Wolfratshausen:Alarmstufe Dunkelrot

Coronavirus

Die Intensivstation in der Kreisklinik Wolfratshausen.

(Foto: Hartmut Pöstges)

In den Kliniken des regionalen Corona-Verbunds sind auf den Intensivstationen nur wenige Betten frei. Für das Pflegepersonal bedeutet das eine anhaltend hohe Arbeitsbelastung.

Von Kathrin Müller-Lancé und Felicitas Amler

Noch immer steht die Krankenhausampel in Bayern auf Rot. Spricht man mit denen, die im Moment auf den Intensivstationen arbeiten, müsste sie eigentlich sogar auf Dunkelrot stehen. "Es ist nicht lustig", sagt Martin Dotzer, der als Ärztlicher Leiter die Krankenhäuser im Corona-Zweckverband Bad Tölz-Wolfratshausen, Weilheim-Schongau und Garmisch-Partenkirchen koordiniert. Am Freitagnachmittag waren in den Kliniken in den drei Landkreisen laut Dotzer insgesamt gerade einmal noch vier Intensivbetten frei.

Die Intensivstation in der Murnauer Unfallklinik, in der Dotzer arbeitet, war sogar überbelegt. "Statt 25 Patienten liegen hier im Moment 26 Patienten. Aber wir können ja niemanden auf der Straße lassen." Für die Mitarbeitenden auf der Station ist das laut Dotzer eine Ausnahmesituation: "Wenn ich andauernd mehr leisten muss, als ich eigentlich kann, gefährdet das irgendwann die Versorgung der Patienten." Man versuche im Moment, auch Personal aus anderen Bereichen für die Notfallversorgung einzuziehen, zum Beispiel das Anästhesie-Personal aus dem OP.

Wolfratshausen: Martin Dotzer ist Koordinator für die Corona-Lage im Intensivverbund, dem die Landkreise Bad Tölz-Wolfratshausen, Weilheim-Schongau und Garmisch-Partenkirchen angehören.

Martin Dotzer ist Koordinator für die Corona-Lage im Intensivverbund, dem die Landkreise Bad Tölz-Wolfratshausen, Weilheim-Schongau und Garmisch-Partenkirchen angehören.

(Foto: Unfallklinikum Murnau/oh)

Am Donnerstag hat die Bayerische Staatsregierung eine Allgemeinverfügung erlassen, die Krankenhaus-Koordinatoren wie Martin Dotzer mehr Möglichkeiten bei der Steuerung der Patienten gibt: Er kann jetzt zum Beispiel anordnen, dass in den Kliniken im Zweckverband keine unter medizinischen Aspekten aufschiebbaren Behandlungen mehr durchgeführt werden dürfen. Bisher lag diese Entscheidung noch bei jeder Klinik selbst. Die Asklepios-Stadtklinik in Bad Tölz etwa hatte dies bereits am Mittwoch bekanntgegeben. Die neue Verfügung macht es auch möglich, Vorsorge-Einrichtungen und Reha-Kliniken bei der Versorgung von Patienten mit einzubinden.

Was gegen die Überlastung der Kliniken helfen würde? "Wir müssen impfen, was geht", sagt Dotzer. Und auch aus der Asklepios-Klinik kommt der dringende Appell der Ärzteschaft an alle Bürgerinnen und Bürger, sich impfen zu lassen. Die Klinik beobachte, dass auch jüngere Menschen ohne Impfschutz ein reales Risiko hätten, schwer zu erkranken. Es sei außerdem sehr wichtig, sagt Dotzer, die Inzidenz zu senken. Dabei könne eine flächendeckende 2-G-Regel helfen, das zusätzliche Testen von Geimpften - und der Verzicht auf die eine oder andere Party. "Die Leute können schon viel dazutun", sagt Dotzer.

