Umweltschutz:So wertvoll sind Moore für Libellen und Menschen

Elf Prozent der Flächen im Landkreis sind Moore. Sie sind nicht nur Lebensraum für seltene Tiere und Pflanzen, sondern helfen auch gegen Klimawandel und Hochwasser.

Von Klaus Schieder

Ein Argusbläuling hat sich auf dem Ärmel niedergelassen. Sanfte Schubser mit dem Ellbogen stören den kleinen Schmetterling nicht, er legt eine Mittagspause ein. Umtriebiger zeigt sich die blaugrüne Königslibelle, die übers Moorwasser schwirrt, stoppt, schwirrt, stoppt. Eine Reihe von Tieren und Pflanzen sind wieder heimisch in den Kirchseefilzen im Naturschutzgebiet Ellbach-Kirchsee-Moor. Normalerweise darf dort niemand hinein, ausgenommen winters die Skilangläufer, für die eine Loipe gespurt wird.

Für die Exkursion am Dienstag haben das Zentrum für Umwelt und Kultur (ZUK) in Benediktbeuern und der Landesbund für Vogelschutz (LBV) jedoch eine Ausnahmegenehmigung bekommen. So kann Regierungsdirektor Roland Weid von der Regierung von Oberbayern auf einem Damm stehend fast wie von einer Tribüne herab übers Moorwasser rufen: "Das ist eines der Top-Moorgebiete, wie wir in Deutschland haben."

Im Landkreis nehmen die Moorflächen mit gut 12 300 Hektar ungefähr elf Prozent des gesamten Gebiets ein. Besonders wertvoll sind die naturnahen Hochmoorflächen, die seltenen Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum bieten und insgesamt 1500 Hektar umfassen. Sie sollen renaturiert werden, was zum Teil schon geschehen ist. 335 Hektar wurden in den vergangenen 25 Jahren wiedervernässt. Damit wird der Torfboden als Speicher für Kohlendioxid und Wasser erhalten, was durch die Senkung von Treibhausgasen dem Klimaschutz, überdies dem Hochwasserschutz dient.

Begleitet werden die Renaturierungsmaßnahmen seit 14 Jahren von den Gebietsbetreuern, die meist nur eine halbe Stelle haben, bezahlt vom Bayerischen Naturschutzfonds und Trägern vor Ort. Zehn arbeiten in Oberbayern, im Landkreis sind es Elisabeth Pleyl vom ZUK (Isar-Loisach-Moore) und Birgit Weis vom LBV (Moore und Isar im Tölzer Land). Sie sollen Pflanzen und Tiere beobachten und dokumentieren, Konzepte zu Arten- und Biotopschutz erstellen, vor allem aber durch Öffentlichkeitsarbeit mehr Akzeptanz für den Naturschutz schaffen. "Sie sind Mittler zwischen Verwaltung und Bürger", sagt Weid. Ihre Arbeit hat sich nach den Worten von Ministerialrat Georg Schlapp vom Bayerischen Naturschutzfonds bewährt: "Sie sind unverzichtbar."

Gebietsbetreuung Klimaprogramm Moore

Eigentlich darf keiner hinein in das Ellbach-Kirchseemoor. Für Naturschützer und Politiker gibt es aber immer mal Ausnahmen.

(Foto: Manfred Neubauer)

Gleichwohl hält es Schlapp für ausgeschlossen, dass die Gebietsbetreuer eines Tages staatliche Stellen erhalten. "Da gibt es keine Chance." Der Naturschutzfonds stellte 3,9 Millionen Euro aus dem Erlös seiner Stiftungsgelder für die Jahre 2015 bis 2018 zur Gebietsbetreuung bereit, die Gesamtkosten betragen 4,72 Millionen Euro. Der Rest finanzieren Träger wie ZUK oder LBV mit. Aber das reicht nicht. Der Freistaat muss Mittel aus seinem Haushalt zuschießen. Landtagsabgeordneter Martin Bachhuber (CSU) zeigt sich verhalten optimistisch: "Ich denke, das wir den Rahmen, den wir bisher hatten, halten können." Das Thema Hochwasserschutz sei in der anstehenden Klausur des Landtags in St. Quirin nach dem Amoklauf in München zwar nach hinten gerutscht. Wegen der Klimaerwärmung müsse man aber handeln. "Moore sind ein zuverlässiger, immerwährender Hochwasserschutz."

