Süddeutsche Zeitung

Bad Tölz:"Wir wurden zu Einzelkämpfern"

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An der Tölzer Fachoberschule ist ein besonderes Jahr zu Ende gegangen. Die Bildungseinrichtung wird 50 Jahre alt. Auf eine große Abschlussfeier müssen die Abiturientinnen Naemi Fröhlich und Elisa Demmel verzichten.

Von Benjamin Engel, Bad Tölz

Die aktuelle Abschlussklasse der Tölzer Fachoberschule (FOS) ist ein zweifach besonderer Jahrgang. Heuer wird die Bildungseinrichtung 50 Jahre alt. Gleichzeitig geht der Schulbetrieb im zweiten Pandemiejahr ganz anders zu Ende, als sich das wohl jeder Schüler wünscht - im Wechselunterricht, ohne Abschlussreise und festlich-große Zeugnisfeier. Damit mussten sich die 18-jährige Naemi Fröhlich aus Kochel am See und die 19-jährige Bichlerin Elisa Demmel erst einmal arrangieren. Umso erleichterter sind beide, das zwölfte Schuljahr geschafft zu haben. "Man ist teilweise noch ein bisschen stolzer auf sich, dass man auch in schwierigen Zeiten alles gemeistert hat", sagt Demmel.

Die Schülerinnen haben heuer ihren Abschluss im Gesundheitszweig der Tölzer FOS gemacht. Die letzten schriftlichen Prüfungen haben sie am vergangenen Dienstag geschrieben. Wenigstens, so sagen beide, konnten sie das anschließend noch mit ein paar Freunden an der Isar feiern und sich auch abends klassenintern mit einigen treffen. Doch die übliche festliche Abschlussparty in der Schule wird es wohl nicht geben. "Das ist echt schade, weil es schon eine Belohnung ist, wenn man dann auf die Bühne gerufen wird, sein Zeugnis bekommt, einfach mit Freunden und Familien feiern kann", sagt Fröhlich.

Auf neue Situationen mussten sich beide während der Schulzeit in der Pandemie der vergangenen fast eineinhalb Jahre häufig einstellen. Mal saßen sie nur zu Hause, verfolgten den Unterricht im Online-Modus, für eine kurze Phase nach den Sommerferien im Vorjahr gab es Präsenzunterricht, zum Schluss wieder Wechselunterricht - eine Woche von zu Hause aus und die nächste mit halbierter Klasse in der Schule. Demmel findet, dass es vor allem schwierig gewesen sei, den Wechselunterricht von daheim aus mitzuverfolgen. Teils habe sie nur schlecht verstanden, was im Klassenzimmer gesagt worden sei. In solchen Situationen wäre ihr ein reiner Online-Unterricht fast lieber gewesen, sagt Demmel.

Manchmal, so fügt Fröhlich hinzu, hätten sie sich insbesondere von der Politik alleingelassen gefühlt. Trotz Lockdown hätten andere europäische Länder ihre Schulen offen gehalten. "Wir wurden eher zu Einzelkämpfern", sagt Fröhlich. Das habe sich erst gegen Ende des Abschlussjahres wieder etwas geändert, auch wenn es schon komisch gewesen sei, sich in der Schule nur mit Maske zu begegnen. Vor den jeweiligen Abschlussprüfungen musste sich dann alle zeitnah auch noch selbst testen. Das habe ganz gut geklappt, von einem positiven Fall wüssten sie nichts, sagen beide. In der Pandemie-Situation sei ihnen aber der Unterrichtsstoff fast zu intensiv geworden. Mehr gemeinsame Übungsvorbereitung auf die Abschlussprüfungen hätten sie besser gefunden.

Ohne oder mit nur ganz wenigen Freunden den 18. Geburtstag feiern, nicht in Bars oder Diskotheken ausgehen dürfen - das wäre noch 2019 undenkbar gewesen. In ihrem Bewegungsradius haben sich Demmel und Fröhlich eingeschränkt gefühlt. Wenigstens war es für sie möglich, schnell in die Natur zu gehen, mit Freunden Sport zu machen. Denn irgendwie, so berichten beide, hätten sie sich vom Schulstress ablenken müssen. "Mein neues Hobby ist Spazierengehen", sagt Demmel.

Beide freuen sich darauf, nach der Pandemie wieder unbeschwert Freunde zu treffen und zu reisen. Und sie hoffen auf eine zweite Chance für einen festlichen Abschluss. Denn beide werden die FOS weiterbesuchen, um kommendes Jahr die allgemeine Hochschulreife zu schaffen. Dann hoffentlich mit Abiturientenreise und großem Abschlussball.

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Quelle:
SZ vom 17.06.2021
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