An der Kreisklinik Wolfratshausen waren am Freitagnachmittag alle drei für Covid-Patienten vorgehaltenen Intensivbetten belegt. Die Klinik hat nach Auskunft ihres Geschäftsführers Ingo Kühn insgesamt 14 Betten auf der Intensivstation - alle ausgelastet. Zur Abteilung gehörten etwa 50 Intensivpflegekräfte, deren Impfquote bei rund 75 Prozent liege, so Kühn auf Nachfrage.

Wolfratshausen: Die Wolfratshauser Kreisklinik hat nach Auskunft ihres Geschäftsführers Ingo Kühn insgesamt 14 Betten auf der Intensivstation – alle ausgelastet.

Die Wolfratshauser Kreisklinik hat nach Auskunft ihres Geschäftsführers Ingo Kühn insgesamt 14 Betten auf der Intensivstation – alle ausgelastet.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Der Geschäftsführer schildert die Arbeit der Intensivpflegenden als sehr aufwendig; sie müssten sowohl die Patienten als auch Geräte überwachen. "Des Weiteren arbeiten die Pflegekräfte in einem Kittel mit Handschuhen, Haube, FFP2-Maske und Gesichtsschild." Die Bewegungsfreiheit sei dadurch eingeschränkt, man bekomme schlechter Luft und die Arbeit sei noch anstrengender. "Zudem muss die Schutzkleidung richtig ausgezogen werden, damit die möglicherweise anheftenden Keime nicht auf die Pflegekraft übertragen werden können." Die Stimmung sei aufgrund der täglich hohen Belastung und der Ungewissheit, was die vierte Covid-Welle mit sich bringe, angespannt. Die Frage, welche Unterstützung die Mitarbeitenden bräuchten, beantwortete Kühn so: "Wenn wir noch mehr Pflegepersonal hätten, dann könnten die Pflegekräfte mehr Ruhe- und Urlaubsphasen haben. Das würde zu einer persönlichen Entlastung führen."

Ähnlich äußerte sich Christopher Horn als Sprecher der Tölzer Asklepios-Klinik. Er sagte, das Haus sei ständig dabei, weiteres Fachpersonal einzustellen. "Wir stehen aber vor der Herausforderung, dass in Deutschland derzeit allein rund 35 000 Pflegekräfte im System fehlen."

Bei Asklepios waren am Freitag neun der zehn Intensivbetten belegt; 25 Covid-Patienten wurden stationär versorgt, davon fünf intensivmedizinisch. "Die Situation ist weiterhin sehr angespannt und die Belastung für alle Beteiligten sehr hoch", so Horn. Die physische und emotionale Belastung insbesondere für das Personal auf der Intensivstation sei "leider sehr hoch".

Horn wiederholte einen Appell, den die Klinikleitung bereits am Mittwoch geäußert hatte: Patienten mit schweren oder gar lebensbedrohlichen Erkrankungen sollten nicht aus Angst vor einer Corona-Infektion dringend notwendige Klinikbehandlungen vermeiden. In den Hochphasen der vorherigen Covid-Wellen habe es immer wieder Patienten gegeben, die trotz akuter, potenziell lebensbedrohlicher Beschwerden aus Angst vor dem Coronavirus erst sehr spät einen Arzt kontaktiert hätten. Die Betroffenen riskierten somit schwere Schäden für ihre Gesundheit.

Das Klinikum Penzberg, das unter dem Dach der Starnberger Kliniken arbeitet, ist in einer besonderen Situation. Sein Haus habe ja nur vier Stationen, erklärt der Ärztliche Direktor Florian Brändle, und davon sei nun eine komplett zur Isolierstation für Covid-Patienten umgewandelt worden. Neun Corona-Erkrankte würden aktuell betreut, allerdings nicht auf der Intensivstation. Diese habe wiederum nur vier Betten. Deswegen würden Covid-Intensivpatienten in umliegende Krankenhäuser des Zweckverbands verlegt. Etliche elektive, also aufschiebbare Operationen seien wegen der angespannten Lage bereits abgesagt worden, sagt Brändle. "Wir haben unser Programm heruntergefahren."

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