Nur etwa zehn Prozent ihrer Arbeitszeit verbringt Gebietsbetreuerin Pleyl im Moor. Ihren Berufsalltag bestimmen Gespräche mit Grundstückseignern und Schreibtischarbeit, beispielsweise Verfassen von Anträgen. Das Klimaprogramm 2050-Moore macht ihr da wenig Mühe. Das gehe automatisch, meint sie. Mit dem Programm werden Moor-Areale gekauft, gepachtet oder per Grunddienstbarkeit gesichert. 93 Hektar hat der Landkreis so wiedervernässt. Eigentümer sind meist Landwirte. Benedikt Zangl, Kreisvorsitzender des Bayerischen Bauernverbands, hebt hervor, dass Landwirte die Fördermittel für Naturschutz und Landschaftspflege nicht einfach so bekämen, sondern erhebliche Gegenleistungen bringen müssten. "Die Gebietsbetreuer leisten wertvolle Arbeit, das den Leuten zu erklären", sagt Zangl.

Die Moore im Landkreis haben auch für Zweiten Landrat Thomas Holz (CSU) eine besondere Bedeutung. "Alle Moortypen, die es in Deutschland gibt, sind im Landkreis anzutreffen." Sie dienten neben dem Klimaschutz der Lebensqualität und damit auch dem Tourismus. Mit der "Tölzer Moorachse", dem die Gebietsbetreuer, der Landrat sowie Vertreter des Bauernverbands und des Naturschutzes angehören, habe man im Landkreis eine Organisation zur Pflege der Moore, die bundesweit einmalig sei. Dennoch, so Holz: "Ich habe das Gefühl, dass diese Flächen in der Öffentlichkeit nicht den Stellenwert haben, den sie eigentlich verdient hätten."

Gebietsbetreuung Klimaprogramm Moore

Roland Weid: "Das ist eines der Top-Moorgebiete, die wir in Deutschland haben.

(Foto: Manfred Neubauer)

Auch das ZUK ist Mitglied der Moorachse. Rektor Pater Karl Geißinger beklagte, dass viele Schüler aus der Region und aus München, die ins Klosterland kämen, "kaum noch einen emotionalen Zugang zur Natur" besäßen. Sie hätten Bücherwissen, aber "keine Ahnung, wie wunderschön die Natur sein kann". Das sei erschreckend.

In den Kirchseefilzen deutet Pleyl auf die Entwässerungsgräben, die vor fast 100 Jahren im Abstand von 50 Metern zum Torfabbau angelegt wurden. Sie wurden mit der Renaturierung verschlossen, damit das Wasser nicht mehr so stark zum Kirchsee abfließt, sondern bleibt. Bürgermeister Johann Schneil aus Sachsenkam hatte anfangs Bedenken, dass dann zu wenig Wasser in den See gelangt. Aber das ist nicht der Fall. Ohne das Naturschutzgebiet, das schon 1940 entstand, wäre hier alles längst bebaut worden, sagt er.

Vorsichtig trägt Christian Niederbichler, Gebietsbetreuer am Ammersee, eine kleine, rote Pflanze herbei, die in der Blütenmitte einen Klebestreifen hat. Das sei rundblättriger Sonnentau, sagt er. "Eine fleischfressende Pflanze." Bleibt nur zu hoffen, dass sich die Zwerglibelle nicht in ihre Nähe verirrt. Das kleine Insekt, das sich in den Kirchseefilzen angesiedelt hat, steht auf der Roten Liste der bedrohten Tierarten weit oben.

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