Vorerst würden aber nur Depots, also Haufen, auf den Pisten gebildet, der Schnee noch nicht verteilt. Lorenz' Appell an die Politik: "Lasst uns zu vernünftigen Regulierungen fahren." Derzeit werde, findet er, eine willkürliche Mauer hochgezogen.

Zur SZ-Startseite
South Africa Cape Town Lions Head Sea Point couple enjoying the view at sunset model released Sy

SZ PlusTourismus
:Was Omikron für Reisen im südlichen Afrika bedeutet

Zwischen Déjà-vu, neuen Sorgen und komplizierten Regeln: Die Erklärung von Südafrika und weiteren Ländern zu Virusvariantengebieten hat weitreichende Folgen für Reisende und die Branche.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: